rudolf steiner gesamtausgabe vorträge - Freie Verwaltung des ...
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sich diese Pflege <strong>des</strong> Gedächtnisses, die durch eine historische Notwendigkeit<br />
heraufgekommen ist, forterhalten hat.<br />
Und so schwankt das ganze Mittelalter hindurch das Erziehungswesen<br />
wie ein Schiff im Sturme dahin, das sich nicht recht halten kann;<br />
denn der Seele <strong>des</strong> Menschen kommt man am schwersten bei. Dem<br />
Körper kommt man bei; über den Geist kann man sich verständigen;<br />
die Seele aber sitzt so im Individuellen <strong>des</strong> Menschen, daß man ihr<br />
am schwersten beikommt.<br />
Das alles war aber eine Seelenangelegenheit. Ob der Mensch den<br />
innerlichen Seelen weg fand zu jenen Autoritäten hin, die ihm die Tradition<br />
bewahrten; ob die Pietät so heranwachsen konnte, daß das<br />
Wort, das der mittelalterliche Priesterlehrer verkündigte, um die Tradition<br />
bei der Menschheit zu befestigen, stark genug war; ob diese Pietät<br />
groß genug werden konnte: das alles war seelische Angelegenheit. Und<br />
die Erinnerung pflegen, das Gedächtnis pflegen, und bei dieser Pflege<br />
<strong>des</strong> Gedächtnisses nicht den Menschen vergewaltigen, so daß man ihm<br />
wie suggestiv gewisse Dinge einprägt, die man bei ihm haben will: dazu<br />
gehört seelischer Takt.<br />
Was da notwendig war, um der Seelenzivilisation <strong>des</strong> Mittelalters<br />
in der richtigen Weise beizukommen, das wurde ebenso oft beobachtet<br />
von taktvollen Menschen, wie es außer acht gelassen wurde von taktlosen<br />
Menschen. Und in diesem Schwanken zwischen demjenigen, was<br />
der menschlichen Seele gut bekam, und demjenigen, was die menschliche<br />
Seele im Tiefsten beleidigte, befand sich die Erziehung <strong>des</strong> Mittelalters.<br />
Vieles, vieles hat sich von dieser Erziehung <strong>des</strong> Mittelalters,<br />
ohne daß die Menschen es bemerken, bis in die Gegenwart hinein erhalten.<br />
Diese Erziehung <strong>des</strong> Mittelalters ist aber so geworden, weil zunächst<br />
die Seele nicht mehr das «Kind» bewahren wollte, weil sie selbst erzogen<br />
werden sollte. Und sie konnte nur erzogen werden nach den<br />
Zeitumständen durch Tradition und Gedächtnis. - Wenn der Mensch<br />
zwischen dem siebenten und vierzehnten Jahre ist, dann ist eine Art<br />
labiler Zustand in seinem Menschenwesen. Das Seelische wirkt im<br />
Menschen nicht in jener Festigkeit wie das Körperliche bis zum siebenten<br />
Jahre hin, und die Orientierung durch den Geist ist noch nicht da.<br />
Copyright Rudolf Steiner Nachlass-<strong>Verwaltung</strong> Buch: 3 07 Seite: 5 9