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Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 183 – Drucksache 14/4792<br />

und die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

stimmen. Wie weit eine Volkswirtschaft hierbei<br />

vorangekommen ist, zeigen Indikatoren wie die Internet-Dichte<br />

in Unternehmen, Verwaltung und privaten<br />

Haushalten, die Ausgaben für Information<br />

und Kommunikation in Relation zum Bruttoinlandsprodukt,<br />

das Expansionstempo im elektronischen<br />

Handel, die Dynamik bei Unternehmensgründungen,<br />

die Mobilisierung von Risikokapital für die<br />

neuen Aktivitäten. Die Vereinigten Staaten haben<br />

bisher veranschaulicht, welche zusätzlichen Möglichkeiten<br />

für die Verwirklichung gesamtwirtschaftlicher<br />

Ziele die Neue Ökonomie eröffnen<br />

kann: Das Wirtschaftssystem steigert Effizienz und<br />

Produktivität und verarbeitet Angebots- und Nachfrageschocks<br />

vergleichsweise elastisch; das gesamtwirtschaftliche<br />

Produktionspotential wächst<br />

schneller, der Strukturwandel verläuft reibungsloser,<br />

die Chancen für eine stetige Entwicklung von<br />

Produktion und Beschäftigung bei hohem Auslastungsgrad<br />

ohne inflationäre Verspannungen verbessern<br />

sich. Dass sich eine Volkswirtschaft mit<br />

solchen Entwicklungsparametern sehr attraktiv<br />

macht für das Sachkapital und für hoch qualifizierte<br />

Arbeitskräfte und sich auf diese Weise noch mehr<br />

Expansionskraft verschafft, das liegt auf der Hand<br />

und wird ebenfalls durch die jüngsten Erfahrungen<br />

in den Vereinigten Staaten belegt.<br />

327. Deutschland, so scheint es, liegt wie andere EU-<br />

Länder bei dieser Entwicklung noch <strong>zur</strong>ück. Die Bundesregierung<br />

