Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 163 – Drucksache 14/4792<br />
Die Unterschiede in den Leistungsbilanzsalden der Industrieländer<br />
haben sich trotz des stärkeren konjunkturellen<br />
Gleichlaufs kaum verringert, vor allem weil der<br />
Überschuss der erdölexportierenden Länder drastisch<br />
stieg. Die höhere Ölrechnung ist vor allem für ölimportierende<br />
Schwellenländer eine erhebliche Belastung,<br />
was deren Importkapazität in Bezug auf andere<br />
Güter schwächt.<br />
279. Die Geldpolitik in den Industrieländern war stabilitätsorientiert.<br />
Angesichts höherer Preisrisiken im<br />
Zusammenhang mit zunehmend ausgelasteten Kapazitäten<br />
und der Verteuerung von Rohöl, haben die Notenbanken<br />
ihren expansiven Kurs schrittweise <strong>zur</strong>ückgenommen.<br />
In den Vereinigten Staaten sind die<br />
Leitzinsen seit Juni 1999 um 175 Basispunkte erhöht<br />
worden, im Euro-Raum hob die Europäische Zentralbank<br />
ab April 1999 den Hauptrefinanzierungszins um<br />
225 Basispunkte an.<br />
Unter dem Eindruck der Ölpreissteigerungen und der<br />
Zinserhöhungen im Sommerhalbjahr dieses Jahres verschlechterten<br />
sich die konjunkturellen Einschätzungen<br />
und Erwartungen der Unternehmen und Haushalte. Es<br />
wäre jedoch verfehlt, aus diesem Stimmungsumschwung<br />
eine entsprechende Verschlechterung der<br />
Konjunkturaussichten abzuleiten. Nach unserer Einschätzung<br />
werden der Ölpreisschub und die geldpolitischen<br />
Maßnahmen die Konjunktur im Jahre 20<strong>01</strong> nicht<br />
nachhaltig dämpfen.<br />
280. Die unserer Prognose zugrunde liegenden Einschätzungen<br />
werden im Folgenden erläutert.<br />
Der Ölpreis wird nach unserer Einschätzung zunächst<br />
auf dem erreichten Niveau verharren. Zum Einen wird<br />
die Nachfrage nach Mineralölprodukten wegen der<br />
Fortsetzung der wirtschaftlichen Expansion der Weltwirtschaft<br />
und der stark gesunkenen Lagerbestände<br />
weiter steigen. Das Angebot dürfte auf kurze Sicht,<br />
auch wegen Förder- und Verarbeitungsengpässen, nur<br />
etwa im Einklang mit der Nachfrage ausgeweitet werden.<br />
Im Winterhalbjahr erwarten wir einen Ölpreis von<br />
etwa 31 US-Dollar pro Barrel; für den weiteren Verlauf<br />
des Jahres 20<strong>01</strong> ist unterstellt, dass sich der Ölpreis infolge<br />
der gedämpfteren wirtschaftlichen Entwicklung<br />
in der Weltwirtschaft in die Nähe der Obergrenze des<br />
von der OPEC angestrebten Preiskorridors von 22 bis<br />
28 US-Dollar bewegen wird. Damit ist immerhin eine<br />
geringe Entlastung der Ölimportländer verbunden.<br />
Der Anstieg der Ölpreise ist nominal zwar durchaus<br />
vergleichbar mit dem in den Jahren 1979/80 (im Euro-<br />
Raum ist die Verteuerung erheblich größer als damals),<br />
real gerechnet ist er aber deutlich niedriger als Anfang<br />
der Achtzigerjahre. Schon deshalb ist der direkte<br />
Einkommensverlust durch die Ölverteuerung viel kleiner<br />
als damals. Außerdem sind in den Industrieländern<br />
als Reaktion auf die früheren Ölpreissteigerungen die<br />
Energieintensität der Produktion und die Abhängigkeit<br />
von Ölimporten stark verringert worden, was den Effekt<br />
der Ölverteuerung zusätzlich dämpft.<br />
281. Mit den Zinserhöhungen hat die Europäische<br />
