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Jahresgutachten 2000/01 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 14/4792 – 200 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode<br />

angerechnet werden; in Höhe der Differenz verbleibt de facto<br />

eine Belastung mit Gewerbesteuer. Der durchschnittliche Hebesatz<br />

aller Kommunen liegt derzeit (1999) bei 389 vH; Hebesätze<br />

unter 180 vH kommen nur in 29 Gemeinden in den<br />

neuen Bundesländern vor, dort insbesondere in Brandenburg<br />

und in Mecklenburg-Vorpommern.<br />

Die Gemeinden können bei der jetzt eingeführten<br />

Regelung über ihr Hebesatzrecht die Höhe des Aufrechnungsbetrages<br />

nicht beeinflussen. Ihr Interesse am<br />

Aufkommen der Gewerbesteuer und damit an der Ansiedlung<br />

von Gewerbe bleibt erhalten.<br />

Das Bundesministerium der Finanzen ordnet die Steuerentlastung<br />

infolge der Anrechnung der Gewerbesteuer<br />

dem Einkommensteuerbereich zu, die Gewerbesteuer<br />

werde davon gar nicht betroffen. Der Gewerbesteuermessbetrag<br />

diene lediglich als Maßstab für die einkommensteuerliche<br />

Entlastung des Steuerpflichtigen. Folgt<br />

man dieser Version, dann ergeben sich sogleich neue<br />

Probleme: Die Regelung stellt dann einen weiteren Verstoß<br />

gegen die Konzeption der synthetischen Einkommensteuer<br />

dar.<br />

Auch die Verteilung des Steueraufkommens ändert sich:<br />

Soweit die Aufrechnung der Gewerbesteuer praktiziert<br />

wird, verringert sich das Aufkommen aus der Einkommensteuer,<br />

an dem Bund, Länder und Gemeinden beteiligt<br />

sind. Im Ergebnis wird eine Steuerverteilung erreicht,<br />

die in der Verfassung und im Finanzausgleichsgesetz so<br />

nicht vorgesehen ist. Das trägt weiter <strong>zur</strong> Intransparenz<br />

der Steuerverteilung in Deutschland bei und wird sicher<br />

bei der anstehenden Reform des Finanzausgleichs zu<br />

berücksichtigen sein (Ziffern 390 ff.).<br />

Ob die jetzt eingeführte Regelung verfassungsrechtlich<br />

überhaupt zulässig ist, wird möglicherweise das<br />

Bundesverfassungsgericht beschäftigen. Die Anrechnung<br />

führt im Ergebnis zu einer (weiteren) Beteiligung<br />

der Gemeinden an der Einkommensteuer. Wenn<br />

man dies wirklich will, hätte man konsequent den Weg<br />

einer Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer<br />

mit der Möglichkeit eines Hebesatzrechts<br />

gemäß Artikel 106 Absatz 5 GG gehen sollen. Neben<br />

der Einführung einer Wertschöpfungssteuer ist dies<br />

ein geeigneter Ersatz für den Wegfall der Gewerbesteuer.<br />

Unerledigte steuerpolitische Aufgaben<br />

363. Die steuerpolitische Debatte war in den letzten<br />

Jahren durch die Auseinandersetzungen um die Reform<br />

der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer dominiert.<br />

Dabei ist aus dem Blick geraten, dass auch andere<br />

steuerpolitische Fragen <strong>zur</strong> Lösung anstehen. Das<br />

gilt vor allem für die Besteuerung der Alterseinkommen,<br />

hierbei insbesondere die der Rentenzahlungen<br />

aus der Gesetzlichen Rentenversicherung, und für die<br />

Besteuerung der Kapitaleinkünfte. Die Entwicklung<br />

der neuen Informationstechnologien hat zudem neue<br />

steuerpolitische Fragen aufgeworfen, so zum Beispiel<br />

die der umsatzsteuerlichen Behandlung von Internet-<br />

Leistungen.<br />

Besteuerung der Rentenzahlungen?<br />

364. Die umlagefinanzierten Renten aus der Gesetzlichen<br />

Rentenversicherung werden derzeit analog zu<br />

den kapitalgedeckten Renten besteuert. Eine Rentenzahlung<br />

kann gedanklich in verschiedene Elemente<br />

zerlegt werden: den Beitragsrückfluss, eine Verzinsung<br />

(Ertragsanteil) und eine Umverteilungskomponente.<br />

Steuertechnisch wird der Ertragsanteil derzeit gemäß<br />

§ 22 EStG besteuert. Das entspricht der Regel, dass im<br />

System der synthetischen Einkommensteuer Zinseinkünfte<br />

besteuert werden müssen. Da die Transferelemente<br />

in der Rentenzahlung eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit<br />

darstellen, müssten auch sie besteuert<br />

werden; das geschieht jedoch derzeit nicht. Das eigentliche<br />

Problem bei der Rentenbesteuerung stellt die<br />

steuerliche Behandlung des Beitragsrückflusses dar.<br />

365. Rentenzahlungen beruhen auf Ansprüchen, die<br />

durch frühere Beitragszahlungen begründet worden<br />

sind. Es geht also um intertemporale Einkommensübertragungen.<br />

Für deren steuerliche Behandlung<br />

sollte das Korrespondenzprinzip beachtet werden: Das<br />

Lebenseinkommen einer Person ist einmal, aber auch<br />

nur einmal zu besteuern. Fraglich bleibt jedoch, zu welchem<br />

Zeitpunkt dies geschehen soll. Dafür gibt es verschiedene<br />

Ansätze:<br />

– Beiträge <strong>zur</strong> Gesetzlichen Rentenversicherung bleiben<br />

im Zeitpunkt der Beitragszahlung steuerfrei;<br />

der spätere Rückfluss der Beiträge unterliegt der<br />

Besteuerung (nachgelagertes Verfahren).<br />

– Beiträge <strong>zur</strong> Gesetzlichen Rentenversicherung werden<br />

aus versteuertem Einkommen gezahlt; der Beitragsrückfluss<br />

bleibt steuerfrei (vorgelagertes Verfahren).<br />

– Beiträge werden teilweise steuerfrei gestellt; der<br />

Beitragsrückfluss muss dann insoweit besteuert<br />

werden, als er der steuerfreien Beitragszahlung entspricht<br />

(gemischtes Verfahren).<br />

366. Derzeit wird in Deutschland eine Besteuerung<br />

praktiziert, die keinem der genannten Verfahren entspricht.<br />

Die Beitragszahlungen sind zum großen Teil<br />

steuerfrei: die Arbeitgeberbeiträge vollständig und die<br />

Arbeitnehmerbeiträge nur, soweit sie gemäß § 10 Absatz<br />

1 EStG als Sonderausgaben geltend gemacht werden<br />

können. Der Beitragsrückfluss ist generell steuerfrei.<br />

Im Ergebnis resultiert daraus eine steuerliche<br />

Begünstigung der Rentenzahlungen – vor allem auch<br />

im Verhältnis zu anderen Alterseinkünften. Die unterschiedliche<br />

steuerliche Behandlung wird Gegenstand<br />

einer erneuten, für den Beginn des nächsten Jahres erwarteten<br />

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes<br />

sein. Es ist nicht zu erwarten, dass durch das Urteil<br />

dem Gesetzgeber ein bestimmtes Verfahren der Besteuerung<br />

vorgeschrieben wird.

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