Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 145 – Drucksache 14/4792<br />
schneller, kostengünstiger und kongruenter in Bezug<br />
auf das Anforderungsprofil in Einklang brachten,<br />
sodass sich die friktionelle Arbeitslosigkeit<br />
verringerte. Eine besondere Funktion kam hier<br />
dem Internet zu, das sowohl von Arbeitsuchenden<br />
als auch von Personalmanagern zunehmend genutzt<br />
wird: Setzten im Jahre 1996 erst 13 vH aller<br />
Personalmanager das Internet <strong>zur</strong> Suche geeigneter<br />
Arbeitskräfte ein, so waren es im Jahre 1998 bereits<br />
60 vH. Schätzungen zufolge lassen sich etwa<br />
0,5 Prozentpunkte der Reduzierung der inflationsstabilen<br />
Arbeitslosenquote auf die ausgeweitete<br />
Zeitarbeit und die Nutzung des Internets am Arbeitsmarkt<br />
<strong>zur</strong>ückführen.<br />
– Zur Erklärung der Reduktion der Inflationsrate<br />
kann auch beitragen, dass die Löhne rigider sind als<br />
die Güterpreise (Exkurs III: Neue Ökonomie – Herausforderungen<br />
an die Geldpolitik, Ziffern 240 ff.).<br />
Schwenkt die Volkswirtschaft von einem niedrigen<br />
auf einen höheren Produktivitätspfad ein, werden<br />
die Marktteilnehmer erst mit der Zeit lernen, dass<br />
sie sich in einem neuen Regime befinden. Zudem<br />
verhindert der Abschluss längerfristiger Lohnvereinbarungen<br />
eine zeitnahe Berücksichtigung von<br />
Produktivitätsveränderungen bei der Lohnfindung.<br />
Diese verzögerte Anpassung der Lohnentwicklung<br />
an die Produktivitätsentwicklung wirkt wie eine<br />
Senkung der NAIRU.<br />
239. Zusammengefasst: Die Neue Ökonomie kann in<br />
der Tat einen Beitrag <strong>zur</strong> Lösung des Phillipskurven-<br />
Rätsels in den Vereinigten Staaten in den Neunzigerjahren<br />
leisten. So hat die Arbeitsvermittlung über das<br />
Internet die Effizienz auf dem Arbeitsmarkt verbessert<br />
und darüber die NAIRU und die Inflationsrate gesenkt.<br />
Preissenkend hat auch die ständige Zunahme der Wettbewerbsintensität<br />
gewirkt. Beides sind wohl längerfristige<br />
Effekte. Die bedeutendste Wirkung auf die Inflation<br />
dürfte unter den Faktoren der Neuen Ökonomie<br />
allerdings die Unterschätzung der Produktivitätsentwicklung<br />
durch die Marktteilnehmer gehabt haben.<br />
Dieser Einfluss dürfte nur solange andauern, bis die<br />
höheren Produktivitätszuwächse auf die Nominallöhne<br />
und die Güterpreise durchwirken.<br />
Einen deutlich größeren Erklärungsbeitrag für das Ausbleiben<br />
des inflationären Drucks in den Vereinigten<br />
Staaten liefern andere, nicht im Zusammenhang mit der<br />
Neuen Ökonomie stehende Faktoren. Dabei handelt es<br />
sich vor allem um Angebotsschocks, die jedoch nur<br />
temporär dämpfend auf die Preisentwicklung wirkten.<br />
So ist der Anstieg des realen effektiven Wechselkurses<br />
seit Mitte 1998 abgeklungen. Die Rohölpreise haben<br />
bereits im vergangenen Jahr angezogen. Gleiches gilt<br />
für die Preise der übrigen Importgüter, und die Zuwachsraten<br />
der Lohnnebenkosten erhöhen sich mittlerweile<br />
wieder deutlich.<br />
Exkurs III: Neue Ökonomie – Herausforderungen<br />
an die Geldpolitik<br />
