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Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 219 – Drucksache 14/4792<br />

durch den beschleunigten Strukturwandel werden die<br />

gegebenen Qualifikationsstrukturen neu bewertet. Davon<br />

sind gerade ältere Arbeitnehmer betroffen. Für sie ist<br />

es deshalb besonders wichtig, sich weiterzubilden.<br />

Bei un<strong>zur</strong>eichender Weiterbildung sehen sich ältere Arbeitnehmer<br />

mit einem hohen Entlassungsrisiko konfrontiert.<br />

Dem steht nicht entgegen, dass empirische<br />

Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und<br />

Berufsforschung zeigen, dass das Qualifikationsniveau,<br />

gemessen am formalen Ausbildungsstand, bei<br />

den 30- bis 50-Jährigen ähnlich ist; erst die Gruppe der<br />

55-Jährigen weist derzeit höhere Anteile von Personen<br />

ohne beruflichen Ausbildungsabschluss und niedrigere<br />

Anteile von Hochschulabsolventen auf; auch steht dem<br />

nicht entgegen, dass ältere Arbeitnehmer über ein erhebliches<br />

Erfahrungswissen verfügen dürften, das sie<br />

sich im Laufe der beruflichen Tätigkeit angeeignet haben<br />

und das ihnen Handlungskompetenz gibt. Dennoch<br />

wird man davon auszugehen haben, dass das von älteren<br />

Arbeitnehmern erworbene Humankapital aufgrund<br />

der veränderten wirtschaftlichen Bedingungen weniger<br />

gefragt ist. Eine vom Institut für Statistik und Ökonometrie<br />

der Universität Kiel durchgeführte empirische<br />

Untersuchung über die Beschäftigungsdauer von westdeutschen<br />

Arbeitnehmern anhand der Daten des Soziooekonomischen<br />

Panels ergibt, dass das Entlassungsrisiko<br />

mit zunehmendem Alter zunächst geringer wird,<br />

dann aber – beginnend mit den Endvierzigjährigen –<br />

wieder ansteigt. In der Stichprobe wurden Arbeitnehmer<br />

erfasst, die zum Zeitpunkt der Befragung mindestens<br />

16 und höchstens 54 Jahre alt waren. Dieser U-<br />

förmige Verlauf des Entlassungsrisikos kann<br />

dahingehend interpretiert werden, dass die Produktivität<br />

der Arbeitskräfte im höheren Erwerbsalter nicht<br />

mehr so stark zunimmt und dass bei den älteren Arbeitnehmern<br />

in verstärkter Weise eine Diskrepanz zwischen<br />

den Anforderungsprofilen der Wirtschaft und<br />

ihren Qualifizierungsprofilen besteht. In einer alternden<br />

Gesellschaft – und dies ist in Zukunft das für<br />

Deutschland relevante Szenario – wird sich dieses Problem<br />

verschärfen.<br />

Zur Sicherung ihres Arbeitsplatzes ist es dringend geboten,<br />

dass sich auch ältere Arbeitnehmer weiterbilden;<br />

darüber hinaus liegt es auch im Interesse der Wirtschaft<br />

und der Gesellschaft, die Weiterbildung der<br />

älteren Arbeitnehmer zu forcieren. Die Unternehmen<br />

müssen im sich verschärfenden Wettbewerb auch mit<br />

älter werdenden Belegschaften bestehen können. Der<br />

Befund der derzeit sehr geringen Beteiligung älterer<br />

Arbeitnehmer an Weiterbildungsmaßnahmen, gleichermaßen<br />

das Ergebnis einer jugendzentrierten Personalpolitik<br />

der Unternehmen wie der Antizipation eines<br />

vorzeitigen Ausscheidens aus dem Berufsleben auf<br />

Seiten der Beschäftigten, weist auf eine in der Zukunft<br />

stärker zu Buche schlagende Schwachstelle bei der<br />

Ausschöpfung des gesamtwirtschaftlichen Potentials<br />

des Humankapitals hin. Beides ist angesichts der sich<br />