Zentralbank die relativ starke Ausweitung der Geldmenge<br />
M3 verringert und wieder dem potentialorientierten<br />
Pfad angenähert; die nachfrageanregenden Effekte<br />
der Geldpolitik klingen aus. Bildlich gesprochen<br />
wird das Konjunkturtempo nicht länger durch Gasgeben<br />
der Notenbank erhöht. Die Notenbank ist jedoch,<br />
gemessen an der Geldmengenentwicklung, nicht auf<br />
die Bremse getreten, sodass darüber hinausgehende<br />
Wirkungen, die zu einer Dämpfung der Eigendynamik<br />
der Konjunktur führen würden, nicht zu erwarten sind.<br />
Mit nennenswerten weiteren Zinserhöhungen und einem<br />
Einschwenken auf einen restriktiven geldpolitischen<br />
Kurs rechnen wir nicht, da die Lohnstückkosten<br />
allen Anzeichen nach nur moderat zunehmen werden<br />
und da der intensive Wettbewerb auf den Gütermärkten<br />
die Überwälzung von Kostensteigerungen erschwert.<br />
Ein Konflikt zwischen einer stabilitätsorientierten<br />
Geldpolitik und der Lohnpolitik wie bei früheren Ölpreisschüben<br />
zeichnet sich diesmal nicht ab. Wir rechnen<br />
daher damit, dass die Europäische Zentralbank<br />
ihren im Großen und Ganzen konjunkturneutralen<br />
Kurs im Jahre 20<strong>01</strong> fortsetzt und nicht durch Nachbesserungen<br />
bei den Löhnen oder verstärkte Preisanhebungen<br />
sich gezwungen sieht, restriktive Maßnahmen<br />
zu ergreifen.<br />
282. Der Anstieg der Löhne in den Industrieländern<br />
war bislang moderat. Die Lohnstückkosten erhöhten<br />
sich in diesem Jahr nur in geringem Maße, sodass von<br />
dieser Seite kein zusätzlicher Druck auf die Preise ausging.<br />
In Deutschland wurde die <strong>zur</strong>ückhaltende Lohnpolitik<br />
durch längerfristige Tarifverträge bis Ende des<br />
Jahres 20<strong>01</strong> vereinbart. Für die Industrieländer insgesamt<br />
ist für die Lohnpolitik unterstellt, dass die Ölverteuerung<br />
als einmaliger Preisschub betrachtet wird und<br />
dass der damit verbundene Kaufkraftentzug nicht zu<br />
Nachschlagsverhandlungen oder deutlich höheren<br />
Lohnabschlüssen im Jahre 20<strong>01</strong> führt.<br />
283. Wechselkursbewegungen, insbesondere zwischen<br />
dem Euro und dem US-Dollar, die den Konjunkturverlauf<br />
im Jahre 20<strong>01</strong> spürbar beeinflussen, sind<br />
nicht unterstellt. Man kann davon ausgehen, dass auf<br />
mittlere Sicht für den Euro ein Aufwertungspotential<br />
besteht (Exkurs: Gleichgewichtige Wechselkurse, Ziffern<br />
350 ff.). Im Verlauf des Jahres 20<strong>01</strong> dürfte sich der<br />
Euro leicht festigen. Der reale effektive Wechselkurs<br />
des Euro wird im Prognosezeitraum nahezu konstant<br />
bleiben. Damit wird die preisliche Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Unternehmen aus dem Euro-Raum auch im<br />
Jahre 20<strong>01</strong> günstig sein, sie wird sich aber nicht wechselkursbedingt<br />
weiter verbessern. Zusätzliche exportanregende<br />
Impulse sind von daher also nicht zu erwarten.<br />
284. Aufgrund der günstigen Konjunkturentwicklung<br />
und stark steigender Steuereinnahmen konnten die Defizite<br />
in den Staatshaushalten der Industrieländer in<br />
diesem Jahr weiter verringert werden, zum Teil wurden<br />
auch Überschüsse erzielt. Ingesamt war die Finanzpolitik<br />
mehr oder weniger konjunkturneutral.