Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 14/4792 – 92 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode<br />
burgs, bei der Deutschen Lufthansa und im öffentlichen<br />
Dienst, im öffentlichen Dienst jedoch nicht auf<br />
„100 Prozent West“. Zu beachten ist bei der Regelung<br />
der Arbeitsbedingungen und speziell bei der Lohnfindung,<br />
dass in Ostdeutschland Tarifverträgen – im Vergleich<br />
zu Westdeutschland – eine deutlich geringere<br />
Bedeutung zukommt. Nach einer Untersuchung des Instituts<br />
für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bestand<br />
im Jahre 1999 für annähernd drei Viertel aller Unternehmen<br />
keinerlei Tarifbindung. In diesen Unternehmen<br />
waren 43 vH aller Beschäftigten tätig. Allerdings<br />
orientierten sich 29 vH der Unternehmen mit 22 vH der<br />
Beschäftigten an einem Branchentarifvertrag. Demzufolge<br />
bezahlten 45 vH der Betriebe 21 vH der Beschäftigten<br />
nicht nach einem Tarifvertrag; der Vergleichswert<br />
für Westdeutschland lag <strong>zur</strong> selben Zeit bei<br />
32 vH der Unternehmen mit 14 vH der Beschäftigten.<br />
143. Eine Neuerung ergab sich bei der Flexibilisierung<br />
der Tarifvertragsgestaltung. Der Tarifvertragsabschluss<br />
für die Chemische Industrie eröffnete den tarifkonkurrierenden<br />
Bereichen, die durch die seit den<br />
letzten Jahren verstärkt stattfindende Ausgliederung<br />
von Teilbereichen aus Unternehmen entstehen, neue<br />
Gestaltungsspielräume in Form von Entgelt-Öffnungsklauseln.<br />
Allerdings stehen diese unter dem Zustimmungsvorbehalt<br />
der Tarifvertragsparteien.<br />
Entgeltdifferenzierung innerhalb der<br />
Tarifstruktur<br />
144. Zur Differenzierung innerhalb der Vergütungsstruktur<br />
hat sich der Sachverständigenrat schon wiederholt<br />
geäußert. Nur wenig ist dagegen über die Besetzungsstärke<br />
einzelner tariflicher Entgeltgruppen im<br />
Zeitverlauf bekannt. Ein Grund dafür liegt in der<br />
Zögerlichkeit, mit der Unternehmen Daten hierzu<br />
veröffentlichen oder den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden<br />
<strong>zur</strong> Verfügung stellen. Der Sachverständigenrat<br />
kann in diesem Jahr erstmals Daten auswerten,<br />
die ihm in anonymisierter Form bereitgestellt<br />
wurden. Ein Vergleich mit der Differenzierung der Entgelte<br />
innerhalb der Tarifstruktur – bei aller Unterschiedlichkeit<br />
der Datenqualität und der analysierten<br />
Zeiträume – erlaubt vorsichtige Rückschlüsse auf die<br />
Wirkungen, die von Tarifvergütungsstrukturen ausgehen.<br />
Dies ist von einschneidender empirischer Relevanz,<br />
denn zumindest in Westdeutschland bestimmen<br />
die tarifvertraglichen Regelungen nach wie vor zu<br />
großen Teilen die effektive Entgeltstruktur der Beschäftigten.<br />
Im Folgenden werden die vorliegenden<br />
Angaben <strong>zur</strong> Besetzungsstärke einzelner tariflicher<br />
Entgeltgruppen und <strong>zur</strong> Tarifentgeltstruktur in<br />
Deutschland in drei Wirtschaftsbereichen dargestellt:<br />
im Versicherungsgewerbe, in der Chemischen Industrie<br />
und in zwei westdeutschen Tarifbezirken der Metall-<br />
und Elektroindustrie. Im Mittelpunkt des Interesses<br />
stehen die unteren Entgeltgruppen. In diesem<br />