240. Unterstellt man, dass der technische Fortschritt<br />
bei den IuK-Technologien dauerhaft den Produktivitätszuwachs<br />
erhöht sowie die inflationsstabile Arbeitslosenquote<br />
senkt, dann kann die Neue Ökonomie<br />
als eine permanente Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen<br />
Angebotsbedingungen verstanden werden;<br />
über deren exaktes Ausmaß und Transmission auf<br />
die wesentlichen Größen der Volkswirtschaft herrscht<br />
noch Unsicherheit. Daraus ergeben sich neue Herausforderungen<br />
auch für die Geldpolitik.<br />
241. Unstrittig ist, dass ein dauerhaft höheres Produktivitätswachstum<br />
den gleichgewichtigen Realzins<br />
der Volkswirtschaft erhöht. So bewirkt der anhaltende<br />
technische Fortschritt einen höheren Grenzertrag der<br />
Investitionen in die neuen Technologien. Damit die dadurch<br />
ausgelöste zusätzliche Kapitalnachfrage befriedigt<br />
werden kann, muss der Realzins steigen. Es<br />
kommt zu einer Erhöhung des Produktionspotentials<br />
und seiner Wachstumsrate. Unstrittig ist ebenfalls, dass<br />
die Geldpolitik sich mit ihrer Zinspolitik an dieses neue<br />
Gleichgewicht anpassen muss. Bei langfristig unveränderten<br />
Inflationserwartungen bedeutet dies einen im<br />
gleichen Ausmaß gestiegenen gleichgewichtigen Nominalzins.<br />
Gleichzeitig kann die Geldpolitik den Zielwert<br />
für die Geldmenge nach oben an das gestiegene<br />
Produktionspotential anpassen. Die genaue Höhe des<br />
gleichgewichtigen Realzinses und die des neuen Zielwerts<br />
für die Geldmenge sind jedoch schwer quantifizierbar,<br />
denn sie hängen vom neuen Pfad des Potentialwachstums<br />
ab, der nur un<strong>zur</strong>eichend bekannt ist.<br />
242. Wie die Geldpolitik in der Übergangsphase zum<br />
neuen Gleichgewicht geführt werden sollte, ist nicht<br />
einfach zu beantworten. Eine wichtige Voraussetzung<br />
für eine erfolgreiche Stabilitätspolitik ist die korrekte<br />
Antizipation eines möglichen inflationären Drucks. In<br />
der Übergangsphase auf einen höheren Wachstumspfad<br />
determinieren das Zusammenspiel der Angebotsund<br />
Nachfrageeffekte sowie die Lohnfindung die zeitliche<br />
Entwicklung der relevanten makroökonomischen<br />
Größen, insbesondere der Inflationsrate.<br />
Das Ausmaß der einzelnen Effekte hängt im Wesentlichen von<br />
den Annahmen über die Erwartungsbildung der Marktteilnehmer<br />
und über die in der Wirtschaft vorhandenen Preisund<br />
Lohnrigiditäten ab. Plausibel ist, dass die Löhne rigider<br />
sind als die Güterpreise. Unterschätzen die Arbeitnehmer anfänglich<br />
das Ausmaß des Produktivitätswachstums oder verhindern<br />
längerfristige Lohnvereinbarungen eine sofortige<br />
Anpassung der Nominallohnzuwächse an das höhere Produktivitätswachstum,<br />
so dürfte der Angebotsschock anfangs<br />
zu einer Verringerung der Inflationsrate und zu einem Rückgang<br />
der Arbeitslosenquote unter die NAIRU führen. Wenn<br />
danach die Produktivitätsgewinne antizipiert und in die<br />
Lohnfindung einbezogen werden, kommt es zu steigenden<br />
Nominallohnzuwächsen. Dieser Effekt wird durch Engpässe<br />
auf dem Arbeitsmarkt verstärkt. Diese dürften sogar <strong>zur</strong>