Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 14/4792 – 206 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode<br />
384. Ähnlich sind die Pläne zu beurteilen, die durch die<br />
Kraftstoffpreiserhöhung besonders Betroffener an anderer<br />
Stelle des Steuer- und Transfersystems zu entlasten.<br />
So ist immer wieder die Erhöhung der Kilometerpauschale<br />
im Rahmen der Einkommensteuer diskutiert worden.<br />
Sieht man in den Fahrtkosten <strong>zur</strong> Arbeitsstätte<br />
Kosten der privaten Lebensführung, dann ist der Werbungskostenabzug<br />
von der Sache her nicht geboten, eine<br />
Erhöhung der Kilometerpauschale steht dann nicht <strong>zur</strong><br />
Debatte (JG 96 Ziffer 299) – ebenso wenig die Einführung<br />
einer Entfernungspauschale. Zählt man die<br />
Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte dagegen<br />
zu den Kosten der Einkunftserzielung, dann könnte<br />
man mit steigenden Benzin- und Dieselpreisen für eine<br />
Anhebung des Kilometersatzes von derzeit 70 Pfennig<br />
für den Entfernungskilometer plädieren. Im Rahmen des<br />
jetzigen Regierungskonzepts der Ökosteuern ist dann allerdings<br />
unter ökologischen Gesichtspunkten der Übergang<br />
zu einer Entfernungspauschale sinnvoll, weil die<br />
Benutzung des Kraftfahrzeugs nicht mehr begünstigt<br />
wird. Aber ein solcher Schritt – wie auch die vorgeschlagene<br />
Vergabe von Gutscheinen an Einkommensschwache<br />
für den verbilligten Bezug von Benzin – wirft<br />
sofort neue Probleme auf: Solche Kompensationsmaßnahmen<br />
müssten finanziert werden, zudem verstoßen sie<br />
gegen das umweltpolitische Ziel, dass derjenige, der das<br />
knappe Gut Umwelt nutzt, dafür auch zahlt – unabhängig<br />
von seiner Einkommensposition.<br />
Auf einem ganz anderen Blatt steht, ob und wie man die<br />
Einkommenseinbußen infolge der drastischen Preiserhöhungen<br />
ausgleichen will oder kann. Wenn man Kompensationszahlungen<br />
aus verteilungspolitischen Gründen<br />
in Erwägung zieht, dann müssen ungebundene<br />
Einkommenstransfers gezahlt werden. Geht es um die<br />
vertikale Verteilung – das ist die Verteilung zwischen<br />
verschiedenen Einkommensklassen –, dann könnte dies<br />
zum Beispiel eine Anhebung der Sozialhilfe sein. Sofern<br />
die horizontale Verteilung – also die Verteilung innerhalb<br />
einer Einkommensschicht – <strong>zur</strong> Diskussion<br />
steht, wird man auf Gruppen von Wirtschaftssubjekten<br />
abstellen, die durch die Ökosteuern besonders betroffen<br />
sind (zum Beispiel die Pendler), und diesen müssen ungebundene<br />
Transfers gezahlt werden, was faktisch im<br />
Rahmen der Entfernungspauschale geschieht.<br />
385. Unabhängig von dieser aktuellen Diskussion ist<br />
noch einmal auf die Schwächen des von der Bundesregierung<br />
verfolgten Konzepts einer ökologischen Steuerreform<br />
hinzuweisen. Dies sollte Anlass sein, den<br />
bisher verfolgten Ansatz aufzugeben und die Lenkungsfunktion<br />
der Ökosteuern zu stärken. Der Grundgedanke<br />
einer Ökosteuer ist nach wie vor richtig. Wenn beim Verbrauch<br />
von Mineralöl Umweltschäden entstehen, dann<br />
sollten diese dem Verbraucher auch angelastet werden,<br />
zumal wenn es darum geht, das Problem der globalen<br />
Klimaerwärmung anzugehen. Dazu ist die Erhebung einer<br />
Steuer durchaus ein geeignetes Instrument. Nur muss<br />
sich die Steuerbelastung dann an der tatsächlichen Höhe<br />
der Emission von Schadstoffen – in Bezug auf das Klima<br />
sind das die CO 2 -Emissionen – ausrichten. Die Steuersätze<br />
