Salutogenese – Das Jahrbuch der KIT-Fakultät für Architektur 2021

(Retrograde) Lobotomie
Sophia Schmidt
Dem Modell der Salutogenese liegt die Annahme
zugrunde, dass jeder Organismus über eine kontinuierliche
Anzahl antonym kranker und gesunder
Aspekte verfügt, deren Verteilung innerhalb eines
Kontinuums graduell und prozesshaft variiert. Der
lebendige Organismus bildet somit das gesamte
Spektrum aller möglichen Gesundheitszustände ab
und die dynamische Verteilung der verschiedenen
Aspekte bedingt den Grad der Gesundheit zu einer
bestimmten Zeit.
In Abgrenzung zur Pathogenese, die die
Erforschung und Milderung von Krankheitsverläufen
und die Entwicklung von Präventionsstrategien darstellt,
untersucht die Salutogenese, wie Gesundheitsverläufe
durch erlernte und entwickelte psychosoziale
Widerstandsressourcen (soziale Bindungen,
Identität, kulturelle Stabilität) in Kohärenz gebracht
und langfristig in einen ausgewogenen Bereich des
Gesundheitsspektrums eingegliedert werden können.
Das Kohärenzgefühl sagt aus, inwiefern das eigene
Leben als verstehbar, sinnhaft und bewältigbar angesehen
wird. Je stärker es ausgeprägt ist, desto positiver
wird die Gesundheit beeinflusst und vice versa. ↘ 1
Der Prozess der Gesundheitsbildung ist somit stark
beeinflusst durch die eigene Haltung und den Umgang
mit sich selbst.
Was für die Gesundheitsentwicklung des Individuums
zutrifft, kann sinngemäß für die Gesellschaft verstanden
werden. Denn im Grunde betreiben Gesellschaften
eine ganz ähnliche kontinuierliche Selbstregulierung
wie die des salutogenen Organismus, ihr
temporärer Zustand bildet sich dabei im Querschnitt
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Diskurs