weiß aber um die enormen Zukunftschancen<br />

für das Land, die über die Neue Ökonomie<br />

freigesetzt werden, und hat versprochen, den Übergang<br />

in die Wissens- und Informationsgesellschaft tatkräftig<br />

zu fördern. Im gleichen Sinne hat sich der Europäische<br />

Rat der Staats- und Regierungschefs auf einem Sondergipfel<br />

im März dieses Jahres in Lissabon festgelegt.<br />

Es sollte freilich niemand meinen und bei niemandem<br />

die Erwartung wecken, die Neue Ökonomie sei durch<br />

den Staat direkt „machbar“. Das war sie auch nicht in<br />

den Vereinigten Staaten, wo vielmehr eine günstige<br />

Konstellation von Rahmenbedingungen (von umfassend<br />

deregulierten Produktions- und Dienstleistungsaktivitäten<br />

über sehr flexible Arbeitsmarktstrukturen<br />

bis hin zu moderaten Steuer- und Abgabenbelastungen<br />

und einer niedrigen Staatsquote) einen sich selbst tragenden<br />

Prozess von Innovation und Diffusion auf der<br />

Grundlage der neuen Basistechnologie angetrieben hat.<br />

Anders gewendet: Die Neue Ökonomie ist ein Produkt<br />

des privaten Sektors.<br />

328. Damit sich in und mit der Neuen Ökonomie dynamisch<br />

entfalten kann, was im Sinne des Wachstumsziels<br />

und des Beschäftigungsziels Antriebskraft sein soll,<br />

müssen die Anreize für das Handeln des Einzelnen leistungsfreundlich<br />

gesetzt sein und der freie Wettbewerb<br />

gestärkt werden. Dies macht die Deregulierungspolitik<br />

in diesem Zusammenhang zu einer der wichtigsten Aufgaben<br />

des Staates. Nachdem die Marktöffnungen der<br />

letzten Jahre gesamtwirtschaftlich überwiegend positive<br />

Wirkungen gezeigt haben – am eindrucksvollsten die gegen<br />

große Widerstände durchgesetzte Liberalisierung<br />

der Telekommunikation –, wäre jetzt von der Regierung<br />

und dem Gesetzgeber zu wünschen, dass der Abbau von<br />

speziellen Regulierungen entschlossen fortgesetzt wird.<br />

In der Regel liegt in den regulierten Bereichen weder ein<br />

Marktversagen noch ein Wettbewerbsversagen vor, das,<br />

allokationstheoretisch wohlbegründet, regulierungsbedürftig<br />

wäre; und die jeweiligen Regulierungen stellen<br />

auch nicht die am besten geeignete Methode dar, um,<br />

wie behauptet, konkrete beschäftigungs- und sozialpolitische<br />

Ziele zu erreichen.<br />

329. Vor dem Hintergrund der Neuen Ökonomie stößt<br />

man schnell auf ein weites Feld von speziellen Regulierungen,<br />

die auf den Prüfstand gehören:<br />

– Das beginnt mit so alten Regelungen wie dem Ladenschlussgesetz,<br />

dem Rabattgesetz und der Zugabeverordnung;<br />

dass mit dem Vormarsch des elektronischen<br />

Handels und der damit einhergehenden<br />

Desintermediation diese Regulierungen unterlaufen<br />

werden, steht außer Frage; selbst die Buchpreisbindung<br />

auf dem deutschsprachigen Markt<br />

wird sich schwerlich lückenlos durchhalten lassen.<br />

Sinnvoll wäre es, durch Deregulierungen den Unternehmen<br />

zusätzliche Marktchancen zu eröffnen,<br />

den Arbeitnehmern zusätzliche Optionen für Teilzeitbeschäftigung,<br />

den Verbrauchern zusätzliche<br />

Wahlmöglichkeiten. Die von den Bundesländern<br />

zunächst angekündigte Initiative <strong>zur</strong> Lockerung der<br />

Ladenöffnungszeiten zielte in die richtige Richtung.<br />

Die Bundesregierung hat sich aber auf Drängen<br />

der Gewerkschaften und dem Vernehmen nach<br />

in der Hoffnung auf deren Kompromissbereitschaft<br />

in der Rentenpolitik entschieden, am Status quo<br />

festzuhalten; der Bundesrat hat im September ebenfalls<br />

beschlossen, alles beim Alten zu lassen. Zeitgemäß<br />

ist dieses Vorgehen nicht.<br />

– Überholungsbedürftig sind jene Regelungen in der<br />

deutschen Handwerksordnung, die die Ausübung<br />

einer selbständigen Tätigkeit und Betriebsübernahmen<br />

von einer erfolgreich abgeschlossenen Meisterprüfung<br />

abhängig machen. Solche Restriktionen<br />

des Marktzugangs passen nicht zu dem ansonsten<br />

von der Politik aus gesamtwirtschaftlichen Gründen<br />

zu Recht bekundeten Interesse an vermehrten<br />

Existenzgründungen. Passend wäre es hingegen,<br />

wenn gerade junge Menschen, die als Handwerker<br />

unternehmerisch tätig werden wollen, dies nach der<br />

abgeschlossenen Ausbildung als Gesellen auch<br />

dürften. Den Meisterbrief sollten sie nur benötigen,<br />

wenn sie zugleich auch junge Menschen beruflich<br />

ausbilden wollen, wie das in der Schweiz praktiziert<br />

wird, wenn also ganz spezifische, von der gewerblichen<br />

Tätigkeit unabhängige Befähigungen erforderlich<br />

sind. Auf freiwilliger Basis kann natürlich<br />

jedermann den Meisterbrief erwerben, der darin ein<br />

Gütesiegel sieht und sich daraufhin bessere Marktchancen<br />

verspricht. Da für die neuen Technologien<br />

auch in zahlreichen Bereichen des Handwerks lohnende<br />

Einsatzmöglichkeiten bestehen, wird das<br />

heutige Junktim zwischen der Befähigung <strong>zur</strong> Ausbildung<br />

und dem Recht auf selbständige Gewerbe-

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