Salutogenese – Das Jahrbuch der KIT-Fakultät für Architektur 2021

Meyer-Lindenberg: Wir denken, dass es möglich sein
sollte, einen Unterschied zwischen gestaltetem oder
natürlichem Grün festzustellen. Man müsste es
methodisch angehen. Wir versuchen es im Moment
über virtuell begehbare Realität. Wir haben diesbezüglich
eine Kooperation mit einer Gruppe von Architekten
des Haifa Technion ins Leben gerufen. Das virtuelle
Reallabor an unserem Institut erlaubt es uns, in
einer simulierten Umgebung beliebig herumzugehen.
So können wir auch unterschiedliche Formen von
Gestaltung ausprobieren, etwa verschiedene architektonische
Modelle erproben. Dann beobachten wir,
welchen Einfluss sie auf die Befindlichkeiten haben.
Das können wir im Labor messen. In den Städten der
Zukunft wird es nicht so sein, dass man nur im Park
spazieren geht. Es stellt sich ja auch die Frage der
Zugriffs gerechtigkeit: Wie kommen die Leute an ihre
Dosis Natur in so einer verdichteten Stadt? Es gibt
eine ganze Reihe sehr eindrucksvoller Befunde, die
darlegen, dass der visuelle Effekt maßgeblich ist. Untersuchen
wir zum Beispiel solche Ansätze wie vertical
greening, was in der heutigen Architektur noch unter
den Aspekt des energiesparenden, nachhaltigen Bauens
fällt, so haben wir die Hoffnung auf einen gesundheitsförderlichen
Effekt, bezogen auf die Psyche.
Solchen Fragen widmen wir uns im Moment, aber wir
können im Prinzip mit diesen Manipulationsmöglichkeiten
auch die Formsprache sehr präzise abbilden
dank der Technologien auf Seiten der Architektur.
Inderbitzin: Mich würde abschließend interessieren,
was Sie zum Thema der Altenpflege denken. Ich
persönlich finde, dass die Architektur hier sehr stark
gefragt ist. Menschen leben in den Heimen zwar zusammen,
sind aber trotzdem extrem einsam. Sie
ziehen ins Heim und sterben ein Jahr später, obwohl
sie beim Einzug eigentlich noch in guter Verfassung
waren. Wie sehen Sie das oder was wird dazu geforscht
in ihrem Umfeld?
Inderbitzin, Medina Warmburg
93