Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 14/4792 – 234 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode<br />
richtigen Schritt hin zu einem zukunftsfähigen mischfinanzierten<br />
Alterssicherungssystem. Dennoch erscheint<br />
uns dieses Konzept in einer Reihe von Punkten<br />
kritikwürdig und verbesserungsfähig. Von der reformbedingten<br />
Absenkung des Beitragspfads um 1,7 Prozentpunkte<br />
entfallen nach den Berechnungen der<br />
Bundesregierung 1,4 Prozentpunkte auf die neue Anpassungsformel<br />
und 0,3 Prozentpunkte auf den Ausgleichsfaktor.<br />
Während die neue Anpassungsformel,<br />
die modifizierte Nettoanpassung, gleichermaßen auf<br />
den Rentenbestand wie auf den Rentenzugang wirkt,<br />
trifft der Ausgleichsfaktor ausschließlich die Zugangsrenten<br />
nach dem Jahre 2<strong>01</strong>1.<br />
Ab dem Jahre 2<strong>01</strong>1 sollen die jeweiligen Zugangsrenten<br />
in Jahresschritten um bis zu 6 vH im Jahre 2030<br />
gekürzt werden. Da auch alle Zugangsrenten danach<br />
um diesen Faktor gekürzt werden sollen, trägt dessen<br />
beitragsstabilisierende Wirkung weit über das Jahr<br />
2030 hinaus. Die Folge ist, dass es für eine sehr lange<br />
Zeit – etwa bis zum Jahre 2050 – kein einheitliches für<br />
Rentenbestand und Rentenzugang gleichermaßen geltendes<br />
Rentenniveau mehr geben wird, sondern Niveaus<br />
entsprechend des jeweiligen Zugangsjahres.<br />
Dieser kumulativen Kürzung der Zugangsrenten bis<br />
zum Jahre 2030 liegt offensichtlich – neben dem Ziel,<br />
den Beitragssatz langfristig unter 22 vH zu halten – die<br />
verteilungspolitische Entscheidung zugrunde, die<br />
Rentner und die älteren Arbeitnehmer – nämlich alle<br />
heute über 54jährigen – bei den als erforderlich angesehenen<br />
Leistungsrücknahmen zu schonen.<br />
459. Gegen diesen Ausgleichsfaktor wird eingewandt,<br />
– es würde damit ein Anreiz zum vorzeitigen Renteneintritt<br />
gesetzt, weil man durch ein vorzeitiges<br />
Ausscheiden aus dem Erwerbsleben den durch diesen<br />
Faktor bewirkten Rentenkürzungen ausweichen<br />
könne und<br />
– dieser Faktor sei intergenerativ ungerecht, da er die<br />
Jüngeren benachteilige, weil diese im Vergleich zu<br />
heute höhere Beiträge zu zahlen und gleichzeitig<br />
ein deutlich niedrigeres Rentenniveau zu erwarten<br />
hätten.<br />
Durch einen vorzeitigen Renteneintritt können Kürzungen<br />
als Folge des Ausgleichsfaktors vermieden<br />
werden, allerdings um den Preis von Kürzungen durch<br />
die Frühverrentungsabschläge in Höhe von 3,6 vH pro<br />
Jahr. Wer statt 2<strong>01</strong>2 bereits 2<strong>01</strong>0 in Rente ginge, könnte<br />
eine Rentenkürzung von 0,6 vH (2 x 0,3 vH) als Folge<br />
des Ausgleichsfaktors vermeiden, müsste aber aufgrund<br />
der Abschläge eine Kürzung seines Rentenzahlbetrags<br />
um 6,4 vH (2 x 3,6 vH – 0,6 vH) hinnehmen.<br />
Vom Ausgleichsfaktor gehen, aufgrund des Zusammenwirkens<br />
mit den Frühverrentungsabschlägen,<br />
keine direkten Anreize <strong>zur</strong> Frühverrentung aus, wohl<br />
