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Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 14/4792 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode<br />

Ausfuhr dorthin. Nachdem im Vorjahr die wirtschaftliche<br />

Aktivität stagnierte, erholte sich die inländische<br />

Nachfrage im Jahresverlauf, bei solider Auslandsnachfrage,<br />

leicht, und auch die Umstrukturierungen<br />

im Unternehmenssektor und im Bankensektor verzeichneten<br />

Fortschritte. Ob die beharrliche gesamtwirtschaftliche<br />

Unterauslastung des Produktionspotentials<br />

jedoch damit endgültig der Vergangenheit<br />

angehört, ist fraglich und hängt neben einer konsequenten<br />

Fortführung der Strukturreformen auch davon<br />

ab, inwieweit die Geldpolitik den Realzins in Einklang<br />

mit seinem möglicherweise weiterhin negativen<br />

Gleichgewichtswert zu bringen vermag. Dessen ungeachtet<br />

hob die japanische Notenbank mit der Begründung,<br />

die deflatorischen Tendenzen seien nun überwunden,<br />

die Leitzinsen an. Für das Jahr <strong>2000</strong> rechnen<br />

wir mit einer Zunahme der gesamtwirtschaftlichen<br />

Produktion um 1,4 vH.<br />

4. In Deutschland hat die Finanzpolitik im Jahre <strong>2000</strong><br />

durch ihre Konsolidierungsanstrengungen und weitreichende<br />

Steuersenkungen einen deutlichen Beitrag<br />

<strong>zur</strong> Stabilisierung der Erwartungen geleistet. Die öffentlichen<br />

