rudolf steiner gesamtausgabe vorträge - Freie Verwaltung des ...
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haben die wichtigsten Fragen der Menschenerkenntnis gar nicht im<br />
Auge. Sie verstehen den Menschen nicht und wollen den Menschen<br />
erziehen! Das ist die Tragik, die seit dem 16. Jahrhundert waltet. Und<br />
diese Tragik hat sich bis in unsere Gegenwart herein erhalten.<br />
In unserer Gegenwart fühlen und sehen die Menschen: es muß eine<br />
Metamorphose eintreten in bezug auf das Erziehungswesen. Es entstehen<br />
überall die Vereinigungen für Erziehungswesen, für Reformfragen<br />
im Erziehungswesen. Man fühlt, daß die Erziehung etwas<br />
braucht, aber man geht nicht an die fundamentale Frage: Wie harmonisiert<br />
man im Menschenwesen Denken und Wille? - Man sagt höchstens:<br />
Da ist zuviel Intellektualismus; da muß man weniger intellektuell<br />
erziehen; da muß man den Willen erziehen.<br />
Man muß den Willen für sich nicht erziehen. Alles Reden darüber:<br />
Was ist besser, Gedankenerziehung oder Willenserziehung? - all dieses<br />
Reden ist dilettantisch. Sachgemäß, das heißt, menschenwesengemäß<br />
ist allein die Frage: Wie bringen wir das sich im Kopfe emanzipierende<br />
Denken mit dem in den Gliedern sich emanzipierenden Willen in die<br />
richtige Harmonie? - Weder einseitig auf das Denken, noch einseitig<br />
auf den Willen, sondern allseitig auf den ganzen Menschen müssen<br />
wir hinblicken, wenn wir Erzieher werden wollen.<br />
Das können wir nicht mit den sich assoziierenden Ideen, an die wir<br />
gewöhnt sind, wenn wir heute von Geist reden; das können wir nur,<br />
wenn wir in der Weise, wie ich es angedeutet habe in meinem ersten<br />
Vortrage und gestern wiederum, von dem Denken, das in der heutigen<br />
Zeit herrscht, so ergriffen werden, als wäre es der Leichnam <strong>des</strong> lebendigen<br />
Denkens, und als müßten wir uns durch eine eigene Entwickelung<br />
hindurcharbeiten zum lebendigen Denken.<br />
In dieser Beziehung möchte ich nun eine erste fundamentale Sache<br />
für alle Reform <strong>des</strong> Erziehungswesens jetzt in diesem Augenblicke<br />
ungeniert hinstellen. Aber ich muß selbstverständlich um Entschuldigung<br />
bitten, wenn ich diese Wahrheit ungeniert hinstelle, weil sie, indem<br />
man sie ausspricht, fast ausschaut wie eine Beleidigung der gegenwärtigen<br />
Menschheit, und beleidigen mag man doch nicht gern.<br />
Es ist eine Eigentümlichkeit der gegenwärtigen Zivilisation, daß die<br />
Menschen wissen: es muß anders erzogen werden. Daher überall Re-<br />
Copyright Rudolf Steiner Nachlass-<strong>Verwaltung</strong> Buch: 307 Seite: 90