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Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 14/4792 – 196 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode<br />

liegt die Annahme zugrunde, dass der gleichgewichtige<br />

Wechselkurs durch fundamentale Einflussfaktoren erklärt<br />

werden kann und dass sich der tatsächliche Kurs<br />

langfristig an sein gleichgewichtiges Niveau anpasst.<br />

Zur Bestimmung des Gleichgewichtskurses können<br />

verschiedene Theorien und Modelle herangezogen<br />

werden.<br />

Mit dieser theoretischen Definition des Gleichgewichtskurses<br />

korrespondiert in ökonometrischen Anwendungen das<br />

Konzept der Kointegration. Empirische Studien konzentrieren<br />

sich deshalb in den meisten Fällen auf das Schätzen von<br />

Kointegrationsbeziehungen zwischen dem Wechselkurs und<br />

den Fundamentalvariablen, die in dem jeweiligen Modell als<br />

Bestimmungsfaktoren geführt werden. Lässt sich eine solche<br />

Beziehung finden, bedeutet dies, dass der Wechselkurs und<br />

seine Bestimmungsfaktoren Trends folgen, die voneinander<br />

nicht unabhängig sind. Empirisch beobachtbare Abweichungen<br />

des tatsächlichen vom gleichgewichtigen Kurs, das heißt<br />

ein Unterschied zwischen dem beobachtbaren und dem der<br />

gefundenen Langfristbeziehung entsprechenden Kurs, sind<br />

letztlich begründet in exogenen Störeinflüssen, die kurzfristige<br />

dynamische Effekte in den gefundenen langfristigen Zusammenhang<br />

tragen. Der gleichgewichtige Wechselkurs ist<br />

demnach jener Kurs, der sich ohne diese überlagernden Effekte<br />

aus den Fundamentalfaktoren ergeben würde.<br />

Zahlreiche empirische Untersuchungen zeigen, dass<br />

Kursschwankungen in der kurzen Frist durch die Annahme<br />

eines reinen Zufallsprozesses (Random Walk)<br />

besser erklärt werden können als mit fundamentalen<br />

Faktoren. Bei einem längeren Prognosehorizont erweisen<br />

sich traditionelle Wechselkurstheorien jedoch<br />

häufig als überlegen. Umfragestudien über die Mikrostruktur<br />

und die Motive der Akteure auf den Devisenmärkten<br />

belegen, dass eine Mehrheit der Marktteilnehmer<br />

den Einfluss von Fundamentaldaten auf<br />

den kurzfristigen Wechselkurs für unerheblich erachtet.<br />

Vorherrschend sind spekulative Motive, Orientierung<br />

am aktuellen Markttrend und extrem kurzfristige<br />

Arbitragegesichtspunkte. Mit Blick auf die längere<br />

Frist gewinnen hingegen in der Einschätzung der Finanzmarktakteure<br />

fundamentale Einflüsse deutlich an<br />

Gewicht.<br />

351. Der Standardansatz <strong>zur</strong> Erklärung der Wechselkursentwicklung<br />

ist die Kaufkraftparitätentheorie. Danach<br />

bestimmt sich der nominale Wechselkurs einer<br />

Währung langfristig über die Unterschiede in den<br />

Preisniveaus zwischen Inland und Ausland. Die Kaufkraftparität<br />

impliziert damit einen konstanten gleichgewichtigen<br />

realen Wechselkurs. Legt man dieses<br />

Konzept einer Analyse der Kursentwicklung des Euro<br />

zugrunde, so hätte sich dieser in der Tendenz seit Anfang<br />

des Jahres 1999 gegenüber dem US-Dollar aufwerten<br />

müssen, denn seitdem ist das Preisniveau im<br />

Euro-Raum weniger stark gestiegen als das in den Vereinigten<br />

Staaten. Unter der Annahme, dass der Wechselkurs<br />

zu Beginn der dritten Stufe der Währungsunion<br />

