Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 14/4792 – 120 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode<br />
Jahren zwischen rund 50 vH und 88 vH der jeweiligen<br />
westdeutschen Werte. Einzige Ausnahme ist der Bergbau;<br />
hier übertraf im Jahre 1999 die reale Arbeitsproduktivität<br />
die der westdeutschen Unternehmen um<br />
26 vH. Ursache dieses Produktivitätsvorsprungs sind<br />
jedoch regionale Strukturunterschiede: Der kostenintensive<br />
Steinkohlenbergbau ist im Westen konzentriert,<br />
in den neuen Ländern dagegen dominiert der im Abbau<br />
kostengünstigere Braunkohlentagebau.<br />
Tempo des sektoralen Strukturwandels<br />
182. Vor diesem Hintergrund wurden in der Öffentlichkeit<br />
Befürchtungen laut, dass die ostdeutsche Wirtschaft<br />
auf dem erreichten Konvergenzniveau verharren<br />
könnte. Hierfür spräche neben der Verlangsamung des<br />
Wachstumsprozesses auch die in den vergangenen Jahren<br />
beobachtbare Verringerung der Geschwindigkeit<br />
des sektoralen Strukturwandels. Nimmt man als Indikator<br />
dieses Strukturwandels die Abweichungen der<br />
realen Zuwachsraten einzelner Sektoren von der Zuwachsrate<br />
aller Wirtschaftsbereiche, zeigt sich – ausgehend<br />
von einer zunächst hohen Geschwindigkeit des<br />
sektoralen Strukturwandels in den neuen Bundesländern<br />
– ein Rückgang auf die westdeutschen Größenordnungen<br />
(Schaubild 30). Dies ist zum Teil verständlich,<br />
denn je weiter der Umbau der aus der Planwirtschaft<br />
übernommenen Strukturen voranschreitet und je<br />
erfolgreicher sich die ostdeutsche Volkswirtschaft in<br />
die internationale Arbeitsteilung integriert, desto ähnlichere<br />
Verlaufsprozesse zwischen Ostdeutschland und<br />
Schaubild 30<br />
vH<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
SR <strong>2000</strong> - 12 - 0578<br />
Tempo des sektoralen Strukturwandels 1)<br />
Neue Bundesländer 2)<br />
Früheres<br />
Bundesgebiet 2)<br />
1992 93 94 95 96 97 98 1999<br />
1) Summe der mit den Wertschöpfungsanteilen gewichteten quadrierten<br />
Abweichungen der Veränderungsrate n (in vH) der Brutto-<br />
wertschöpfung in Preisen von 1995 in elf Wirtschaftsbereichen von<br />
den<br />
Veränderungsrate n (in vH) aller Wirtschaftsbereiche.– 2) Ohne<br />
Berlin.<br />
Quelle für Grundzahlen: Arbeitskreis VGR der Länder<br />
vH<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Westdeutschland sind zu erwarten, und zwar unabhängig<br />
davon, ob das Tempo des Strukturwandels als solches<br />
angemessen ist oder nicht. Im Übrigen handelt es<br />
sich um eine sektoral hoch aggregierte Darstellung, die<br />
brancheninterne Wandlungsprozesse verdeckt.<br />
183. Gegenwärtig weist noch kein ostdeutsches<br />
Flächenland eine Arbeitsproduktivität auf, die auch nur<br />
annähernd der des Saarlands entspricht. Das Saarland<br />
ist das westdeutsche Land mit dem niedrigsten Bruttoinlandsprodukt<br />
je Erwerbstätigen. Brandenburg als<br />
ostdeutscher Spitzenreiter kommt auf 75 vH des Saarlands<br />
und auf 69 vH des westdeutschen beziehungsweise<br />
73 vH des gesamtdeutschen Durchschnitts. Eine<br />
Verringerung dieser Produktivitätslücke der ostdeutschen<br />
Wirtschaft ist die notwendige Voraussetzung<br />
für Realeinkommenszuwächse und Beschäftigungsgewinne.<br />
Die drückenden Arbeitsmarktprobleme würden<br />
so gemildert, und auch die anhaltend hohe Transferabhängigkeit<br />
der ostdeutschen Gesamtnachfrage könnte<br />
verringert werden. Von zentraler Bedeutung ist damit<br />
die Identifikation der den Konvergenzprozess hemmenden<br />
Faktoren.<br />
184. Für den gegenwärtigen Rückstand der ostdeutschen<br />
Arbeitsproduktivität gibt es eine Reihe von<br />
Gründen:<br />
– Die geringere Kapitalintensität der ostdeutschen<br />
Produktion. Das Institut für Wirtschaftsforschung<br />
Halle schätzt in aktuellen Untersuchungen eine<br />
durchschnittliche Kapitalintensität der ostdeutschen<br />
Wirtschaft in Höhe von rund 75 vH des Westniveaus.<br />
Solche Unterschiede können aus wachstumstheoretischer<br />
Sicht nicht erstaunen. Sie reflektieren<br />
unterschiedliche Faktorpreisverhältnisse, vor allem<br />
Unterschiede in der Lohn-Zins-Relation. So wuchs<br />
die Kapitalintensität der ostdeutschen Industrie insbesondere<br />
in den Jahren 1991 bis 1993. Dies war der<br />
Zeitraum, in dem umfangreiche, die Kapitalkosten<br />
begünstigende Förderprogramme und durch drastische<br />
Lohnerhöhungen induzierte Rationalisierungsinvestitionen<br />
deutliche Anreize für eine kapitalintensive<br />
Produktionsstruktur setzten. Nachdem<br />
später das Ausmaß der Subventionierung eingeschränkt<br />
wurde und über eine moderatere Tarifpolitik<br />
die schnelle Angleichung des ostdeutschen<br />
Lohnniveaus an das westdeutsche unwahrscheinlicher<br />
geworden ist, wurden für Investoren weniger<br />
kapitalintensive Produktionszweige rentabler.<br />
Diesen Untersuchungen zufolge erklärt die niedrigere<br />
Kapitalausstattung allerdings nur rund ein<br />
Sechstel der bestehenden Produktivitätslücke. Für<br />
einen sich selbst tragenden Konvergenzprozess<br />
spielt die Investitionsdynamik aber eine entscheidende<br />
Rolle. Aus diesem Grund muss bedenklich<br />
stimmen, dass genau diese Investitionsdynamik in<br />
den neuen Ländern seit Mitte der Neunzigerjahre<br />
merklich nachgelassen hat. So liegen pro Einwohner<br />
die Ausrüstungsinvestitionen – einschließlich<br />
der Sonstigen Anlagen – seit dem Jahre 1998 unter