Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/4792<br />
Aber auch andere Merkmale der derzeitigen Situation<br />
auf dem Arbeitsmarkt werfen lange Schatten: Der Beschäftigungsaufbau<br />
ist ausschließlich auf die alten<br />
Bundesländer beschränkt; die Beschäftigung in den<br />
neuen Bundesländern nahm, im Sog der Bereinigungskrise<br />
des Baugewerbes und im Gefolge des Personalabbaus<br />
im öffentlichen Dienst, sogar noch weiter<br />
ab. Die Arbeitslosenquote verharrte in Ostdeutschland<br />
bei 17,4 vH. Erstaunlicherweise kam es in Deutschland<br />
insgesamt trotz der zahlreichen Arbeitsuchenden<br />
in einigen Segmenten des Arbeitsmarkts zu Engpässen,<br />
die gerade in den dynamischen Wirtschaftsbereichen<br />
der Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
hemmend wirkten. Wenngleich anfänglich in<br />
seinem Ausmaß weit überschätzt, wirft dieser qualifikatorische<br />
Mismatch ein Schlaglicht auf die Defizite<br />
der beruflichen und universitären Ausbildungslandschaft<br />
in Deutschland.<br />
Die konjunkturell bedingte Entlastung des Arbeitsmarkts<br />
wird sich auch im nächsten Jahr fortsetzen, vorausgesetzt,<br />
die übrigen Rahmenbedingungen stimmen.<br />
Nun gilt es, die günstige Ausgangslage zu nutzen,<br />
um das typische Muster der Sockelarbeitslosigkeit zu<br />
durchbrechen, die im Konjunkturaufschwung nur um<br />
einen geringen Teil dessen abgebaut wird, um den sie<br />
in der Abschwungsphase ansteigt. Dies ist umso wichtiger,<br />
als der durch die neuen Technologien und die<br />
zum Teil damit verbundene zunehmende Globalisierung<br />
der Märkte angestoßene Strukturwandel wachsende<br />
Anforderungen an die Flexibilität der Arbeitsmärkte,<br />
der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber stellt.<br />
Vor diesem Hintergrund müssen auch das tarifpolitische<br />
Gefüge und die institutionellen Rahmenbedingungen<br />
des Arbeitsmarkts neu überdacht werden.<br />
6. Die stabilitätsorientierte Geldpolitik der Europäischen<br />
Zentralbank stellte auch im zweiten Jahr der Europäischen<br />
Währungsunion ein wichtiges Element verlässlicher<br />
makroökonomischer Rahmenbedingungen<br />
dar. Die Geldpolitik war trotz der sechs Leitzinsanhebungen<br />
in diesem Jahr um insgesamt 175 Basispunkte<br />
neutral. Gravierende inflationäre Verspannungen bestanden<br />
nicht, jedoch übertraf die Steigerungsrate des<br />
Harmonisierten Verbraucherpreisindex die vom EZB-<br />
Rat als noch mit Preisniveaustabilität vereinbar angesehene<br />
Obergrenze von 2 vH. Diese Preisentwicklung<br />
war im Wesentlichen das Resultat drastisch gestiegener<br />
Rohölpreise und eines schwachen Euro. Die energiepreisbereinigte<br />
Inflationsrate nahm deutlich verhaltener<br />
zu. Gleichwohl bergen die hohen Ölnotierungen<br />
Risiken für das zukünftige Preisklima, falls sie zusätzliche<br />
Lohnsteigerungen und Preissteigerungen induzieren<br />
(Zweitrundeneffekte). Während die Erstrundeneffekte<br />
geldpolitisch relativ unbedenklich sind, ist es<br />
Aufgabe der Geldpolitik, den Preisrisiken, die von<br />
möglichen Zweitrundeneffekten ausgehen, frühzeitig<br />
entgegenzutreten.<br />
Den weiterhin bestehenden Unsicherheiten bezüglich<br />
der geldpolitischen Transmissionsmechanismen im<br />
Euro-Raum trug die Europäische Zentralbank durch die<br />
Beibehaltung ihrer Zwei-Säulen-Strategie Rechnung.<br />
Auch im Jahre <strong>2000</strong> überschritt die Geldmengenexpansion<br />
den Referenzwert von 4,5 vH um durchschnittlich<br />
mehr als einen Prozentpunkt. Von herausragender Bedeutung<br />
für die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik ist,<br />
dass es der Europäischen Zentralbank gelingt, wie schon<br />
der Deutschen Bundesbank zuvor, Abweichungen vom<br />
Referenzwert der Geldmengenentwicklung überzeugend<br />
zu erklären. Überhaupt stellt die Zwei-Säulen-Strategie<br />
aufgrund der ihr inhärenten Intransparenz und dem<br />
damit verbundenen größeren diskretionären Spielraum<br />
verstärkte Anforderungen an die Kommunikationsstrategie<br />
der Europäischen Zentralbank.<br />
Der durch die Geldpolitik verursachte Zinsanstieg am<br />
kurzen Ende des Marktes spiegelte sich nicht in höheren<br />
Kapitalmarktzinsen wider. Dies mag als ein Indiz<br />
für geringe Inflationserwartungen verstanden werden,<br />
die sich im Übrigen auch aus anderen Indikatoren, wie<br />
den Kursen inflationsindizierter Staatsschuldtitel, ableiten<br />
lassen. Die Finanzierungsbedingungen für längerfristige<br />
Investitionen sind günstig, zumal der Kapitalmarkt<br />
im Zuge der Haushaltskonsolidierung im<br />
Euro-Raum bei sinkenden Schuldenstandsquoten von<br />
öffentlicher Seite entlastet wurde.<br />
An den internationalen Devisenmärkten setzte im Jahre<br />
<strong>2000</strong> die europäische Einheitswährung ihre Abwärtsbewegung<br />
fort und notierte gegenüber dem US-Dollar<br />
und dem japanischen Yen auf historischen Tiefständen.<br />
Im Jahresvergleich verlor der handelsgewichtete reale<br />
Außenwert des Euro rund 10 vH. Der fortlaufende<br />
Außenwertverlust trotz verbesserter Fundamentaldaten<br />
– zum einen Fortschritte bei Strukturreformen in<br />
den wichtigsten Volkswirtschaften des Euro-Raums,<br />
zum anderen eine konjunkturelle Entwicklung, die in<br />
Europa ab dem nächsten Jahr voraussichtlich ähnlich<br />
dynamisch sein wird wie in den Vereinigten Staaten –<br />
unterstreicht die Bedeutung psychologischer Faktoren.<br />
Auf keinen Fall sollte diese Entwicklung zum Anlass<br />
genommen werden, die in der Vergangenheit gescheiterten<br />
Modelle der Wechselkurszielzonen wiederzubeleben.<br />
Auch sterilisierte Devisenmarktinterventionen,<br />
also solche, die keinen Einfluss auf die Geldmenge haben,<br />
zeigen meist nur kurzfristige Wirkung auf den<br />
Wechselkurs, selbst wenn sie in einer konzertierten Aktion<br />
der amerikanischen, japanischen und europäischen<br />
Zentralbanken durchgeführt werden.<br />
Die voraussichtliche Entwicklung im Jahre 20<strong>01</strong><br />
7. Der derzeitige konjunkturelle Aufschwung in<br />
Deutschland wird sich auch im Jahre 20<strong>01</strong> fortsetzen.<br />
Die außenwirtschaftlichen und binnenwirtschaftlichen<br />
Aussichten stimmen weiterhin optimistisch. Die Binnennachfrage<br />
wird, getragen von einer lebhaften Inves-