Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 14/4792 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode<br />
titionstätigkeit und anziehenden Konsumausgaben,<br />
den Export als treibende Kraft der wirtschaftlichen Expansion<br />
ablösen. Der Aufschwung gewinnt an Breite.<br />
Per Saldo erwarten wir für das nächste Jahr eine Zunahme<br />
des Bruttoinlandsprodukts von 2,8 vH.<br />
8. Das weltwirtschaftliche Umfeld wird auch im<br />
kommenden Jahr die außenwirtschaftlichen Antriebskräfte<br />
stark halten: Die Produktion der Weltwirtschaft<br />
wird mit rund 4 vH in einem etwas geringeren Ausmaß<br />
als noch <strong>zur</strong>zeit zunehmen. Dies lässt sich einerseits<br />
durch die dämpfenden Effekte des Ölpreisanstiegs auf<br />
die Konjunktur der wichtigsten Industrieländer erklären.<br />
Andererseits wird sich die wirtschaftliche Expansion<br />
in den Vereinigten Staaten, im dann elften Jahr<br />
ihrer bisher längsten konjunkturellen Aufschwungsphase,<br />
verlangsamen. Auch in den übrigen Ländern des<br />
Euro-Raums wird der Produktionszuwachs im nächsten<br />
Jahr – trotz der verabschiedeten Steuerentlastungen<br />
und insgesamt moderater Lohnabschlüsse – den diesjährigen<br />
Anstieg der wirtschaftlichen Aktivität nicht<br />
ganz erreichen. Alles in allem werden die deutschen<br />
Exporte von Waren und Dienstleistungen im kommenden<br />
Jahr um 8,9 vH und damit mit etwas weniger<br />
Schwung als noch in diesem Jahr zunehmen.<br />
Die Binnennachfrage wird im Wesentlichen von zwei<br />
gegenläufigen Effekten bestimmt: Auf der einen Seite<br />
entzieht die Verteuerung des Rohöls der deutschen<br />
Volkswirtschaft Kaufkraft und verschlechtert die Ertragsaussichten<br />
der Unternehmer. Die bremsenden Effekte<br />
sind jedoch wesentlich geringer als noch während<br />
der Ölkrisen von 1973/74 und 1979/80: Nicht nur, dass<br />
der reale Einkommensverlust durch die gestiegenen<br />
Ölpreise im Vergleich geringer ist, auch die Energieintensität<br />
der Produktion ist deutlich gesunken. Eine<br />
wichtige Rolle kommt überdies der Lohnpolitik zu, die<br />
ihren moderaten Kurs bis in das übernächste Jahr festgeschrieben<br />
hat und so eine Lohn-Preis-Spirale unwahrscheinlich<br />
erscheinen lässt; dies ist ein wesentlicher<br />
Grund für eine auch im kommenden Jahr stabile<br />
Preisniveauentwicklung. Auf der anderen Seite gehen<br />
von der beträchtlichen steuerlichen Entlastung der Unternehmen<br />
und Haushalte in den kommenden Jahren<br />
expansive Impulse aus. Bei geringem Kostendruck,<br />
neutralen Finanzierungsbedingungen und einer kräftigen<br />
Nachfrage sowohl aus dem Ausland wie aus dem<br />
Inland werden sich die Investitionsbedingungen verbessern;<br />
die Investitionen in Ausrüstungen und in Sonstige<br />
Anlagen steigen im Jahre 20<strong>01</strong> um 8,1 vH, die Anlageinvestitionen<br />
nehmen aufgrund der weiterhin<br />
enttäuschenden Entwicklung der Bauinvestitionen lediglich<br />
um 3,4 vH zu. Das Konsumklima wird sich im<br />
nächsten Jahr, trotz der weiterhin hohen Kosten für Mineralölerzeugnisse,<br />
verbessern. Die Privaten Konsumausgaben<br />
werden mit 2,5 vH um 0,6 Prozentpunkte<br />
