Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 203 – Drucksache 14/4792<br />
– entweder eine Quellensteuer mit einem einheitlichen<br />
Satz auf inländische und ausländische Kapitalerträge<br />
zu erheben<br />
– oder Kontrollmitteilungen an die Finanzbehörden<br />
der Wohnsitzländer der Kapitalanleger zu machen.<br />
Im ersten Fall wäre das Quellenprinzip, im zweiten das<br />
Wohnsitzprinzip verwirklicht worden, was zu unterschiedlicher<br />
Verteilung des Steueraufkommens geführt<br />
hätte. Dies und unterschiedliche Positionen zu Kontrollmitteilungen<br />
und damit zum Bankgeheimnis haben<br />
die erforderliche einstimmige Verabschiedung einer entsprechenden<br />
Richtlinie über Jahre hinweg verhindert.<br />
Auf dem EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in<br />
Santa Maria da Feira (Portugal) am 19./20. Juni <strong>2000</strong><br />
hat man sich nun grundsätzlich auf die zweite Position<br />
geeinigt: Binnen zweier Jahre soll eine Richtlinie verabschiedet<br />
werden, die einen Informationsaustausch<br />
zwischen den Mitgliedsländern vorsieht. Bis zum Jahre<br />
2<strong>01</strong>0 dürfen die Länder allerdings auch eine Quellenbesteuerung<br />
praktizieren. Auf Drängen Luxemburgs ist<br />
der Übergang zum Informationsaustausch jedoch daran<br />
geknüpft, dass Drittländer (Vereinigte Staaten,<br />
Schweiz, Liechtenstein, Monaco und Andorra) vergleichbare<br />
Regelungen einführen. Die Schweiz hat bereits<br />
erklärt, dass sie die Aufhebung des Bankgeheimnisses<br />
nicht plane. Österreich will das in seiner<br />
Verfassung verankerte Bankgeheimnis und Deutschland<br />
den in § 30a Abgabenordnung festgelegten<br />
Verzicht auf Kontrollmitteilungen jeweils nur für<br />
Ausländer aufheben. Ob die damit verbundene Diskriminierung<br />
von EU-Bürgern vom Europäischen Gerichtshof<br />
zugelassen wird, bleibt vorerst abzuwarten.<br />
Man muss deshalb davon ausgehen, dass die Beschlüsse<br />
von Feira das Problem der Zinsbesteuerung<br />
nicht lösen werden.<br />
375. Angesichts dieser Sachlage sollte die Bundesregierung<br />
den Weg einer nationalen Lösung beschreiten<br />
und eine moderate Abgeltungssteuer auf Zinsen erheben,<br />
wie sie der Sachverständigenrat bereits wiederholt<br />
<strong>zur</strong> Diskussion gestellt hat (erstmals JG 91 Ziffer 355).<br />
Dabei werden Zinseinkünfte an der Quelle mit einer<br />
proportionalen Steuer belegt. Nach der Senkung der<br />
Einkommensteuersätze im Rahmen der Steuerreform<br />
wäre an einen Satz von etwa 20 vH zu denken. Die<br />
Steuerpflichten des Kapitalanlegers wären damit abgegolten;<br />
es handelt sich also um eine Definitivbesteuerung.<br />
Bei einer Veranlagung <strong>zur</strong> Einkommensteuer<br />
würden demnach die Zinseinkünfte nicht mehr berücksichtigt;<br />
die gezahlte Abgeltungssteuer könnte – anders<br />
als der heutige Zinsabschlag – auch nicht auf die Einkommensteuerschuld<br />
angerechnet werden. Von einer<br />
solchen Abgeltungssteuer erwartet man, dass wegen<br />
des vergleichsweise niedrigen Steuersatzes der Anreiz<br />
<strong>zur</strong> Steuerhinterziehung über Auslandsanlagen vermindert<br />
würde. Die guten Erfahrungen Österreichs mit einer<br />
solchen Abgeltungssteuer scheinen dies zu bestätigen.<br />
Die Abgeltungssteuer entspricht zwar nicht den Anforderungen<br />
an eine synthetische Einkommensteuer, da<br />
auf diese Weise eine Einkunftsart aus der einheitlichen<br />
Besteuerung herausgenommen wird. Allerdings lässt<br />
sich die systematisch gebotene Besteuerung im Bereich<br />
der internationalen Faktoreinkommen nicht unilateral<br />
durchsetzen. Zur Sicherung der Steueransprüche des<br />
Staates und einer Eindämmung der steuerlichen Ungerechtigkeit<br />
scheint hier ein „systematisches Opfer“<br />
vertretbar zu sein. Es handelt sich um einen steuerpolitischen<br />
Kompromiss; die Steuer ist einfach zu praktizieren,<br />
und sie wird den fiskalischen Zielen der Besteuerung<br />
eher gerecht als der heutige Zustand.<br />
Umsatzsteuer auf Internet-Leistungen?<br />
376. Um den Konflikt zwischen steuersystematisch<br />
Erforderlichem und steuertechnisch Durchsetzbarem<br />
geht es auch in einem anderen Bereich: der Besteuerung<br />
des elektronischen Geschäftsverkehrs im Rahmen<br />
der Umsatzsteuer. Dabei sind zunächst zwei Fälle zu<br />
unterscheiden: Die Regelungen der Umsatzsteuer sind<br />
problemlos auf solche Transaktionen anzuwenden, bei<br />
denen physische Güter gehandelt werden (Offline-Geschäfte).<br />
Schwierigkeiten bereiten dagegen Transaktionen,<br />
bei denen zum Beispiel Software, Musik und<br />
Videos als digitale Güter aus dem Internet heruntergeladen<br />
werden (Online-Geschäfte).<br />
Wettbewerbspolitische Gründe sprechen eindeutig dafür,<br />
auch Online-Transaktionen zu besteuern. Zwar wird gelegentlich<br />
dafür plädiert, diese Leistungen grundsätzlich<br />
von der Umsatzsteuer freizustellen, um die technische<br />
Entwicklung und den Übergang <strong>zur</strong> Neuen Ökonomie zu<br />
fördern. Dies ist jedoch nicht überzeugend: Die Umsatzsteuer<br />
ist eine allgemeine Verbrauchssteuer, die nicht <strong>zur</strong><br />
Förderung einzelner Vertriebswege eingesetzt werden<br />
sollte.<br />
377. Das Problem ist die steuertechnische Durchsetzbarkeit<br />
der Besteuerung des elektronischen Geschäftsverkehrs<br />
und die Verteilung des Steueraufkommens aus<br />
einer solchen Besteuerung. Hierbei sind verschiedene<br />
Fälle zu unterscheiden:<br />
– Nationale Leistungen, bei denen Anbieter und<br />
Nachfrager ihren Standort in Deutschland haben,<br />
sind einfach zu erfassen. Da im nationalen Bereich<br />
die Umsatzsteuer nach dem Ursprungslandprinzip<br />
erhoben wird und bundeseinheitliche Steuersätze<br />
gelten, kann es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen<br />
kommen. Das Steueraufkommen fällt gemäß dem<br />
Prinzip des örtlichen Aufkommens beim Anbieter<br />
an und wird nach den geltenden Verteilungsprinzipien<br />
auf Bund, Länder und Gemeinden verteilt.<br />
– Beim innergemeinschaftlichen Handel haben<br />
Anbieter und Nachfrager ihren Standort in verschiedenen<br />
Staaten der Europäischen Union. Hier<br />
gilt derzeit für den Unternehmensbereich das<br />
Bestimmungslandprinzip; innergemeinschaftliche