ändernden ökonomischen wie demographischen Bedingungen<br />

nicht aufrechtzuerhalten.<br />

428. Eine vierte Konsequenz der Neuen Ökonomie<br />

ist, dass Flexibilität mehr denn je gefordert ist. Auf jeden<br />

Fall gilt das für den Informations- und Kommunikationsbereich.<br />

Denn die Produktzyklen werden kürzer,<br />

schnelles Handeln wird deshalb umso wichtiger.<br />

Unternehmen müssen rasch neues Wissen produzieren,<br />

neue Produkte hurtig auf den Markt bringen. Sie müssen<br />

flexibel agieren und speditiv reagieren. In einem<br />

Umfeld, in dem Marktpositionen erstmalig aufgebaut<br />

werden und in dem ein Unternehmen mit seinem Produkt<br />

den Weltmarkt in wenigen Monaten erobern kann,<br />

wird Flexibilität immer zentraler. Dies beeinflusst die<br />

Entscheidungsprozesse und die Organisationsstrukturen,<br />

es erfordert aber auch eine große Zeitflexibilität<br />

bei den Arbeitnehmern. Die Äußerung des Vorsitzenden<br />

des Deutschen Gewerkschaftsbundes, in der<br />

Neuen Ökonomie müsse man auch einmal eine 50-<br />

Stunden-Woche zulassen, wenn das nötig sei, geht deshalb<br />

in die richtige Richtung. Was bisher bei der Flexibilisierung<br />

der Arbeitszeit mit neuen Ansätzen wie den<br />

Jahresarbeitszeitkonten, mit der Ansparung von geleisteten,<br />

aber nicht durch Lohn kompensierten Arbeitsstunden<br />

auf einem lebenslangen Zeitkonto und mit den<br />

dezentralen Vereinbarungen in den Betrieben erreicht<br />

worden ist, sollte weiterentwickelt werden.<br />

Mehr Flexibilität schaffen – nicht rückregulieren<br />

429. Kontrastiert man die hier beschriebenen Anpassungserfordernisse<br />

mit dem, was die Wirtschaftspolitik<br />

in Deutschland tut, so zeigt sich, dass manches, was in<br />

der Gesetzgebung für den Arbeitsmarkt geplant ist, in<br />

die falsche Richtung geht.<br />

Wegen der beträchtlichen Veränderungen in der Wirtschaft<br />

wird in den nächsten Jahren mehr Flexibilität am<br />

Arbeitsmarkt gebraucht; internationale Organisationen<br />

mahnen dies von Deutschland auch an. Es hätte<br />

deshalb nahe gelegen, die Möglichkeit befristeter Arbeitsverträge,<br />

die in dem zum Jahresende auslaufenden<br />

Beschäftigungsförderungsgesetz enthalten war, unverändert<br />

zu verlängern, wenn man schon zu einer Ausdehnung<br />

der Flexibilität nicht bereit ist. Das tut man jedoch<br />

nicht; vielmehr soll die Möglichkeit, befristete<br />

Arbeitsverträge auch ohne Angabe eines sachlichen<br />

Grunds abzuschließen, nach dem im Entwurf vorliegenden<br />

„Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge“<br />

eingeschränkt werden. Sie wird demnach<br />

nur noch bei Neueinstellungen gegeben sein.<br />

Nicht mehr statthaft soll es sein, an ein befristetes Arbeitsverhältnis<br />

mit sachlichem Grund (beispielsweise<br />

bei Vertretung einer Stelleninhaberin, die sich im Erziehungsurlaub<br />

befindet) ein befristetes Arbeitsverhältnis<br />

ohne sachlichen Grund anzuschließen. Die<br />

Höchstdauer der Befristung auf zwei Jahre bei maximal<br />

dreimaliger Verlängerung innerhalb dieser Frist<br />

bleibt bestehen, den Tarifvertragsparteien wird jedoch<br />

nunmehr das Recht eingeräumt, eine abweichende<br />

Regelung zu treffen. Wenn auch die Altersgrenze für<br />

ältere Arbeitnehmer, mit denen unbegrenzt befristete

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