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PDF 24.208kB - TOBIAS-lib - Universität Tübingen

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plastisches Mittelportal und vier Fenster gegliedert. Zwei Rundsäulen mit<br />

Kompositkapitellen tragen einen gesprengten Giebel mit dem markgräflichen<br />

Wappen des Bauherrn Georg Wilhelm. Auf den geschwungenen Giebelwangen<br />

lagern die zwei vollplastischen Figuren Herkules und Pan als Sinnbilder der<br />

tugendhaften Stärke des Herrschers und der ländlichen Vergnügungen.<br />

Die Innenhofseite des Nordflügels dagegen besitzt keinen Sockel, so dass ein<br />

ebenerdiger Zugang zum Festsaal/Refektorium vorhanden ist. Ein ganz<br />

ungewöhnliches, aber kennzeichnendes Dekorationselement schmückt diese zum<br />

„Klosterhof“ ausgerichtete Seite. Hier gibt es keine Götterfiguren, mit denen sich der<br />

Fürst identifiziert. Stattdessen wird hier der Grund für Namensgebung und Nutzung<br />

der ganzen Anlage dargestellt: auf dem linken Giebelschenkel, entsprechend dem<br />

Herrentrakt des Schlosses, lagert ein Eremit, auf dem rechten Giebelschenkel,<br />

entsprechend dem Damentrakt, eine Eremitin. (Abb. 115) Der Eremit wird als<br />

asketisch aussehender Mann mit verwilderten Haaren, langem Bart und Kutte<br />

dargestellt; die Attribute der Eremitin sind ein Tuch um den Mund, ein Buch und<br />

eine Schriftrolle. Diese Symbole für Stillschweigen, Lesen und Schreiben<br />

entsprachen laut Pöllnitz den Verhaltensregeln der in „seidenen“ Kutten gekleideten<br />

Bayreuther „Mönche und Nonnen“ 608 . Diese höfische Gesellschaft behielt trotz ihres<br />

Eremitenspiels ihren Status und ihre Rangordnung. Sie wechselte wie im Theater<br />

lediglich für kurze Zeit Bühne und Robe, so dass vorübergehend die Grenze<br />

zwischen Sein und Schein, zwischen Realität und Spiel aufgehoben war. Allerdings<br />

galt, laut Wilfried Hansmann, nach französischer Architekturtheorie als besonders<br />

vornehm, wenn sich die Bildmotive im Außenbau wie im Inneren eines Lusthauses<br />

ganz auf seinen Zweck beziehen. 609 Daher spricht es für die Bildung des Markgrafen,<br />

dass er mit der Platzierung von Eremitenfiguren dieser Forderung an solch markanter<br />

Stelle nachkommt und damit den Eremitagengedanken in einer Weise optisch<br />

dokumentiert, wie es meines Wissens, nirgendwo sonst in Deutschland der Fall war.<br />

Von der gleichrangigen Platzierung der beiden Paare Herkules/Pan und<br />

Eremit/Eremitin an der Außen- und Innenseite des Nordflügels kann man ableiten,<br />

dass in der Vorstellung des Markgrafen antike und religiöse Gestalten einander<br />

608<br />

609<br />

Karl Ludwig von Pöllnitz: Lettres et mémoires, Bd. 1, Frankfurt/M 1738, S. 223, zit. n.<br />

Gansera-Söffing, 1990, S. 440.<br />

Hansmann, 1978, S. 148f.<br />

185

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