PDF 24.208kB - TOBIAS-lib - Universität Tübingen

läßt sich heute noch die Wegeführung erkennen, von ihren Gartenbauten ist aber so
gut wie nichts mehr vorhanden. Seit 1990 hat auf der Solitude die „Akademie
Schloss Solitude“ ihr Domizil, bei der jährlich 30 Stipendiaten aus 10 verschiedenen
Sparten und Ländern für ein Jahr in finanzieller Sorglosigkeit Ruhe und
Abgeschiedenheit finden. „Der Gedanke wissenschaftlichen und künstlerischen
Austauschs trifft hier auf die Idee eines Rückzugsortes.“ 1177 Die private Retraite Carl
Eugens dient nach 250 Jahren in weltumspannender Weise wieder als „Eremitage“
für Menschen, die im 21. Jahrhundert für schöpferischen Abstand von der Hektik
unserer Zeit Einsamkeit in der „Solitude“ suchen.
Das kleine, private, in vier km Entfernung von Hohenheim erbaute Schlösschen
Scharnhausen nannte Carl Eugen selbst Retraite. Am Dreiecksgiebel ist über der
Jahreszahl 1784 die Inschrift „Carolus Otio“ eingemeißelt. Unmittelbar vor dem Bau
dieses schlichten, im klassizistischen Stil erbauten maison de plaisance besuchten
Carl Eugen und Franziska die berühmte Wörlitzer Parkanlage, die zweifellos zum
Vorbild für das „Schloss“-Gebäude mit seinem Säulenportikus im Stile Andrea
Palladios und für die Gartenanlage in Scharnhausen wurde. 1178 Im Tagebuch von
Franziska wird zusätzlich zur Scharnhäuser Anlage noch von einem Weinberg,
einem Tiergarten und einem Jagdhaus berichtet. Wie in Hohenheim entstand in
Scharnhausen sowohl eine formale, auf die Architektur ausgerichtete Gartenanlage
als auch ein englischer Landschaftspark mit geschlängelten Wegen, einer begehbaren
Insel, einer künstlichen Ruine und einer Grotte. Der Amortempel, ein auf zwölf
Säulen ruhender Monopteros mit einem Pinienzapfen als Fruchtbarkeitssymbol
gekrönt, ist noch erhalten. In den Namen der „maisons de plaisance“ der
württembergischen Herzöge, die wie Sterne um die Residenzen Stuttgart und
Ludwigsburg kreisen: „Favorite“, „Mon Repos“, „Solitude“, „Einsiedel“ drückt sich
ganz klar die Funktion dieser Landschlösser aus: Ruhe, Abstand, Privatheit oder wie
Carl Eugen es mit dem französischen Wort selbst ausdrückte „Retraite“ von den
Residenzstädten und den Staatsgeschäften.
1177
1178
Claudia Reicherter: Schwäbisches Tagblatt, Feuilleton vom 6. Dezember 2011.
Berger-Fix / Merten, 1981, S. 87.
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