rudolf steiner gesamtausgabe vorträge - Freie Verwaltung des ...
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Copyright Rudolf Steiner Nachlass-<strong>Verwaltung</strong> Buch: 307 Seite: 188<br />
schön, wie wir es ja heute besonders gewöhnt sind, die gebräuchlichen<br />
Geschichtsbetrachtungen durchnehmen, eine Epoche nach der anderen<br />
schildern und immer darstellen, wie das eine aus dem anderen, wie<br />
die Wirkung aus der Ursache hervorgeht. Wir können schön schildern<br />
in der Kunstgeschichte zum Beispiel den Leonardo, und dann den<br />
Michelangelo als Wirkung und so weiter. Von alledem, was heute, ich<br />
möchte sagen, unter den Erwachsenen konventionell geworden ist, kausal<br />
leitende Motive in der Geschichte zu suchen, von alldem kann der<br />
Mensch vor dem zwölften Jahr überhaupt nichts verstehen. Wie eine<br />
Art ganz willkürlichen Trommeins oder unmusikalischen Klavierklimperns<br />
am Ohre vorbeigeht, so geht eine Geschichtsbetrachtung,<br />
welche, wie man sagen kann, kausal das Spätere aus dem Vorigen<br />
herleitet, an dem Kinde vorüber. Und es kann das Kind nur durch<br />
Zwang dazu veranlaßt werden, eine solche Geschichtsbetrachtung<br />
irgendwie in die Seele aufzunehmen. Dann aber wird sie aufgenommen<br />
von der Seele, wie vom Magen aufgenommen werden eine Portion<br />
Steine, die verschluckt werden müssen. Wir müssen ja durchaus darauf<br />
sehen, daß wir seelisch ebensowenig Steine verabreichen statt eines<br />
Genießbaren, wie wir dem Magen Steine statt Brot verabreichen dürfen.<br />
Darum handelt es sich: tatsächlich lebendig die Geschichte, das geschichtliche<br />
Leben an den Menschen heranzubringen. Dazu haben wir<br />
vorerst nötig, einen mit dem Menschen verbundenen geschichtlichen<br />
Zeitbegriff zu erwecken.<br />
Wenn wir da ein Buch haben über das Altertum, das zweite Buch<br />
über das Mittelalter, das dritte über die Neuzeit, wie wenig wird<br />
eigentlich darauf gesehen, daß geschichtlicher Zeitbegriff drinnen waltet!<br />
Wenn ich aber davon ausgehe, daß ich dem Kinde sage: Du bist<br />
jetzt zehn Jahre alt, du hast also schon im Jahre 1913 gelebt. Dein<br />
Vater, der ist viel älter als du, der hat schon im Jahre 1890 gelebt,<br />
und <strong>des</strong>sen Vater hat wiederum schon im Jahre 1850 gelebt. Stelle dir<br />
also vor, sage ich zu dem Kinde, da stehst du, du gibst deinen Arm<br />
nach rückwärts, fassest deinen Vater an den Seiten an, der gibt wiederum<br />
seine Arme nach rückwärts und faßt seinen Vater an, deinen<br />
Großvater und so weiter, da kommst du bis zum Jahre 1850 zurück.<br />
Und dann denkst du dir immer, jeder faßt seinen Vater an! Ungefähr