Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199 – Drucksache 14/4792<br />
verworfen worden (JG 99 Ziffer 324). Allerdings<br />
wird den Unternehmen die (pauschalierte und begrenzte)<br />
Abzugsmöglichkeit der Gewerbesteuer<br />
von der Einkommensteuerschuld zugestanden.<br />
Auch diese Entlastung halten wir steuersystematisch<br />
und verfassungsrechtlich für problematisch<br />
(Ziffern 361 f.).<br />
359. Es musste geklärt werden, wie das Entlastungsvolumen<br />
finanziert werden soll. Höhere Kreditaufnahmen<br />
(Steuerreform „auf Pump“) und Erhöhungen anderer<br />
Steuern (etwa der Umsatzsteuer) sollen dafür nach<br />
Bekundungen der Bundesregierung nicht herangezogen<br />
werden. Dem ist beizupflichten. Der jetzt von Bund und<br />
Ländern beschrittene Weg, Steuerausfälle infolge der<br />
Steuerreform teilweise durch eine Tilgungsstreckung<br />
beim Fonds „Deutsche Einheit“ zu finanzieren, läuft allerdings<br />
faktisch auf Kreditfinanzierung hinaus und<br />
steht insoweit im Widerspruch zu den dauernden Bekräftigungen,<br />
die Steuerreform nicht über Kredite zu finanzieren.<br />
Lässt man keine zusätzliche Verschuldung<br />
zu, dann bleiben nur zwei Wege: Die Finanzierung über<br />
einen Wachstum-/Selbstfinanzierungseffekt oder eine<br />
(weitere) Kürzung von öffentlichen Ausgaben. Die<br />
Bundesregierung vertraut im Wesentlichen auf die erste<br />
Alternative. Die Steuerreform wird – so die Erwartungen<br />
– Wachstum und Beschäftigung verbessern und<br />
damit das Steueraufkommen erhöhen und bisherige<br />
Ausgaben (vor allem <strong>zur</strong> Finanzierung der hohen Arbeitslosigkeit)<br />
vermindern. Dass mit einem Selbstfinanzierungseffekt<br />
zu rechnen ist, dürfte außer Diskussion<br />
stehen, offen ist aber, in welchem Umfang und zu welchem<br />
Zeitpunkt diese Wirkungen eintreten. In dem<br />
Ausmaß, in dem dieser Effekt nicht vollständig oder<br />
zeitlich verzögert zum Tragen kommt, wird man eine<br />
Zwischenfinanzierung brauchen, vorzugsweise durch<br />
verstärkte Konsolidierungsanstrengungen. Den Weg<br />
über höhere Defizite sollte man dabei nicht in Erwägung<br />
ziehen; denn die Erfahrung zeigt, wie schwer es<br />
ist, die Folgen einer Politik der Kreditfinanzierung später<br />
rückgängig zu machen.<br />
Gewerbesteuer wird denaturiert<br />
360. Die Diskussion um die Reform der Einkommenund<br />
Körperschaftsteuer hat eines deutlich gezeigt: Eine<br />
umfassende Reform, in der alle Einkommen unabhängig<br />
von der Quelle und der Verwendung einem einheitlichen<br />
Steuertarif unterliegen, ist im Wesentlichen an<br />
der Existenz der Gewerbesteuer gescheitert. Denn die<br />
Absenkung des Körperschafsteuersatzes auf 25 vH<br />
führt unter Berücksichtigung der durchschnittlichen<br />
Gewerbesteuerbelastung doch wieder zu einer tariflichen<br />
Belastung (ohne Solidaritätszuschlag) von rund<br />
38 vH. Gäbe es die Gewerbesteuer nicht, hätte man einen<br />
Spitzensteuersatz von etwa 40 vH bei der Einkommensteuer<br />
und einen Thesaurierungssatz in dieser<br />
Höhe einführen können, wie es der Sachverständigenrat<br />
aus allokations- und wachstumspolitischen Gründen<br />
für zweckmäßig hält.<br />
Eine Abschaffung der Gewerbesteuer im Zuge der<br />
