Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 14/4792 – 182 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode<br />
Informations- und Kommunikationskosten die Optionen<br />
erweitert hat, Wertschöpfungsketten grenzüberschreitend<br />
zu zerlegen (vertikale Spezialisierung), die<br />
Beschäftigten über Betriebsstätten in verschiedenen<br />
Ländern rotieren zu lassen und vor allem bei Betriebsneugründungen<br />
gleich ausländische Standorte zu<br />
wählen; an der erwarteten Rentabilität, und nur daran,<br />
entscheidet sich, inwieweit Investoren von diesen Optionen<br />
Gebrauch machen. Für zahlreiche Unternehmen<br />
ist es auch einfacher geworden, internationale Fusionen<br />
oder Übernahmen vorzunehmen, und sie tun es der<br />
erhofften Skalenerträge und rationalisierungsgetriebener<br />
Effizienzgewinne wegen und um den Wettbewerbsdruck<br />
zu verringern; der Trend hierzu dürfte anhalten,<br />
obwohl, wie die Monopolkommission feststellt,<br />
bislang die tatsächlichen Ergebnisse sehr oft hinter den<br />
Erwartungen <strong>zur</strong>ückgeblieben sind. Die inländischen<br />
Arbeitnehmer sind unmittelbar von dem internationalen<br />
Standortwettbewerb betroffen, im Positiven – bessere<br />
Beschäftigungs- und Verdienstmöglichkeiten –<br />
wie im Negativen – größere Arbeitsplatzrisiken. Das<br />
kann die Wirtschaftspolitik nicht unberührt lassen, sondern<br />
macht ihr die Pflege guter Standortbedingungen<br />
zu einer Aufgabe von hohem Rang.<br />
325. Die in der Steuerreform <strong>2000</strong> vorgesehene Senkung<br />
der Steuersätze dürfte den deutschen Standort für<br />
das Sachkapital aufwerten. Dass der Spitzensteuersatz<br />
bei der Einkommensteuer in den kommenden Jahren<br />
deutlich reduziert wird, dürfte die bisherigen Nachteile<br />
Deutschlands, wenn auch nicht ganz beseitigen, so<br />
doch spürbar mildern; namentlich inländische hoch<br />
qualifizierte Arbeitskräfte werden weniger Anreize haben<br />
auszuwandern, während ausländische Fachkräfte<br />
künftig weniger abgehalten werden zuzuwandern. Das<br />
kann für die wirtschaftliche Dynamik in Deutschland<br />
nur positiv sein, lehren doch Theorie und Praxis, dass<br />
es sich beim Humankapital um den wichtigsten Wachstumsfaktor<br />
überhaupt handelt.<br />
Ein verbessertes Steuersystem erhöht die Erfolgschancen<br />
im Standortwettbewerb nur bedingt, wenn nicht in<br />
anderen wichtigen Bereichen reformiert wird – insbesondere,<br />
wenn die Politik jetzt nicht ernsthaft darangeht,<br />
das Bildungswesen zu modernisieren und die<br />
Voraussetzungen dafür schafft, dass innerhalb vernünftiger<br />
Zeiträume ausreichend ausgebildet wird, die Erwerbstätigen<br />
sich ständig weiterbilden und die Ausbildung<br />
und Weiterbildung mit den Entwicklungen am<br />
Arbeitsmarkt abgestimmt wird, wenn außerdem die<br />
Politik nicht überholte Regulierungen gewerblicher<br />
Aktivitäten, die es trotz der Deregulierungen in den<br />
letzten Jahren immer noch gibt, abschafft, und nicht zuletzt,<br />
wenn die Politik nicht energisch auf eine zeitgemäße<br />
Arbeitsmarktverfassung zusteuert, die bei zunehmender<br />
Arbeitsnachfrage ausreichende Spielräume<br />
für mehr Flexibilität in den Beschäftigungsverhältnissen<br />
eröffnet. Der Sachverständigenrat hat stets darauf<br />
hingewiesen, dass zu den im internationalen Standortwettbewerb<br />
