Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 14/4792 – 48 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode<br />
2. Die monetäre Lage im Euro-Raum<br />
Preisauftrieb im Euro-Raum<br />
77. Der im EG-Vertrag festgelegte Auftrag an die Europäische<br />
Zentralbank, die Preisniveaustabilität im<br />
Euro-Raum zu sichern, wurde, gemessen an der von<br />
der Europäischen Zentralbank selbst gesetzten Zielvorgabe,<br />
im zweiten Jahr der Währungsunion knapp<br />
verfehlt. Der EZB-Rat hatte im Oktober 1998 die Stabilität<br />
des Preisniveaus als vereinbar mit einer Steigerungsrate<br />
des Harmonisierten Verbraucherpreisindex<br />
(HVPI) von mittelfristig unter 2 vH pro Jahr definiert.<br />
Dieser Wert wurde im Laufe dieses Jahres mit einer<br />
durchschnittlichen Veränderungsrate gegenüber dem<br />
Vorjahr von voraussichtlich 2,4 vH übertroffen.<br />
78. Der beschleunigte Anstieg des Preisniveaus im<br />
Euro-Raum in diesem Jahr war einerseits wesentlich<br />
auf die unerwartet starke Verteuerung von Rohöl und<br />
anderen Rohstoffen <strong>zur</strong>ückzuführen. Andererseits trug<br />
die anhaltende Abwertung des Euro zu einem allgemeinen<br />
Anstieg der Preise für Importe bei. Dies schlug<br />
sich auch in der Entwicklung der Einfuhrpreise für<br />
Rohstoffe (ohne Energie) und für gewerbliche Erzeugnisse<br />
nieder. Ein Ende des Preisauftriebs auf den Weltrohölmärkten<br />
zeichnete sich im Jahresverlauf trotz kurzzeitig<br />
rückläufiger Preise nicht ab. Als Folge dieser<br />
Entwicklung und der anhaltenden Abwertung des Euro<br />
setzte sich in den ersten drei Quartalen der starke<br />
Preisauftrieb bei den Vorleistungsgütern mit durchschnittlich<br />
11,1 vH fort, was zu einem Anstieg der Erzeugerpreise<br />
im Euro-Raum von 5,0 vH gegenüber<br />
dem gleichen Vorjahreszeitraum führte. Die Preise für<br />
Industrieerzeugnisse ohne Energie stiegen trotz leicht<br />
erhöhter Lohnstückkosten mit 0,6 vH in den ersten acht<br />
Monaten moderat, ebenso die Preise für Nahrungsmittel,<br />
die mit 1 vH etwas deutlicher zunahmen. Unter<br />
Einbeziehung der Energiepreise verteuerten sich die<br />
Waren im Euro-Raum aber insgesamt um durchschnittlich<br />
2,5 vH in den ersten neun Monaten des Jahres.<br />
Für Dienstleistungen mussten im Durchschnitt nur<br />
1,7 vH mehr bezahlt werden.<br />
79. Die als Hilfsgröße für die Außenhandelspreisentwicklung<br />
dienenden Durchschnittswerte für die Einfuhr<br />
und Ausfuhr des Euro-Gebiets zeigten im ersten<br />
Halbjahr dieses Jahres eine durchschnittliche Veränderungsrate<br />
gegenüber dem Vorjahr von 21,2 vH<br />
beziehungsweise 6,9 vH. Der Anstieg auch der Ausfuhrwerte<br />
deutete darauf hin, dass die Exporteure zugunsten<br />
höherer Gewinnmargen mögliche Preissenkungen<br />
in ausländischer Währung nicht voll an ihre<br />
Kunden weitergaben oder aber dass sie Preissteigerungen<br />
bei importierten Vorleistungsgütern direkt überwälzten.<br />
In den einzelnen Ländern des Euro-Raums stellte sich<br />
die Preisniveauentwicklung, gemessen am Harmonisierten<br />
Verbraucherpreisindex, wie folgt dar: Hatten für<br />
die Mehrzahl der Mitgliedsländer im Durchschnitt<br />
des Jahres 1999 Preisniveausteigerungen noch unter<br />
1,5 vH gelegen, so blieb im laufenden Jahr lediglich<br />
Frankreich noch knapp unter 2,0 vH. In der Gruppe der<br />
großen Volkswirtschaften des Euro-Raums verzeichneten<br />
Spanien mit 3,5 vH und Italien mit 2,7 vH erneut<br />
den kräftigsten Preisauftrieb, bei den kleineren Volkswirtschaften<br />
war der deutlichste Geldwertschwund in<br />
Irland (5,2 vH) und in Finnland (2,8 vH) zu beobachten<br />
(Tabelle 12, Seiten 38 f.). Konnten diese Differenzen<br />
im letzten Jahr mit Unterschieden im Konjunkturverlauf<br />
und in der Preisentwicklung nicht-handelbarer<br />
Güter erklärt werden, so wurde dies im laufenden Jahr<br />
weitgehend durch den starken Anstieg der Einfuhrpreise<br />
überlagert.<br />
Kräftige Abwertung des Euro<br />
80. Auch im zweiten Jahr der Europäischen Währungsunion<br />
fiel der Außenwert des Euro gegenüber<br />
dem US-Dollar weiter, seit Anfang des Jahres nominal<br />
um 14 vH. Am 26. Oktober <strong>2000</strong> verzeichnete die gemeinsame<br />
Währung ihren bisherigen offiziellen Tiefstwert<br />
– 82,3 US-Cents pro Euro. Zuvor, im September,<br />
hatte die Europäische Zentralbank gemeinsam mit den<br />
Notenbanken aus Nordamerika, Japan und dem Vereinigten<br />
Königreich mittels einer Devisenmarktintervention<br />
versucht, den Kurs des Euro zu stabilisieren; dies<br />
ist aber nur kurzfristig gelungen. Anfang November<br />
<strong>2000</strong> intervenierte die Europäische Zentralbank erneut<br />
zugunsten des Euro, dieses Mal alleine. Wiederholt<br />
hatte die Notenbank hervorgehoben, sie halte den Euro,<br />
gemessen an den fundamentalen Daten der Volkswirtschaften<br />
im Euro-Raum, für unterbewertet; verschiedene<br />
Studien bestätigen dies (Exkurs: Gleichgewichtige<br />
Wechselkurse, Ziffern 350 ff.). Im Oktober <strong>2000</strong><br />
lag der nominale effektive Wechselkurs des Euro etwa<br />
19 vH unter dem Einführungskurs vom Januar 1999<br />
(Schaubild 6).<br />
Starke monetäre Expansion<br />
81. Der Referenzwert für die Wachstumsrate der<br />
Geldmenge M3 im Jahre <strong>2000</strong> wurde vom EZB-Rat im<br />
Dezember 1999 erneut auf 4½ vH festgelegt (erste<br />
Säule der geldpolitischen Strategie). Wie im Vorjahr<br />
wurde dabei ein Trendwachstum des Bruttoinlandsprodukts<br />
in der Größenordnung von 2 vH bis 2½ vH und<br />
ein trendmäßiger Rückgang der Umlaufsgeschwindigkeit<br />
von M3 zwischen ½ vH und 1 vH zugrunde gelegt,<br />
außerdem eine unter 2 vH liegende Preissteigerungsrate<br />
(Schaubild 7, Seite 50). Wiederum betonte der<br />
EZB-Rat, dass der Geldmenge auf Grund des monetären<br />
Ursprungs von Inflation auf mittlere Sicht wei-