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Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 14/4792 – 208 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode<br />

gaben, für Steuersenkungen oder für Kredittilgungen<br />

verwendet werden. Für welche Alternative man sich<br />

entscheidet, muss letzten Endes politisch entschieden<br />

werden. Für alle drei Varianten lassen sich Argumente<br />

finden:<br />

– Da die Konsolidierung des Bundeshaushalts in diesem<br />

Jahr nicht im erwünschten Maße vorangekommen<br />

ist, die Zinsbelastung des Haushalts nach wie<br />

vor hoch liegt und bereits weitere Belastungen abzusehen<br />

sind, spricht vieles dafür, auch die Zinseinsparungen<br />

für die Schuldentilgung einzusetzen.<br />

Damit können zusätzliche finanzpolitische Handlungsmöglichkeiten<br />

für die Zukunft erschlossen<br />

werden.<br />

– Die Bundesregierung beabsichtigt, die Zinseinsparungen<br />

in vollem Umfang für andere Ausgaben<br />

zu nutzen. In den nächsten drei Jahren sollen jeweils<br />

5 Mrd DM zusätzlich vor allem in den Bereichen<br />

Bildung, Forschung und Infrastruktur eingesetzt<br />

werden. Soweit es sich dabei um Ausgaben<br />

handelt, die die in unserer Volkswirtschaft anstehenden<br />

strukturellen Veränderungen auf den Weg<br />

bringen, kann man dies grundsätzlich befürworten.<br />

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Verwendung<br />

für zusätzliche Ausgaben den Druck verringert,<br />

die bisher weitgehend quantitative Konsolidierung<br />

endlich um eine qualitative Konsolidierung<br />

zu ergänzen.<br />

– Für Steuersenkungen spricht, dass auch nach der<br />

Steuerreform die Grenzsteuersätze der Einkommensteuer<br />

in Deutschland zunächst hoch bleiben,<br />

zumal die Entlastungen erst im Jahre 2005 in<br />

vollem Umfang einsetzen. Wir könnten uns deshalb<br />

vorstellen, dass die Zinseinsparungen für ein zeitliches<br />

Vorziehen der Steuersenkungen genutzt werden,<br />

die mit der Steuerreform bereits beschlossen<br />

sind. Ebenso würde eine Senkung des Solidaritätszuschlags<br />

nahe liegen, zumal dieser als vorübergehend<br />

erhobene Abgabe konzipiert wurde.<br />

Reform des Finanzausgleichs<br />

390. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil<br />

vom 11. November 1999 entschieden, dass das geltende<br />

Finanzausgleichsgesetz (FAG) von 1993 (zuletzt<br />

geändert durch Gesetz vom 16. Juni 1998) nur noch bis<br />

Ende des Jahres 2004 als Übergangsrecht anwendbar<br />

ist, wenn der Gesetzgeber spätestens bis zum 31. Dezember<br />

2002 allgemeine Maßstäbe festlegt, welche die<br />

unbestimmten Begriffe im Steuerverteilungs- und Ausgleichssystem<br />

des Grundgesetzes konkretisieren und<br />

ergänzen (Maßstäbegesetz). Soweit dieses Maßstäbegesetz<br />

nicht bis zum 1. Januar 2003 in Kraft getreten<br />

ist, wird das FAG mit diesem Tag verfassungswidrig<br />

und nichtig. Auf der Grundlage des Maßstäbegesetzes<br />

muss der Gesetzgeber das FAG bis zum 31. Dezember<br />

2004 neu regeln. Andernfalls würde das FAG am 1. Januar<br />

2005 verfassungswidrig und nichtig werden.<br />

Das Bundesverfassungsgericht verweist mit seinem Urteil<br />

die Regelungen des FAG also dahin, wohin sie auch<br />

gehören: an den Gesetzgeber. Er wird – folgt er den Auflagen<br />

des Gerichtes – in dem geforderten Maßstäbegesetz<br />

Kriterien festlegen, mit „denen der Gesetzgeber<br />

sich selbst und der Öffentlichkeit Rechenschaft gibt, die<br />

rechtsstaatliche Transparenz der Mittelverteilung sichert<br />

und die haushaltswirtschaftliche Planbarkeit und<br />

Vorhersehbarkeit der finanzwirtschaftlichen Autonomiegrundlagen<br />

für den Bund und jedes Land gewährleistet“<br />

(RZ 285). Dabei soll auf Ergebnisse der finanzwissenschaftlichen<br />

Forschung <strong>zur</strong>ückgegriffen werden.<br />

391. Ob man wirklich die vom Urteil geforderte Reihenfolge<br />

einhalten kann, zunächst ein Maßstäbegesetz<br />

und dann ein Finanzausgleichsgesetz zu verabschieden,<br />

wird sich zeigen. Mit jeder Festlegung im Maßstäbegesetz<br />

wird auch – zumindest implizit – über das<br />

finanzielle Ergebnis eines Finanzausgleichsgesetzes<br />

entschieden. Die Forderung des Bundesverfassungsgerichtes,<br />

die Maßstabbildung abzuschließen, noch bevor<br />

die späteren finanziellen Wirkungen konkret bekannt<br />

werden, wird sich in der Praxis kaum durchsetzen lassen;<br />

denn im politischen Prozess wird nach aller Erfahrung<br />

über Einzelmaßnahmen erst entschieden,<br />

wenn die finanziellen Konsequenzen des Gesamtsystems<br />

bekannt sind. Deshalb wird man sich auf beides<br />

– Maßstäbegesetz und Finanzausgleichsgesetz –<br />

nur in einem simultanen Vorgehen einigen können.<br />

Hinzu kommt, dass zum 31. Dezember 2004 die<br />

Sonderregelungen für die neuen Bundesländer (Solidarpakt<br />

I) auslaufen. Die Anschlussregelung (Solidarpakt<br />

II), die insbesondere die Sonderbedarfs-<br />

Bundesergänzungszuweisungen betreffen wird, sollte<br />

ebenfalls in die Reformdebatte einbezogen werden.<br />

392. Seit Jahren plädiert der Sachverständigenrat<br />

dafür, eine grundsätzliche Reform der Finanzverfassung<br />

anzustreben, bei der die ökonomischen Grundprinzipien<br />

eines föderativen Systems (Autonomie, fiskalische<br />

Äquivalenz, Konnexität) wieder hergestellt<br />

und die Kompetenzen für finanzpolitische Entscheidungen<br />

im Sinne eines mehr wettbewerblich organisierten<br />

Föderalismus den einzelnen Gebietskörperschaften<br />

eindeutig zugewiesen werden. In diesem<br />

Zusammenhang müssten Fragen der Aufgabenkompetenz,<br />

der Ausgabenverteilung und der Steuerverteilung<br />

geklärt werden. Käme es zu einer solchen Reform,<br />

dann würden sich die Probleme, die das Bundesverfassungsgericht<br />

in seinem Urteil angesprochen hat, nämlich<br />

insbesondere die Fragen der vertikalen Verteilung<br />

der Umsatzsteuer, des Länderfinanzausgleichs und der<br />

Bundesergänzungszuweisungen, mit anderer Relevanz<br />

stellen, als es im heutigen System der Fall ist.<br />

393. Die bisher bekannt gewordenen Vorstellungen<br />

des Bundes und der Länder <strong>zur</strong> Reform des Finanzausgleichs<br />

lassen vermuten, dass letztlich doch keine<br />

grundlegenden Reformschritte getan werden. Es werden<br />

wahrscheinlich – wie schon bei der Einbeziehung<br />

der neuen Bundesländer in die Finanzverfassung im

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