stärker zunehmen als noch in diesem Jahr; hierzu trägt<br />
insbesondere der durch die Steuerreform bedingte<br />
deutliche Anstieg der verfügbaren Einkommen bei.<br />
9. Die solide Konjunkturentwicklung im nächsten<br />
Jahr wird sich auch in der Lage auf dem Arbeitsmarkt<br />
widerspiegeln. Dort wird sich der Beschäftigungsaufbau<br />
dieses Jahres fortsetzen: Die Anzahl der Erwerbstätigen<br />
wird im Jahresverlauf um etwa 440 000 zunehmen,<br />
rund 200 000 Personen weniger werden arbeitslos<br />
gemeldet sein als im Jahr zuvor. Die Arbeitslosenquote<br />
im Jahresdurchschnitt wird auf 9,1 vH sinken. Das ist<br />
immer noch zu hoch. Außerordentlich unbefriedigend<br />
ist die Arbeitsmarktlage in den neuen Bundesländern,<br />
die von den positiven konjunkturellen Entwicklungen<br />
weitgehend nicht erfasst wird. Die Arbeitslosenquote<br />
wird dort auf ihrem hohen Niveau verharren (17,1 vH).<br />
Die Voraussetzungen für eine Festigung des günstigen<br />
Konjunkturverlaufs über das nächste Jahr hinaus sind<br />
zu einem Teil bereits erfüllt. Insbesondere die Finanzpolitik<br />
bietet durch die Steuerreform und den konsequenten<br />
Konsolidierungskurs verlässlich günstige<br />
Rahmenbedingungen; auch die Lohnpolitik hat einen<br />
wachstums- und beschäftigungsfreundlichen Kurs eingeschlagen.<br />
Wird diese Orientierung beibehalten und<br />
werden mit dem gleichen Mut Reformen in anderen<br />
wichtigen Politikbereichen angegangen und die noch<br />
zahlreich vorhandenen strukturellen Schwächen der<br />
deutschen Volkswirtschaft dauerhaft beseitigt, besteht<br />
die Chance auf ein mittelfristig höheres Wachstum.<br />
II. Verbesserte Ausgangsbedingungen –<br />
fortdauernde Zielverfehlungen am<br />
Arbeitsmarkt<br />
10. Diese positive Ausgangslage zum Anlass nehmen,<br />
um im Reformeifer nachzulassen, hieße die wirtschaftliche<br />
Wirklichkeit zu verkennen: Im europäischen Vergleich<br />
wächst die deutsche Volkswirtschaft unterdurchschnittlich.<br />
Das spiegelt sich auch in der desolaten Lage<br />
des Arbeitsmarkts wider, wo trotz konjunktureller und<br />
demographischer Entlastung die Arbeitslosigkeit weiterhin<br />
hoch ist und aufgrund der vorhandenen Verkrustungen<br />
in jeder Rezession stufenweise weiter angestiegen<br />
war. Zu Recht hat die Bundesregierung die Bekämpfung<br />
der Arbeitslosigkeit zu ihrem vorrangigen Ziel erklärt,<br />
allerdings verlangt dieses Problem ein offensiveres<br />
Vorgehen und eine konsistente Konzeption. Die<br />
Verbesserung der finanzpolitischen und lohnpolitischen<br />
Rahmenbedingungen kann ihre positiven Wirkungen<br />
auf die Beschäftigung nicht voll entfalten,<br />
wenn gleichzeitig der Arbeitsmarkt zu sehr reguliert<br />
ist. Neue Regelungen der Arbeitsmarktverfassung drohen<br />
auf dem Weg zu mehr Beschäftigung zu bremsen,<br />
anstatt diesen Weg zu ebnen. Konsistentes wirtschaftspolitisches<br />
Handeln erfordert eine umfassende, zwischen<br />
den Politikbereichen abgestimmte Konzeption,<br />
in der die Ziele und Verantwortlichkeiten der einzelnen<br />
Bereiche klar abgegrenzt sind.<br />
11. Die Bedeutung der richtigen Politikmischung und<br />
eines beherzten Herangehens an die noch ausstehenden