Salutogenese – Das Jahrbuch der KIT-Fakultät für Architektur 2021
Im Oktober 2021 ist das neue Jahrbuch der Fakultät erschienen: 374 Seiten Diskurs, Dokumentation und Data aus Lehre, Forschung und Fakultätsleben. In deutsch und englisch.
Im Oktober 2021 ist das neue Jahrbuch der Fakultät erschienen: 374 Seiten Diskurs, Dokumentation und Data aus Lehre, Forschung und Fakultätsleben. In deutsch und englisch.
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Software Culture in<br />
Architecture<br />
Software bestimmt die <strong>Architektur</strong>produktion —<br />
ob als Entwurfswerkzeuge, Methoden des Ren<strong>der</strong>ings<br />
und <strong>der</strong> Simulation, über Verfahren <strong>der</strong> digitalen<br />
Fabrikation bis zur Verwaltung und<br />
Optimierung komplexer Bauprozesse. Software<br />
gilt es deshalb in <strong>der</strong> <strong>Architektur</strong> als ein kulturelles<br />
Kollektivphänomen des world design zu begreifen,<br />
bei dem weniger das technische Wissen<br />
als eine kritische Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem<br />
gestalterischen, künstlerischen und politischen<br />
Potenzial im Vor<strong>der</strong>grund steht.<br />
Anna-Lena Müller – Software Culture in Architecture<br />
am Beispiel von SOM<br />
Innerhalb von Skidmore, Owings & Merrill ist die<br />
Entwicklung einer Softwarekultur zu beobachten,<br />
die nicht nur auf die Arbeit im Büro selbst Auswirkungen<br />
hatte, son<strong>der</strong>n durch die Aufmerksamkeit<br />
erregenden Bauten des international operierenden<br />
Büros sowie den Austausch mit an<strong>der</strong>en Akteuren<br />
<strong>der</strong> Industrie und schließlich den kommerziellen<br />
Vertrieb seines CAD-Systems AES<br />
auch Einfluss auf die Entwicklung einer Software<br />
Culture in Architecture nahm.<br />
Die Popularität von CAD-Systemen stieg im<br />
Büroalltag <strong>Architektur</strong>schaffen<strong>der</strong>, was auch mit<br />
einer stetigen Weiterentwicklung <strong>der</strong> Hardware<br />
einherging. SOM arbeitete eng mit dem US-amerikanischen<br />
IT-Unternehmen IBM zusammen und<br />
stellte sich unter an<strong>der</strong>em dadurch als einer <strong>der</strong><br />
Marktführer heraus. Das firmenintern entwickelte<br />
CAD-Programm Architecture and Engineering<br />
System (AES) wurde markttauglich und schließlich<br />
auch über IBM vertrieben. Allerdings stellte<br />
es sich als zu spezialisiert und zu teuer heraus,<br />
um langfristig bestehen zu können. Dennoch<br />
nutzte SOM seine eigene Software, um sich Wettbewerbsvorteile<br />
zu sichern, indem sie einen geschickten<br />
Umgang mit den digitalen Hilfsmitteln<br />
ausloteten und so Aufgaben aufteilten und komplexere<br />
Bauaufträge annehmen konnten.<br />
Obwohl sich SOM schon vor Zeiten <strong>der</strong> Digitalisierung<br />
mit einer Fähigkeit zur Bewältigung<br />
komplizierter Hochhausbauten hervortat, wurde<br />
dies durch den Einsatz von digitalen Hilfsmitteln<br />
enorm verstärkt und die zu bewältigende Komplexität<br />
<strong>der</strong> Entwürfe um ein Vielfaches gesteigert.<br />
Auch die offene, kommunikative Struktur <strong>der</strong><br />
Firma über mehrere Zweigstellen auf verschiedenen<br />
Kontinenten wäre ohne Austausch mittels<br />
Software in dem Maße unmöglich.<br />
Während die Frage nach <strong>der</strong> Sinnhaftigkeit<br />
<strong>der</strong> Software in <strong>der</strong> <strong>Architektur</strong> zunehmend von<br />
<strong>der</strong> Frage nach dem bestmöglichen Einsatz ebendieser<br />
abgelöst wird, gilt es weiterhin das Potenzial<br />
des Computers zu untersuchen. In diesem<br />
Zusammenhang muss auch die künftige Rolle <strong>der</strong><br />
Architekt*innen ausgelotet werden, die weniger<br />
vom Computer ersetzt werden als vielmehr gemeinsam<br />
mit diesem arbeiten.<br />
Auch die Kernkompetenz des Entwerfens<br />
unterliegt Verän<strong>der</strong>ungen, was Methodik und Ablauf<br />
angeht. Die bisher nur angerissenen Möglichkeiten<br />
des Einbringens von virtueller Realität o<strong>der</strong><br />
auch künstlicher Intelligenz in den Entwurfsprozess<br />
sind Gegenstand aktueller Forschungen und<br />
könnten künftig weitere Paradigmenwechsel hervorrufen.<br />
Den Computer gilt es nicht nur als Hilfsmittel,<br />
son<strong>der</strong>n auch als potenziellen Entwurfspartner<br />
zu verstehen. Es muss sich mit <strong>der</strong> seit<br />
Jahrzehnten sich bildenden Software Culture<br />
auseinan<strong>der</strong>gesetzt werden, um die Entwicklung<br />
<strong>der</strong> <strong>Architektur</strong>produktion verstehen zu können.<br />
Seminar<br />
BA und MA<br />
Sommersemester 2020<br />
Prof. Dr. Georg Vrachliotis<br />
Hannah Knoop<br />
Anna-Lena Müller<br />
172<br />
Vrachliotis