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Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 14/4792 – 140 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode<br />

junge technologieorientierte Unternehmen, qualifiziertes<br />

Personal zu attrahieren, von einer Bevorzugung dieser<br />

Entlohnungsformen ist aus steuersystematischen<br />

Gründen allerdings abzusehen.<br />

Exkurs I: Netzwerkeffekte und Wettbewerb in der<br />

Softwareindustrie<br />

223. Die Märkte der Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

weisen eine Reihe bedeutender Gemeinsamkeiten<br />

auf. Hierzu zählen vor allem eine hohe<br />

Innovationsdynamik sowie ein signifikantes Potential<br />

für angebotsseitige und nachfrageseitige Skaleneffekte.<br />

Diese Faktoren haben direkte Implikationen für<br />

die Wettbewerbsintensität und damit für die Marktstruktur:<br />

Während die beobachtbaren kurzen Produktzyklen<br />

über intensiven Wettbewerb einer Zementierung<br />

bestehender Marktanteile entgegenwirken,<br />

begünstigen Skaleneffekte in der Tendenz eine Konzentration<br />

auf wenige Anbieter. Skaleneffekte auf der<br />

Angebotsseite, das heißt Größenvorteile durch Stückkostendegression,<br />

sind keine Begleiterscheinung nur<br />

der Märkte der Neuen Ökonomie; nachfrageseitige<br />

Skaleneffekte, auch Netzwerkeigenschaften genannt,<br />

spielen hingegen in den Bereichen Information und<br />

Kommunikation eine weitaus stärkere Rolle als in den<br />

traditionellen Industrien. Auch in der Softwareindustrie<br />

kommt Netzwerkeffekten eine entscheidende Bedeutung<br />

zu.<br />

Angebotsseitige Skaleneffekte in der Softwareproduktion<br />

haben ihre Ursache in den hohen Fixkosten der<br />

Entwicklung eines Programms verglichen mit den geringen<br />

Kosten der Vervielfältigung und des Vertriebs.<br />

Die Netzwerkeigenschaften beruhen demgegenüber<br />

auf den spezifischen Eigenschaften der Nachfrage nach<br />

Softwareprodukten. Von besonderer Relevanz sind<br />

dabei Produktkomplementaritäten. So sind beispielsweise<br />

das Betriebssystem und die Anwendungssoftware<br />

eines Computers komplementäre Produkte: Die<br />

Nachfrage nach einem Betriebssystem hängt nicht nur<br />

vom Preis und der Leistungsfähigkeit des Systems<br />

selbst ab, sondern auch davon, wie weit dieses System<br />

verbreitet ist. Der Verbreitungsgrad wiederum ist umso<br />

höher, je mehr Anwendungssoftware für das Betriebssystem<br />

existiert. Genauso steigt die Nachfrage nach einem<br />

Anwendungsprogramm, wenn die Verkaufszahl<br />

des komplementären Betriebssystems zunimmt. Komplementarität<br />

für sich genommen ist jedoch nicht hinreichend;<br />

erst wenn komplementäre Komponenten<br />

technisch miteinander kompatibel sind, kommen die<br />

typischen Netzwerkeffekte zum Tragen.<br />

Kompatibilität zwischen Softwarekomponenten oder<br />

zwischen Betriebssystem, Anwendungsprogrammen<br />

und Hardware wird technisch ermöglicht über entsprechende<br />

Schnittstellen. Die Entscheidungen über das<br />

Ausmaß an Kompatibilität sind auf Netzwerkmärkten<br />

jedoch nicht primär technisch determiniert, sondern<br />

vielmehr strategischer Natur, denn sie bestimmen<br />

maßgeblich den Grad an Konkurrenz für das eigene beziehungsweise<br />

den Grad an Komplementarität mit dem<br />

eigenen Produkt, beeinflussen demnach in bedeutender<br />

Weise die Wettbewerbsintensität und das Ausmaß realisierbarer<br />

Netzwerkeffekte. Damit werden insbesondere<br />

die Entscheidungen eines dominierenden Anbieters<br />

über den Kompatibilitätsgrad des eigenen Produkts<br />

unmittelbar wettbewerbspolitisch relevant.<br />

224. Die Tendenz zu Dominanz eines oder weniger<br />

Anbieter ist auf Märkten mit Netzwerkeffekten nicht<br />

von vornherein negativ zu beurteilen. Die Verbraucher<br />

haben aufgrund der Realisation nachfrage- und angebotsseitiger<br />

Skaleneffekte Preisvorteile. Zudem bildet<br />

sich im Ergebnis ein weitgehend einheitlicher Produktstandard<br />

heraus. Auch das kommt den Verbrauchern<br />

zugute, wie sich in den vergangenen Jahren am Beispiel<br />

des den PC-Markt dominierenden Standards aus<br />

Windows-Betriebssystem und Intel-Prozessortechnologie<br />

gezeigt hat. Für diesen Standard existiert eine<br />

Fülle kompatibler Anwendungsprogramme, wodurch<br />

der Datenaustausch vereinfacht und die Lernkosten der<br />

Nutzer verringert wurden. Die zunehmende Nutzung<br />

des Computers hat durch diesen Standardisierungseffekt<br />

einen wesentlichen Schub erfahren und über den<br />

zunehmenden Einsatz des Computers in nahezu allen<br />

Bereichen des Arbeitsalltags einen positiven Einfluss<br />

auf die gesamtwirtschaftliche Produktivitätsentwicklung<br />

ausgeübt.<br />

225. Allerdings birgt die Tendenz <strong>zur</strong> Marktdominanz<br />

eines oder weniger Anbieter auch Gefahren für<br />

die Allokationseffizienz: Die mit Netzwerkeffekten<br />

verbundenen Lock-in-Effekte erschweren es späteren<br />

Wettbewerbern, Marktanteile zu gewinnen, selbst<br />

wenn sie ein qualitativ besseres Produkt anbieten. Das<br />

heißt nicht, dass ein marktbeherrschender, standardsetzender<br />

Anbieter nicht verdrängt werden kann. Die Geschichte<br />

der Computer- und Softwareindustrie lehrt,<br />

dass auch Netzwerkmärkte prinzipiell bestreitbar sind.<br />

Die Bestreitbarkeit ist allerdings schwieriger als auf<br />

Märkten ohne Nachfrageexternalitäten. Damit entsteht<br />

die paradoxe Situation, dass die Computer- und Softwareindustrie,<br />

die als Schlüsseltechnologie der Neuen<br />

Ökonomie verantwortlich ist für eine Intensivierung<br />

des Wettbewerbs in anderen Bereichen der Volkswirtschaft,<br />

in ihrem ureigenen Bereich – und nicht zuletzt<br />

gerade wegen ihrer zunehmenden gesamtwirtschaftlichen<br />

Bedeutung – immanenten Wettbewerbsgefährdungen<br />

unterliegt. Mit dem Gerichtsverfahren gegen<br />

das Unternehmen Microsoft, das mit dem Programm<br />

Windows den Markt für Betriebssysteme dominiert,<br />

wurde diese Problematik einer breiteren Öffentlichkeit<br />

vor Augen geführt (Ziffern 232 ff.).<br />

Von wettbewerbspolitischer Relevanz für den Softwarebereich<br />

sind vor allem Fragen im Zusammenhang<br />

mit Fusionen, der Standardsetzung sowie eines einseitig<br />

wettbewerbswidrigen Verhaltens seitens eines dominierenden<br />

Unternehmens.

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