dem Gleichgewichtskurs entsprach, ergibt sich beispielsweise<br />

für Mitte Oktober dieses Jahres eine fundamentale<br />

Unterbewertung des Euro gegenüber dem<br />

US-Dollar in Höhe von rund 28 vH. Das Ausmaß der<br />

Unterbewertung wird sogar leicht größer, wenn anstelle<br />

des Dollarkurses Anfang des Jahres 1999 der<br />

durchschnittliche Dollarkurs gegenüber der Europäischen<br />

Währungseinheit ECU im Zeitraum der Jahre<br />

1996 bis 1999 verwendet wird.<br />

Die Kaufkraftparitätentheorie betrifft nur die Gütermärkte;<br />

aber der Wechselkurs wird selbstverständlich<br />

auch von internationalen Kapitalbewegungen beeinflusst.<br />

Auf den Gütermärkten kann es Friktionen in der<br />

Preisarbitrage geben, die eine unmittelbare Anpassung<br />

verhindern. Darüber hinaus ist die Gütermarktarbitrage<br />

als Ausgleichsmechanismus auf Preisunterschiede bei<br />

international handelbaren Gütern beschränkt. Damit ist<br />

die Verwendung breiter Preisindizes mit einem hohen<br />

Gewicht nicht handelbarer Güter unter Umständen ein<br />

wenig geeignetes Vorgehen für einen Test auf Geltung<br />

der Kaufkraftparitätentheorie. Vor diesem Hintergrund<br />

ist es nicht erstaunlich, dass die in empirischen Studien<br />

ermittelten Anpassungsgeschwindigkeiten des realen<br />

Wechselkurses an sein durch die Kaufkraftparität bestimmtes<br />

Gleichgewichtsniveau mit gefundenen Halbwertszeiten<br />

zwischen vier und zehn Jahren sehr langfristiger<br />

Natur sind. Die D-Mark bildete in der<br />

Vergangenheit jedoch eine gewisse Ausnahme. Hier<br />

wurden erheblich kürzere Anpassungszeiträume festgestellt.<br />

352. Über den Zusammenhang zwischen Preisniveau<br />

und Geldmenge kann die Kaufkraftparitätentheorie in<br />

eine monetäre Wechselkurstheorie transformiert und so<br />

um weitere mögliche Fundamentalfaktoren erweitert<br />

werden. Kursbestimmende Einflüsse ergeben sich dann<br />

aus der Entwicklung der Geldmenge und der Geldnachfrage<br />

im Inland und im Ausland und deren Determinanten,<br />

beispielsweise aus den nominalen Geldmarktzinsen,<br />

aus den Niveaus der wirtschaftlichen Aktivität<br />

sowie aus den Inflationsraten. Aktuelle Anwendungen<br />

dieses Ansatzes – leicht modifiziert durch die Berücksichtigung<br />

relativer Produktivitäten – auf den Wechselkurs<br />

des Euro gegenüber dem US-Dollar für den Zeitraum<br />

der Jahre 1991 bis einschließlich 1999 – für den<br />

Zeitraum vor Einführung des Euro wurde ein synthetischer<br />

Euro konstruiert – finden eine stabile Langfristbeziehung<br />

zwischen dem Wechselkurs und diesen Fundamentalfaktoren.<br />

Für den Zeitpunkt Ende des Jahres<br />

1999, als der Wert des Euro etwa einem US-Dollar entsprach,<br />

ergibt sich aus diesem Modell eine Unterbewertung<br />

des Euro um rund 13 vH bis 15 vH.<br />

353. Kombiniert man die Kaufkraftparitätentheorie<br />

mit der ungedeckten Zinsparität, gelangt man zum<br />

Konzept der Realzinsparität. Dieser Ansatz erklärt die<br />

Entwicklung des realen Wechselkurses aus den Unterschieden<br />

in den Realzinsen zwischen Inland und Ausland.<br />

Über die Bedingung der Realzinsparität wird die<br />

Finanzmarktarbitrage als zusätzlich kursbestimmender<br />

Faktor identifiziert. Höhere Realzinsen in einem Land,

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