maßgeblichen Investitionsbedingungen einer<br />
Volkswirtschaft mehr als nur das Steuersystem<br />
gehört. Erneut ist zu betonen, wie kontraproduktiv es<br />
wäre, ließe man die Arbeitsmärkte zu rigide, das Bildungswesen<br />
ineffizient und die Regulierungsdichte in<br />
der Wirtschaft zu hoch, jeweils unter Berücksichtigung<br />
der Erfahrungen („best practices“) anderswo. Jedermann<br />
weiß, dass auf diesen Gebieten durchgreifende<br />
Änderungen nötig sind. Von internationalen Organisationen<br />
sind auch in diesem Jahr wieder Reformen angemahnt<br />
worden. Die Bundesregierung sollte nunmehr<br />
mit Entschlossenheit handeln und sich von den Verfechtern<br />
des Status quo nicht einreden lassen, alles<br />
könne beim Alten bleiben oder allenfalls mit kleinen<br />
Korrekturen behandelt werden. Sie sollte sich nicht um<br />
den Erfolg ihres neuen finanzpolitischen Kurses bringen,<br />
sondern die Anstrengungen um die Wiedergewinnung<br />
eines hohen Beschäftigungsstandes verstärken.<br />
Neue Ökonomie – neue Herausforderungen<br />
326. Was am nachhaltigsten die Verhaltensweisen in<br />
der Gesellschaft verändern wird und der Wirtschaftspolitik<br />
höchstmögliche Rationalität abfordert, das ist<br />
das zunehmend informationsbasierte und informationsgetriebene<br />
Wirtschaften. Man spricht von der<br />
Neuen Ökonomie.<br />
– Das Neue ergibt sich daraus, dass jetzt eine auf digitalen<br />
Netzen gründende Querschnittstechnologie<br />
<strong>zur</strong> Verfügung steht, die es allen Marktteilnehmern<br />
(und ganz allgemein den Bürgern) prinzipiell erlaubt,<br />
gleichzeitig, zu extrem niedrigen Kosten und<br />
ohne zeitliche oder räumliche Restriktionen miteinander<br />
zu kommunizieren, Ideen und Initiativen zu<br />
entfalten, Probleme aller Art zu definieren und zu<br />
lösen, Verträge abzuschließen und vielfältige gewerbliche<br />
Transaktionen abzuwickeln. Die Markttransparenz<br />
wird allseits enorm erhöht, die Konsumentensouveränität<br />
nachhaltig gestärkt. Der<br />
Wettbewerb nähert sich damit dem Modell der vollständigen<br />
Konkurrenz. Der relevante Markt für<br />
viele Waren und Dienstleistungen wird durch die<br />
Vernetzung von Informationsflüssen ein globaler.<br />
Positive Netzwerkexternalitäten und steigende<br />
Skalenerträge bekommen ein in der Wirtschaftsgeschichte<br />
beispielloses Gewicht, die Grenzkosten<br />
digitaler Produkte sind geradezu vernachlässigbar.<br />
Die traditionellen Wirtschaftsbereiche werden auch<br />
in Zukunft eine große Bedeutung für lohnende nationale<br />
und internationale Transaktionen und für die<br />
Gewährleistung einer guten Marktversorgung der<br />
Bevölkerung haben. Aber die Produktionsweisen<br />
und die Arbeitsformen in der realen Welt sowie die<br />
organisatorischen Strukturen und Entscheidungsverfahren<br />
in Unternehmen und Behörden verändern<br />
sich im Informationszeitalter fundamental.<br />
– Die Verheißung ist, dass die Volkswirtschaft dauerhaft<br />
auf einen höheren Wachstumspfad und in die<br />
Nähe von Vollbeschäftigung gelangen kann, vorausgesetzt,<br />
bei den Erwerbstätigen sind Fähigkeiten<br />
für den wertschöpfungssteigernden Umgang<br />
mit der neuen Technologie und der Ressource Information<br />
(beim Aufsuchen, Sortieren, Verarbeiten,<br />
Transportieren derselben) hinreichend ausgeprägt