Bereich könnten noch am ehesten Arbeitsplätze für Geringqualifizierte<br />
entstehen beziehungsweise erhalten<br />
bleiben. Dies würde erheblich <strong>zur</strong> Linderung der gegenwärtigen<br />
Beschäftigungskrise beitragen, ist doch<br />
diese Personengruppe von der nach wie vor hohen Arbeitslosigkeit<br />
am stärksten betroffen (JG 99 Kasten 5).<br />
Versicherungswirtschaft<br />
145. Die Entgelte im Privaten Versicherungsgewerbe<br />
werden bundesweit einheitlich vereinbart. Unterschiedliche<br />
Regelungen existieren für die Beschäftigten<br />
im Innendienst und im Werbeaußendienst. Im Folgenden<br />
wird die Betrachtung auf den Innendienst<br />
beschränkt. Die vorliegenden Daten für das letzte verfügbare<br />
Jahr – 1998 – unterscheiden nicht zwischen<br />
Westdeutschland und Ostdeutschland. Dies schränkt<br />
die Vergleichbarkeit mit den Daten zu den Jahren davor<br />
kaum ein, da sich die Innendienstbeschäftigung in der<br />
Versicherungswirtschaft zu einem sehr hohen Anteil<br />
auf das frühere Bundesgebiet konzentriert. Unter den<br />
Tarifvertrag fallen 143 000 Beschäftigte. In den untersten<br />
beiden Tarifgruppen setzen die Stellenbeschreibungen<br />
in der Regel keine abgeschlossene Berufsausbildung<br />
voraus.<br />
Das Tarifentgeltgefüge im Versicherungsgewerbe hat<br />
sich im Beobachtungszeitraum kaum verändert (Tabelle<br />
29). Seit dem Jahre 1980 stiegen die Vergütungen<br />
der unteren Lohngruppen prozentual in etwa demselben<br />
Ausmaß an wie diejenigen für die Beschäftigten im<br />
oberen Teil des Spektrums. Allerdings wurde dies insbesondere<br />
durch das Hinzufügen einer Gehaltstarifgruppe<br />
8 zusätzlich zu den zuvor vorhandenen sieben<br />
Gehaltstarifgruppen erreicht. Die Tarifanhebungen in<br />
den Gruppen 3 bis 7 blieben im Zeitablauf zum Teil<br />
deutlich hinter derjenigen der Tarifgruppe 2 <strong>zur</strong>ück.<br />
Die Entwicklung der Beschäftigtenstruktur im Zeitablauf<br />
zeigt einen eindeutigen Trend zu den Höherqualifizierten:<br />
Hatten die beiden untersten Tarifgruppen im<br />
Jahre 1980 noch 5,8 vH aller Beschäftigten auf sich<br />
vereinigt, so waren es im Jahre 1998 lediglich noch 2,8<br />
vH.<br />
Chemische Industrie Westdeutschlands<br />
146. Für die Chemische Industrie besteht seit dem<br />
Jahre 1988 ein bundeseinheitlicher Entgelttarifvertrag.<br />
Dieser fasst die zuvor getrennt geführten Angestellten<br />
und gewerblichen Arbeitnehmer zu einem einheitlichen<br />
Regelungsbereich zusammen. In Westdeutschland<br />
existieren zwölf Tarifgebiete, die mit Ausnahme<br />
Nordrheins und Westfalens in ihren Abgrenzungen den<br />
Bundesländern entsprechen. Beschäftigt sind im früheren<br />
Bundesgebiet derzeit gut 580 000 Arbeitnehmer;<br />
davon sind etwa 500 000 dem Tarifvertrag unterworfen.<br />
Es existieren mit E1 bis E13 dreizehn Entgeltgruppen.<br />
Die Gruppen E1 bis E3 setzen keine abgeschlossene<br />
Ausbildung voraus.<br />
Wenn von Einmal- und Sonderzahlungen abgesehen<br />
wird, stiegen die Tarifvergütungen in sämtlichen Entgeltgruppen<br />
seit dem Jahre 1988 um gut 41 vH an. Aufgrund<br />
dieser homogenen Tarifpolitik hat sich das Entgeltverhältnis<br />
zwischen den einzelnen Gruppen nicht<br />
verschoben: In der Chemischen Industrie Westdeutsch-