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Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141 – Drucksache 14/4792<br />

226. Angebotsseitige und nachfrageseitige Skaleneffekte<br />

erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Fusionen im<br />

Softwarebereich. Sie erhöhen allerdings auch die<br />

Wahrscheinlichkeit, dass mit den Zusammenschlüssen<br />

eher Effizienzgewinne erzielt und Preissenkungen möglich<br />

werden, als dass es über die zunehmende Marktmacht<br />

der fusionierten Unternehmen zu steigenden<br />

Preisen kommt. Angesichts des intensiven Wettbewerbs<br />

im Softwaresektor ist es darüber hinaus schwierig, bei<br />

der Beurteilung von Unternehmenszusammenschlüssen<br />

Auswirkungen auf die zukünftige Verteilung der<br />

Marktanteile zu ermitteln. Diese Aussagen gelten für<br />

horizontale und vertikale Fusionen gleichermaßen. Im<br />

Fall von vertikalen Fusionen, die angesichts der Tatsache,<br />

dass Netzwerkeigenschaften häufig auf vertikalen<br />

Komplementaritätsbeziehungen gründen, im Softwarebereich<br />

eine bedeutende Rolle spielen, verdient<br />

jedoch ein gesonderter Aspekt Beachtung: Fusionen<br />

können hier motiviert sein durch das Bestreben, über<br />

Marktzutritt auf einem komplementären Markt eine<br />

dominierende Stellung auf dem originären Markt zu sichern.<br />

Eine solches Motiv erfordert jedoch nicht notwendigerweise<br />

eine Integration vertikaler Komplemente<br />

in einem Unternehmen; Markteintrittsbarrieren<br />

<strong>zur</strong> Sicherung einer Monopolstellung können auch aufgrund<br />

einseitiger wettbewerbshemmender Geschäftspraktiken<br />

eines Unternehmens mit Marktmacht auf<br />

einem Komplementärmarkt errichtet werden. Ein solches<br />

Vorgehen stand im Mittelpunkt des Microsoft-<br />

Prozesses. Allgemein gilt, dass die Wettbewerbswirkungen<br />

von Fusionen, seien sie horizontaler, seien sie<br />

vertikaler Natur, von Seiten der Wettbewerbspolitik<br />

einfacher zu erfassen und zu bewerten sein dürften als<br />

die wettbewerblichen Auswirkungen unilateraler Geschäftspraktiken.<br />

227. Eine unmittelbare Konsequenz aus der Entwicklung<br />

von Märkten mit Netzwerkstrukturen ist die steigende<br />

Bedeutung von Standards. Die Setzung von Standards<br />

kann durch Kooperation oder als Resultat eines<br />

Konkurrenzprozesses entstehen; zentrales Motiv ist in<br />

beiden Fällen der Versuch, Nachfragepotentiale aufgrund<br />

von Netzwerkeigenschaften zu mobilisieren. Kooperative<br />

Standardsetzung zwischen konkurrierenden<br />

Unternehmen ist vor diesem Hintergrund vielfach seltener<br />

ein Indiz für kollusives Verhalten als vielmehr ein<br />

effizienzsteigernder Mechanismus, um den Kompatibilitätsgrad<br />

eines Netzwerks zu erhöhen. Im Extremfall,<br />

das heißt bei sehr starken Netzwerkeffekten, kann eine<br />

unternehmensübergreifende Kooperation für den Erfolg<br />

einer Produktlinie unverzichtbar sein.<br />

Für die Wettbewerbsintensität hat der Prozess der<br />

Standardsetzung wichtige Auswirkungen: Kooperative<br />

Standardsetzung führt zu Wettbewerb innerhalb eines<br />

Netzwerks, Wettbewerb um Standards bedeutet Konkurrenz<br />

zwischen Netzwerken. In der Tendenz dürfte<br />

gelten, dass eine kooperative Standardsetzung weniger<br />

Wettbewerb in der Anfangsphase eines Produktzyklus<br />

bedeutet, jedoch intensiveren Wettbewerb danach; umgekehrt<br />

bedeutet ein Standard als Ergebnis des Wettbewerbs<br />

intensive Konkurrenz in der Frühphase und<br />

weniger Wettbewerb, sobald der Standard des erfolgreichen<br />

Unternehmens etabliert ist. Welches zeitliche<br />

Verlaufsmuster ein Mehr an Effizienz bedeutet, ist<br />

a priori nicht zu beantworten. Die nichtkooperative Lösung<br />

ist allerdings dann problematisch, wenn ein bereits<br />

dominierendes Unternehmen den Standard setzt,<br />

denn dies birgt die Gefahr, dass mit dem Standard faktisch<br />

eine Markteintrittsbarriere errichtet wird.<br />

228. Die für Netzwerkmärkte charakteristischen Konzentrationstendenzen<br />

haben <strong>zur</strong> Konsequenz, dass die<br />

strategischen Optionen von Unternehmen größer werden,<br />

mittels unilateraler Geschäftspraktiken die Wettbewerbsbedingungen<br />

auf dem relevanten Markt oder<br />

auf komplementären Teilmärkten signifikant zu ihren<br />

Gunsten zu beeinflussen. Dies gilt natürlich umso<br />

mehr, je marktbeherrschender ein Anbieter ist. Schwierig<br />

zu beurteilen ist allerdings, ab wann eine einseitige<br />

unternehmerische Handlung als wettbewerbswidrig zu<br />

qualifizieren ist. Für eine Beurteilung relevant sind in<br />

diesem Zusammenhang vor allem folgende Komplexe:<br />

unilaterale Kompatibilitätsentscheidungen und Bündelung<br />

von Netzwerkkomponenten.<br />

229. Bei der unternehmerischen Entscheidung über<br />

den Kompatibilitätsgrad eines Produkts sind zwei gegenläufige<br />

Effekte abzuwägen: Je höher das Maß an<br />

Kompatibilität ist, desto stärker können nachfrageseitige<br />

Skaleneffekte realisiert werden, aber desto intensiver<br />

ist auch der Wettbewerbsdruck auf das eigene Produkt.<br />

Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Politik<br />

offener Standards aus gesamtwirtschaftlichen Effizienzgesichtspunkten<br />

heraus per se überlegen wäre. Eine<br />

Politik offener Standards bedeutet, die Schnittstellen<br />

des eigenen Programms offen legen zu müssen. Dies<br />

würde in fundamentaler Weise in geistige Eigentumsrechte<br />

eingreifen und die Realisation von Pioniergewinnen<br />

erschweren. Dadurch würden die Anreize für<br />

zukünftige Innovationen reduziert.<br />

230. Aufgrund der Bedeutung vertikaler Komplementaritätsbeziehungen<br />

als Ursache von Netzwerkeffekten<br />

im Softwarebereich sind Bündelungspraktiken<br />

nicht ungewöhnlich. Mehr noch: Unter Effizienzgesichtspunkten<br />

gibt es eine Reihe guter Gründe für die<br />

Komponentenbündelung: So können Unternehmen<br />

beispielsweise mögliche Synergieeffekte in der Programmentwicklung<br />

oder im Vertrieb realisieren. Darüber<br />

hinaus kann Bündelung als Instrument dienen, die<br />

Reputation des eigenen Produkts zu sichern und den<br />

Nutzern die Qualität zu signalisieren. Dies ist in den<br />

Fällen relevant, in denen eventuelle Mängel eines Produkts<br />

aus Sicht der Verbraucher nicht auf einzelne<br />

Komponenten <strong>zur</strong>ückgeführt werden können.

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