Haushalte entwickelten sich positiv. Der<br />

im letzten Jahr eingeschlagene Konsolidierungskurs<br />

wurde fortgeführt. In diesem Jahr ergab sich erstmals<br />

ein Haushaltsüberschuss in Höhe von 1,4 vH in Relation<br />

zum Bruttoinlandsprodukt. Dieses beachtliche<br />

Ergebnis spiegelt aber weniger Konsolidierungserfolge<br />

als einmalig anfallende Sondereinnahmen wider.<br />

Werden die in diesem Jahr voll saldenwirksamen<br />

Einnahmen aus der Versteigerung der UMTS-Mobilfunklizenzen<br />

herausgerechnet, ergibt sich ein im Vergleich<br />

zum Vorjahr gesunkenes Haushaltsdefizit. Gerade<br />

vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung<br />

und den Auswirkungen des Steuersenkungsgesetzes ist<br />

eine strikte Ausgabendisziplin geboten. Dies gilt umso<br />

mehr, als die wirtschaftliche Lage in Deutschland und<br />

damit die Entwicklung des Steueraufkommens derzeit<br />

außergewöhnlich günstig sind. Eine solche Situation<br />

sollte zu einer verstärkten Konsolidierung genutzt werden.<br />

Der Anstieg der Staatsausgaben sollte auch in den<br />

nächsten Jahren hinter dem des Bruttoinlandsprodukts<br />

<strong>zur</strong>ückbleiben. Dies schließt beispielsweise auch ein,<br />

konjunkturbedingte Mehreinnahmen nicht für zusätzliche<br />

Ausgabensteigerungen zu verwenden.<br />

Mit der Verabschiedung der Steuerreform ist Raum für<br />

die Entfaltung von Wachstumskräften geschaffen und<br />

das Zukunftsvertrauen der wirtschaftlichen Akteure gefestigt<br />

worden. Die künftig deutlich niedrigeren Steuersätze<br />

der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer<br />

stärken die Leistungsanreize. Die erheblichen Nettoentlastungen<br />

erhöhen das verfügbare Einkommen der privaten<br />

Haushalte und insoweit die Konsummöglichkeiten.<br />

Aufgrund der Gegenfinanzierung durch die<br />

Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen und<br />

vorangegangener Steuerrechtsänderungen seit Beginn<br />

der Legislaturperiode wird per Saldo und nach Steuern<br />

die Attraktivität einer Sachinvestition verglichen mit einer<br />

Finanzmarktanlage nicht verbessert.<br />

Vielfältigem Druck nachgebend beschloss die Bundesregierung<br />

im Herbst, auf die gestiegenen Endverbraucherpreise<br />

für Mineralölerzeugnisse zu reagieren und<br />

die Kilometerpauschale durch eine verkehrsmittelunabhängige<br />

Entfernungspauschale in Höhe von 80 Pfennig<br />

je Entfernungskilometer zu ersetzen sowie einen<br />

Heizkostenzuschuss für Bezieher niedriger Einkommen<br />

einzuführen. Obwohl die Entfernungspauschale<br />

konzeptionell in dem Sinne mit der Ökosteuer kompatibel<br />

ist, dass sie nicht zwischen Verkehrsmitteln<br />

diskriminiert, ist der Beschluss dauerhafter Steuerrechtsänderungen<br />

aufgrund vorübergehend veränderter<br />

Rahmenbedingungen, hier der Ölpreise, grundsätzlich<br />

bedenklich. Davon unabhängig ist die Tatsache, dass die<br />

der Ökosteuer zugrunde liegenden ökologischen Zielvorstellungen<br />

durch eine andere Konzeption weitaus<br />

besser erreicht werden könnten.<br />

5. Eine solide Haushaltspolitik, sinkende Steuerbelastungen,<br />

ein vorteilhaftes konjunkturelles Umfeld und die<br />

demographische Entwicklung bieten zwar günstige<br />

Rahmenbedingungen <strong>zur</strong> Entlastung des Arbeitsmarkts,<br />

ein nachhaltiger Abbau der Arbeitslosigkeit setzt aber<br />

auch eine beschäftigungsorientierte Lohnpolitik und<br />

Strukturreformen des Arbeitsmarkts voraus. Die Lohnpolitik<br />

kehrte im Jahre <strong>2000</strong> auf den im Vorjahr verlassenen<br />

moderaten Kurs <strong>zur</strong>ück und schuf durch die überwiegend<br />

zweijährige Laufzeit der Tarifabschlüsse<br />

mittelfristig verlässliche Rahmenbedingungen. Die Tarifverdienste<br />

je Arbeitsstunde sind mit 2,2 vH schwächer<br />

angestiegen als die Stundenproduktivität, die um 3,0 vH<br />

zunahm. Die Lohnstückkosten sanken.<br />

Der zunehmende konjunkturelle Schwung hat, unterstützt<br />

durch die demographisch bedingte Entlastung, in<br />

diesem Jahr die Lage auf dem Arbeitsmarkt geprägt: Im<br />

Jahre <strong>2000</strong> belebte sich die Erwerbstätigkeit spürbar;<br />

im Vergleich der Jahresdurchschnitte ergibt sich eine<br />

Zunahme um 598 000 Personen, die jedoch zu einem<br />

Großteil auf die bessere statistische Erfassung der geringfügig<br />

Beschäftigten <strong>zur</strong>ückgeführt werden kann.<br />

Die Arbeitslosenquote sank auf 9,6 vH und setzte damit<br />

ihre im Jahre 1998 begonnene Abwärtsbewegung<br />

fort. So erfreulich diese Entwicklung ist, Anlass zu<br />

Selbstzufriedenheit gibt sie nicht – im Gegenteil: Die<br />

Situation auf dem Arbeitsmarkt ist weiterhin kritisch.<br />

Überdies werden 1,8 Millionen Personen von der Statistik<br />

deshalb nicht als Arbeitslose erfasst, weil sie<br />

beispielsweise in Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik<br />

beschäftigt werden oder in den arbeitsmarktbedingten<br />

Vorruhestand getreten sind. Diese verdeckte<br />

Arbeitslosigkeit ist zwar rückläufig, allerdings<br />

immer noch als zu hoch einzuschätzen. Betrachtet man<br />

die Summe aus verdeckter und offener Arbeitslosigkeit,<br />

betrug die Arbeitslosenquote 13,2 vH. Alles in allem<br />

ist der Beschäftigungsaufbau im Gefolge des derzeitigen<br />

Konjunkturzyklus enttäuschend. Verglichen<br />

mit der Entwicklung während der vorangegangenen<br />

Aufschwungsphasen in den Siebziger-, Achtziger- und<br />

Neunzigerjahren nimmt die Beschäftigung nur mit<br />

großer Verzögerung zu.

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