auf einzelne Energieträger müssten entsprechend<br />
der Emissionen gestaffelt werden (JG 98 Ziffern 495 f.).<br />
Es darf keine beschäftigungs- und verteilungspolitisch<br />
motivierten Ausnahmen geben. Das Steueraufkommen<br />
sollte in den Staatshaushalt eingestellt werden und keiner<br />
Zweckbindung (auch nicht für ökologische Projekte) unterliegen.<br />
Gegen all diese Anforderungen wird mit dem<br />
vorliegenden Konzept einer ökologischen Steuerreform<br />
verstoßen. Die zusätzliche Belastung ausgewählter Energieträger<br />
dient vorwiegend der Einnahmenbeschaffung<br />
für die Rentenversicherung; darüber sind die ökologischen<br />
Zielsetzungen vernachlässigt worden, wie nicht<br />
zuletzt die vielen Ausnahmeregelungen belegen. Es ist<br />
deshalb auch nicht überraschend, dass immer wieder Diskussionen<br />
um Reformen und gar Abschaffung dieser<br />
Steuern aufkommen. Es bleibt der entscheidende Mangel<br />
der bisherigen ökologischen Steuerreform, dass sie die<br />
fiskalische Zielsetzung eindeutig zulasten der umweltpolitischen<br />
Zielsetzung verfolgt. Der Lenkungscharakter<br />
der Ökosteuern muss in den Vordergrund gestellt werden.<br />
Konsolidierung beherzter angehen<br />
386. Die Bundesregierung hat bereits im Juni 1999<br />
den Einstieg in die Haushaltskonsolidierung vollzogen.<br />
Von den für das Jahr <strong>2000</strong> vorgesehenen Ausgabenkürzungen<br />
in Höhe von 30,4 Mrd DM konnten<br />
27 Mrd DM verwirklicht werden. Beim Restbetrag<br />
handelte es sich um Ausgaben, für deren Rückführung<br />
die Zustimmung des Bundesrates erforderlich gewesen<br />
wäre, die jedoch nicht erreicht werden konnte.<br />
Das Finanzierungsdefizit im Bundeshaushalt ist im Vergleich<br />
zum Jahre 1999 um knapp 2 Mrd DM gesunken<br />
(Tabelle 55). In Anbetracht der guten konjunkturellen<br />
Entwicklung und der Verbesserung am Arbeitsmarkt ist<br />
dies ein allerdings nur geringfügiger Rückgang. Beachtet<br />
man überdies, dass auch im Jahre <strong>2000</strong> erneut Privatisierungserlöse<br />
in Höhe von etwa 3,5 Mrd DM erzielt<br />
werden konnten, dann hätte die Rückführung des Defizits<br />
eigentlich stärker ausfallen müssen. Grundsätzlich<br />
sollten Phasen einer guten Konjunktur mit stark<br />
steigenden Steuereinnahmen genutzt werden, um die<br />
Konsolidierungsanstrengungen zu forcieren. Das strukturelle<br />
Defizit des öffentlichen Gesamthaushalts (Gebietskörperschaften<br />
und Sozialversicherungen), an dem<br />
der Sachverständigenrat den Konsolidierungsbedarf<br />
misst, ist auch nur wenig gesunken (Ziffern 490 ff.).<br />
387. Für eine stärkere Konsolidierung des Bundeshaushalts<br />
hätte gesprochen, dass bereits zusätzliche Belastungen<br />
für die kommenden Jahre abzusehen sind. Dazu<br />
zählen neben den Auswirkungen der Steuerreform insbesondere<br />
die zweite Stufe <strong>zur</strong> Umsetzung des Urteils des<br />
Bundesverfassungsgerichtes vom 10. November 1998<br />
<strong>zur</strong> Neuregelung der Familienbesteuerung (Berücksichtigung<br />
der Erziehungskosten) und die – von der Bundesregierung<br />
möglicherweise noch anzugehende – Neuregelung<br />
der Besteuerung der Alterseinkünfte sowie die<br />
steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge. Hinzu<br />
kommen die Zahlungen an die Post-Unterstützungskassen.<br />
Angesichts dieser Mehrbelastungen wird es schwierig<br />
werden, das Ziel zu verwirklichen, im Jahre 2006 einen<br />
ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen.