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Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213 – Drucksache 14/4792<br />

die geringfügige Beschäftigung in ähnlichem Ausmaß<br />

auch vor der gesetzlichen Änderung bestanden haben.<br />

Die Daten sind noch mit Unsicherheiten belastetet, Revisionen<br />

sind nicht auszuschließen.<br />

409. Auch wenn die Situation in Bezug auf die Arbeitslosigkeit<br />

besser geworden ist: für den Arbeitsmarkt<br />

stellen sich in den nächsten Jahren beachtliche<br />

Herausforderungen – neue und teilweise auch alte, die<br />

in der Vergangenheit nicht angepackt worden sind. In<br />

der Neuen Ökonomie setzt sich mit den Informationsund<br />

Kommunikationstechnologien eine innovative<br />

Querschnittstechnologie durch, die die Arbeitswelt in<br />

der langen Frist in vielen Bereichen grundlegend verändern<br />

wird. Es ist davon auszugehen, dass sich die<br />

strukturelle Verschiebung in der Nachfrage nach Arbeitskräften<br />

zu Ungunsten der weniger Qualifizierten,<br />

die schon bei dem Wandel von der Industrie- <strong>zur</strong><br />

Dienstleistungsgesellschaft zu beobachten ist, fortsetzen<br />

und eher verschärfen wird. Dabei sind vom Arbeitsmarkt<br />

die Folgen des Umbruchs in der globalisierten<br />

Weltwirtschaft mit intensiverer Konkurrenz auf<br />

den Gütermärkten zu bewältigen. Auch der Standortwettbewerb<br />

um das mobile Kapital, insbesondere die<br />

mobile Technologie und die mobilen hoch qualifizierten<br />

Arbeitskräfte gegenüber anderen Ländern wird härter.<br />

Die wirtschaftspolitischen Instrumente dabei sind<br />

nicht allein die Steuern und die Infrastruktur. Die institutionellen<br />

Regeln, darunter das im internationalen<br />

Vergleich dichte Regelwerk für Arbeit, müssen sich in<br />

diesem Umfeld behaupten oder angepasst werden. Die<br />

Wirtschaftspolitik ist gefordert, angesichts der gravierenden<br />

Zielverfehlung der weiterhin hohen Arbeitslosigkeit<br />

mit einer geeigneten Konzeption auf diese Herausforderungen<br />

zu reagieren. Bisher hat sie um dieses<br />

Thema einen Bogen gemacht.<br />

410. In der Zukunft kann die Problematik der Arbeitslosigkeit<br />

zwar wegen der demographischen Entwicklung<br />

und der damit einhergehenden geringeren<br />

Zunahme des Arbeitsangebots grundsätzlich an Brisanz<br />

verlieren, wenn nicht – wie in diesem Jahr – durch<br />

eine gestiegene Erwerbsneigung das Arbeitsangebot<br />

zunimmt. Aber von dieser demographischen Entwicklung<br />

abgesehen, deutet nichts darauf hin, dass sich die<br />

Situation bei der Arbeitslosigkeit systematisch und von<br />

Grund auf verbessert hat: Die Diskrepanz zwischen der<br />

Arbeitslosenquote und der Quote der gemeldeten offenen<br />

Stellen ist im Vergleich zu den Siebziger- und<br />

Achtzigerjahren deutlich größer geworden (Ziffer 133).<br />

Die Arbeitslosigkeit liegt in Westdeutschland derzeit<br />

auf einem markant höheren Sockel, auf den sie schubweise<br />

in den drei Rezessionen der Siebziger- und Achtziger-<br />

und zu Anfang der Neunzigerjahre angestiegen<br />

ist. Vergleicht man die Entwicklung der Arbeitslosigkeit<br />

seit dem Tiefpunkt der letzten Rezession (im ersten<br />

Quartal 1993) mit dem Verlauf nach den Rezessionen<br />

der Siebziger- und der Achtzigerjahre, so ist der<br />

Anstieg der Arbeitslosenquote, gemessen in Prozentpunkten,<br />

in den Neunzigerjahren stärker ausgeprägt<br />

und dauert länger als in den beiden anderen Rezessionen<br />

vorher, und zwar unabhängig davon, ob für die<br />

Neunzigerjahre nur die Daten für Westdeutschland herangezogen<br />

werden oder die Daten für Deutschland<br />

insgesamt (Schaubild 40, Seite 214). So dauert es in den<br />

Neunzigerjahren etwa 20 Quartale nach dem Tiefpunkt<br />

der Rezession, ehe die Arbeitslosenquote wieder sinkt,<br />

während ein kontinuierlicher Rückgang in den beiden<br />

früheren Rezessionen schon nach zehn Quartalen zu<br />

beobachten war. Gleichzeitig geht in den Neunzigerjahren<br />

ein deutlich kräftigerer und länger andauernder<br />

Abbau von Arbeitsplätzen vor sich als nach den beiden<br />

Rezessionen in den Siebziger- und Achtzigerjahren.<br />

Dies gilt auch für Westdeutschland, wo Daten, und<br />

zwar nach dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher<br />

Gesamtrechnungen 1979 (ESVG 79), lediglich<br />

bis 1998 verfügbar sind. Schließlich setzt, anders als in<br />

den beiden Rezessionen vorher, der Aufbau von Beschäftigung<br />

erst nach 18 Quartalen ein. Eine Arbeitslosigkeit,<br />

die sich über eine sehr lange Zeit aufgebaut und<br />

verfestigt hat, kann nicht von heute auf morgen beseitigt<br />

werden. Es bedarf, um dem Ziel des hohen Beschäftigungsstands<br />

wieder nahe zu kommen, der Geduld<br />

und einer konsistenten Politik des langen Atems.<br />

411. Darauf zu vertrauen, dass sich die Probleme am<br />

Arbeitsmarkt durch den im Vergleich zu den Neunzigerjahren<br />

neuen Entlastungseffekt von der Arbeitsangebotsseite<br />

her und durch eine günstigere Konjunktur sozusagen<br />

von selbst lösen, wäre riskant und nicht<br />

verantwortungsgerecht. Die langfristige Reduzierung<br />

des Erwerbspersonenpotentials durch die demographische<br />

Entwicklung allein wird es nicht richten, zumal<br />

eine höhere Erwerbsneigung diesen Effekt zumindest in<br />

Teilen konterkarieren kann. Gerade in einer guten Konjunkturlage<br />

gilt es, die Weichen dauerhaft auf mehr Beschäftigung<br />

zu stellen. Vor allem kommt es darauf an,<br />

die Bedingungen so zu gestalten, dass die Nachfrage der<br />

Unternehmen nach Arbeitskräften nicht geschwächt,<br />

sondern nachhaltig gestärkt wird. Dabei sind gleichzeitig<br />

die Voraussetzungen dafür herzustellen, dass sich die<br />

Neue Ökonomie gut entfalten kann und dass die von ihr<br />

zu erwartenden positiven Wirkungen für die Beschäftigung<br />

nutzbar gemacht werden können.<br />

Moderate Lohnpolitik – ein Anfang ist gemacht<br />

412. Der Sachverständigenrat hat wiederholt gefordert,<br />

den Zuwachs im Produktivitätsspielraum nicht allein<br />

für die Erhöhung der Einkommen zu nutzen, sondern<br />

auch für die Mehrung der Beschäftigung<br />

einzusetzen. Genau dies ist in diesem Jahr geschehen.<br />

In der auf zwei Jahre ausgerichteten Lohnrunde wurde<br />

ein Anstieg der Tarifverdienste für das Jahr <strong>2000</strong> von<br />

2,2 vH vereinbart, für 20<strong>01</strong> ist nach den bestehenden<br />

Abschlüssen eine ähnliche Größenordnung angelegt.<br />

Die Tarifanhebungen bleiben unter der trendmäßigen<br />

Zuwachsrate der Arbeitsproduktivität pro Stunde. Damit<br />

hat die Tarifpolitik dazu beigetragen, dass die<br />

Nachfrage nach Arbeitskräften gestärkt wird und die<br />

Beschäftigung sich günstiger entwickeln kann. Das ist<br />

zu begrüßen. Damit ist ein Anfang für eine stärker beschäftigungsorientierte<br />

Tarifpolitik gemacht.

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