aber werden die von den im internationalen Vergleich<br />
eher geringen Frühverrentungsabschlägen beabsichtigten<br />
Wirkungen gegen ein vorzeitiges Ausscheiden aus<br />
dem Arbeitsleben abgeschwächt. Dieser unerwünschte<br />
Effekt des Ausgleichsfaktors würde entfallen, wenn<br />
man die Abschläge an das Geburtsjahr des Zugangsrentners<br />
und nicht an das Jahr des Renteneintritts knüpfen<br />
würde. Bedenkt man, dass sich das Beitrags-Leistungs-Verhältnis<br />
der Sozialrenten bei allen zukünftigen<br />
Rentnergenerationen im Vergleich zu den gegenwärtigen<br />
Rentenempfängern verschlechtern wird, wird man<br />
sagen können, dass die durch den Ausgleichsfaktor bewirkte<br />
intergenerative Verteilung der „Konsolidierungslasten“<br />
gegen die Forderung einer Verhinderung<br />
der Kumulation von Nachteilen für einzelne Generationen<br />
verstößt. Will man die Leistungsrücknahmen<br />
gleichmäßig auf Alt und Jung verteilen, bieten sich als<br />
praktikable Wege nur reduzierte Anpassungen, also<br />
Abschläge vom jeweiligen aktuellen Rentenwert an.<br />
Vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger wurde<br />
eine Rentenanpassungsformel entwickelt, die – allerdings<br />
zunächst nur bis zum Jahre 2030 – den Beitragssatz ebenfalls<br />
unter 22 vH hält, aber die Leistungsrücknahmen gleichmäßig<br />
auf Bestands- und Zugangsrenten und damit ohne<br />
Diskriminierung eines Rentenjahrgangs verteilt.<br />
Mit der folgenden Anpassungsformel könnte bis zum Jahre<br />
2030 auf den Ausgleichsfaktor verzichtet werden:<br />
AR<br />
AR<br />
BE<br />
t <br />
AR<br />
t1<br />
<br />
BE<br />
BE<br />
t1<br />
<br />
t2<br />
75%<br />
75%<br />
<br />
<br />
= aktueller Rentenwert<br />
RVB<br />
RVB<br />
t1<br />
<br />
t2<br />
<br />
SHS<br />
SHS<br />
t1<br />
t2<br />
= Bruttolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich<br />
beschäftigten Arbeitnehmer<br />
RVB = Beitragssatz <strong>zur</strong> Gesetzlichen Rentenversicherung<br />
SHS = Sonderausgabenhöchstbetrag <strong>zur</strong> zusätzlichen Altersvorsorge<br />
Bei einer Gültigkeit dieser Formel ab 2<strong>01</strong>0 würde der Beitragssatz<br />
im Jahre 2030 genau 22 vH betragen, das Rentenniveau<br />
in Westdeutschland 67,42 vH, der aktuelle Rentenwert<br />
102,41 DM und die Brutto (Netto-) Standardrente<br />
4 608,23 DM (4 234,86 DM).<br />
Während der Ausgleichsfaktor und dessen schrittweise<br />
Erhöhungen bis 2030 immer nur die Zugangsrenten<br />
eines Jahres reduziert und alle vor diesem Jahr<br />
festgesetzten Renten nicht berührt, hat eine Verringerung<br />
der Anpassungen über den aktuellen Rentenwert<br />
eine sehr viel umfassendere Wirkung. Da immer auch<br />
die jeweiligen Bestandsrenten betroffen sind, können<br />
die Einschnitte bei den Jüngeren vergleichsweise geringer<br />
ausfallen.<br />
460. Die Idee eines demographischen Faktors besteht<br />
darin, die Beitragszahler von den Kosten zu entlasten, die aus<br />
der (in der deutschen Rentenformel nicht berücksichtigten)<br />
steigenden ferneren Lebenserwartung und damit einer stei-