Steuerreform war offenbar politisch nicht durchsetzbar;<br />
sie wäre ökonomisch auch nur dann zu vertreten<br />
gewesen, wenn ein Ersatz für die Gemeinden gefunden<br />
worden wäre. Dieser hätte folgende Bedingungen erfüllen<br />
müssen: Den Gemeinden insgesamt hätte das<br />
bisherige Steueraufkommen aus der Gewerbesteuer<br />
gesichert werden müssen; zudem wäre eine Steuer geboten<br />
gewesen, die an der lokalen wirtschaftlichen<br />
Tätigkeit ansetzt und bei der schließlich den Kommunen<br />
ein Hebesatzrecht eingeräumt werden kann. Diese<br />
Bedingungen würden beispielsweise durch eine kommunale<br />
Wertschöpfungssteuer erfüllt (JG 83 Ziffern<br />
399 ff.).<br />
361. Der jetzt eingeschlagene Weg der Anrechnung<br />
der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuerschuld ist<br />
in vielfältiger Hinsicht problematisch. Die Gewerbesteuer<br />
ist eine Objektsteuer des Gewerbebetriebs, also<br />
durch diesen veranlasst (§ 4 EStG) und wird deshalb zu<br />
Recht bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns<br />
abgesetzt. Das ist erforderlich zwecks Durchsetzung<br />
des Nettoprinzips bei der Besteuerung. Die<br />
Abzugsfähigkeit ist deshalb auch keine Steuervergünstigung<br />
für die Gewerbebetriebe, wie dies immer wieder<br />
dargestellt wird. Bei der Einkommensteuer handelt es<br />
sich dagegen um eine Subjektsteuer des Unternehmers.<br />
Auf die Einkommensteuerschuld können steuersystematisch<br />
nur solche Steuern angerechnet werden, die als<br />
Komponenten der Einkommensteuer im Quellenabzugsverfahren<br />
erhoben werden, also die Lohnsteuer,<br />
die Kapitalertragsteuer und (heute noch) die Körperschaftsteuer<br />
auf ausgeschüttete Gewinne. Die Gewerbesteuer<br />
ist keine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer,<br />
sodass die jetzt zugelassene Aufrechnung eine<br />
konzeptionelle Vermischung darstellt und steuersystematisch<br />
verfehlt ist.<br />
362. Zudem wird der Charakter der Gewerbesteuer<br />
für die betroffenen Unternehmen verändert: Sie behält<br />
zwar alle Nachteile (zum Beispiel die hohe Konjunkturreagibilität<br />
und die vielfältigen Wettbewerbsverzerrungen),<br />
aber sie verliert ihre wesentliche Begründung,<br />
nämlich im Sinne eines Interessenausgleichs die Unternehmen<br />
für die von ihrer Gemeinde angebotenen<br />
Leistungen zu belasten. Soweit ein Unternehmer die<br />
gezahlte Gewerbesteuer gegen die Einkommensteuer<br />
aufrechnen kann, wird er de facto durch die Gewerbesteuer<br />
nicht mehr belastet; die Steuer ist insoweit auch<br />
nicht mehr fühlbar für ihn.<br />
Gegen die Einkommensteuer (soweit sie auf gewerbliche Einkünfte<br />
entfällt) kann – unabhängig von der tatsächlich gezahlten<br />
Gewerbesteuer – ein Betrag in Höhe des 1,8fachen<br />
des Gewerbesteuermessbetrags aufgerechnet werden. Unternehmen,<br />
für die ein Hebesatz von 180 vH gilt, können demnach<br />
vollständig anrechnen. Liegt der Hebesatz unter 180<br />
vH, so wird von der Einkommensteuerschuld ein höherer Betrag<br />
abgezogen als an Gewerbesteuer gezahlt worden ist.<br />
Das läuft auf eine Subventionierung hinaus. Liegt der Hebesatz<br />
über 180 vH, kann die gezahlte Gewerbesteuer nicht voll