Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 14/4792 – 26 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode<br />
zeitig Feuerwehr, Architekt und Bauunternehmer ist,<br />
entwickeln sollte. Wer entwicklungspolitische Ziele<br />
und Armutsbekämpfung ernst nimmt, muss an einer effizienten<br />
Arbeitsteilung der Bretton-Woods-Institutionen<br />
interessiert sein. Eine klare Fokussierung des Internationalen<br />
Währungsfonds auf die in seinen Statuten<br />
festgelegten Aufgabenbereiche ist hierfür eine Grundvoraussetzung.<br />
Exkurs: Zur Bedeutung der Aktienpreisentwicklung<br />
54. Seit dem Ende der Achtzigerjahre haben sich die<br />
Preise für Aktien in den Vereinigten Staaten und in<br />
Deutschland nahezu vervierfacht (Schaubild 3). Auch<br />
wenn es seit dem Frühjahr <strong>2000</strong> zu nennenswerten<br />
Korrekturen an den Aktienmärkten kam, verblieben die<br />
Kurse historisch gesehen auf hohem Niveau. In Japan<br />
dagegen stagnieren die Aktienkurse seit Beginn der<br />
Neunzigerjahre und verzeichnen bislang keine nachhaltige<br />
Trendwende.<br />
Vielfach wird die Befürchtung geäußert, das an<br />
den Aktienmärkten erreichte Kursniveau könne auf<br />
eine spekulative Übertreibung <strong>zur</strong>ückzuführen sein –<br />
gleichsam eine Aktienpreisinflation (Asset Price<br />
Inflation) darstellen. Ist dies der Fall, dann können daraus<br />
Gefahren für die allgemeine Preisniveauentwicklung<br />
resultieren, wenn eine vermögensbedingt stärkere<br />
Nachfrage nach Konsumgütern bei stark ausgelasteten<br />
Produktionskapazitäten auf Angebotsengpässe stößt.<br />
Außerdem gäbe es ein erhöhtes Risiko abrupter Korrekturen<br />
in der Bewertung verbunden mit empfindlichen<br />
Kursrückschlägen, was gravierende Folgen für<br />
die realwirtschaftlichen Aktivitäten hätte.<br />
Bewertung von Finanzaktiva<br />
55. Um eine mögliche spekulative Übertreibung von<br />
einer durch Änderungen in den fundamentalen Preisdeterminanten<br />
gerechtfertigten höheren Bewertung unterscheiden<br />
zu können, ist eine Vorstellung darüber<br />
notwendig, was fundamentale Preise sind. Langfristig<br />
spiegeln Aktienpreise den Barwert der zukünftigen<br />
Einkommen wider, die sich unter Berücksichtigung der<br />
verlangten Risikoprämie, der Höhe des Zinses auf eine<br />
risikofreie Alternativanlage und der Gewinnerwartung<br />
ergeben. Von einer Überbewertung kann gesprochen<br />
werden, wenn Aktienkurse den Barwert der zukünftig<br />
erwarteten Erträge um mehr als das Ausmaß überschreiten,<br />
das durch die Existenz einer als historisch<br />
„normal“ erachteten Risikoprämie gerechtfertigt ist.<br />
Somit lässt bei Annahme einer bestimmten Gewinnerwartung<br />
die in den laufenden Kursen berücksichtigte<br />
Risikoprämie durch einen Vergleich mit ihren langfristigen<br />
Durchschnittswerten eine Aussage zu, ob die aktuellen<br />
Kurse gerechtfertigt sind. Gleiches gilt für die<br />
Gewinnerwartung bei Annahme einer bestimmten Risikoprämie.<br />
Eine solche Betrachtungsweise setzt allerdings<br />
voraus, dass über einen längeren Zeitraum die<br />
Fundamentalfaktoren in einer Volkswirtschaft auf die<br />
für die Kursentwicklung an der Börse relevanten Variablen<br />
durchschlagen.<br />
56. Diesen Bewertungsmaßstab zugrunde gelegt, bewegten<br />
sich, nach Berechnungen des Internationalen<br />
Währungsfonds und der OECD, die durch die Kursniveaus<br />
führender Aktienindizes implizierten Dividendenerwartungen<br />
in nahezu allen OECD-Ländern in der<br />
zweiten Hälfte der Neunzigerjahre weit oberhalb und<br />
die Risikoprämien weit unterhalb ihrer historischen<br />
Durchschnittswerte. Ein Vergleich der für den Zeitraum<br />
1980 bis 1999 durchschnittlich beobachtbaren Werte<br />
für die Risikoprämie beziehungsweise die Gewinnerwartung<br />
mit denjenigen des ersten Quartals 1999 sowie<br />
des Gesamtjahres 1999 ergibt deutliche Indizien einer<br />
Überbewertung für die Vereinigten Staaten und in abgeschwächter<br />
Form für Deutschland. Selbst in Japan<br />
lag danach die implizite Risikoprämie im Gesamtjahr<br />
1999 trotz ausbleibender konjunktureller Aufhellung<br />
bereits wieder unter ihrem historischen Durchschnitt<br />
(Tabelle 10, Seite 28).<br />
57. Bei diesen traditionellen Indikatoren bleibt allerdings<br />
außer Betracht, dass sie kaum auf junge, erst kurz<br />
am Markt notierte Unternehmen mit zunächst negativer<br />
Gewinnsituation anwendbar sind. In der Praxis haben<br />
sich bereits neue Kennziffern durchgesetzt, die im<br />
Wesentlichen auf die Wettbewerbsposition und den<br />
Marktanteil des Unternehmens rekurrieren. Hierzu<br />
zählt das Kurs/Umsatz-Verhältnis. Auch Ansätze, die<br />
Faktoren wie beispielsweise das Humankapital berücksichtigen,<br />
werden vermehrt im Rahmen erweiterter<br />
Bewertungsverfahren eingesetzt. Ferner sprechen verschiedene<br />
Gründe dafür, dass beispielsweise die Gewinnerwartung<br />
auch fundamental bedingten Schwankungen<br />
ausgesetzt sein kann: So kann die Einführung<br />
neuer Technologien unter Umständen auch langfristig<br />
überdurchschnittliche Wachstumsraten für einzelne<br />
Sektoren ermöglichen (Ziffern 198 ff.).<br />
Für die Beurteilung der Entwicklung an den Aktienmärkten<br />
ist zudem von Bedeutung, welchen Anteil die<br />
börsennotierten Unternehmen an der Gesamtzahl der<br />
Unternehmen in einer Volkswirtschaft haben. Je höher<br />
dieser Anteil ist, desto verlässlicher könnten steigende<br />
Aktienpreise aufgrund zukünftig erwarteter höherer<br />
Gewinne einen beschleunigten Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts<br />
indizieren. Empirische Studien für die<br />
Vereinigten Staaten und Japan kommen zu dem Ergebnis,<br />
dass Veränderungen in den Aktienpreisen Informationen<br />
über die zukünftige wirtschaftliche Aktivität<br />
liefern. Ein starker Kursanstieg im Vorlauf der Konjunktur<br />
wäre somit nicht notwendigerweise als Überbewertung<br />
zu interpretieren.<br />
Die Einschätzung einzelner Variablen kann also in einem<br />
kurzen Zeitintervall erheblichen Schwankungen<br />
ausgesetzt sein. Insbesondere können sich eine implizite<br />
Risikoprämie beziehungsweise die Erwartung<br />
eines zukünftigen Gewinnwachstums schnell wandeln.