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Heft 02 Heft_02_2009.indb 1 16.2.2009 12:14:08 Uhr - qubus

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eines SVP-Hampelmanns und male ihm ohne zu überlegen einen<br />

Hitlerschnauz auf. Ausserdem setze ich meinen Namen auf den<br />

20-Minutenbehälter beim Bahnhof, als ich diesen endlich erreiche.<br />

Ein kurzer Blick nach links und rechts, um zu sehen, ob<br />

jemand kommt, und ich ziehe mir meine Sturmmaske über den<br />

Kopf und springe auf die Geleise. Nun ist es nicht mehr weit. Den<br />

Ort, an dem ich malen will, habe ich natürlich schon vorher ausgewählt.<br />

Ich war am Tag vorher schon dort und habe ihn ausgekundschaftet.<br />

Gibt es Kameras Ist eine von der Polizei befahrene<br />

Strasse in der Nähe Wo kann ich am schnellsten abhauen, wenn<br />

ich müsste Ich selbst schätze mich als vorsichtig ein, was solche<br />

Dinge betrifft. Es gibt auch Leute, die sich solche Fragen gar<br />

nicht erst stellen und einfach ans Werk gehen. Bei denen ist es aber<br />

(wahrscheinlich) nur eine Frage der Zeit, bis sie angezeigt oder<br />

gar von der Polizei erwischt werden. Leider musste ich dies auch<br />

schon am eigenen Leib erfahren. Darum bin ich heute viel vorsichtiger.<br />

Angekommen an meinem Ziel fällt mir die Kinnlade runter.<br />

Sie steht dort vor mir, die Umrisse im Mondlicht klar erkennbar,<br />

eine leerstehende S-Bahn. Ein Traum für jeden Sprayer. Wenn<br />

man die Chance hat sich auf einem Zug zu verwirklichen, bedeutet<br />

dies, dass sein Bild sozusagen mobil ist und von Leuten überall<br />

gesehen wird. Also: Planänderung! Von der Mauer auf den Zug.<br />

Ich stelle meine Dosen auf den Boden und ziehe die Handschuhe<br />

und Atemschutzmaske an. Ab diesem Moment scheint es, als ob<br />

jemand den Zeitrafferknopf gedrückt hätte. Je schneller das Bild<br />

fertig ist, desto besser. Jede Sekunde, die ich mehr brauche, ist<br />

eine Sekunde, in der plötzlich zwei Männer in Uniform hinter mir<br />

stehen könnten. Dieser Gedanke schwirrt mir immer im Kopf herum<br />

und treibt mich zum schnellen Arbeiten an. Natürlich ist mir<br />

trotzt des Stresses eine saubere Linienführung wichtiger als die<br />

Zeit, die ich dafür benötige, ich will ja nicht als Pfuscher wahrgenommen<br />

werden. Ich beginne damit die Form mit Chrom vorzuzeichnen,<br />

fülle sie danach mit der gleichen Farbe aus und beginne<br />

dann die Outlines zu ziehen mit dem Bitumenspray. Meine Augen<br />

und Ohren sind während des Malens, was die Wahrnehmung von<br />

Reizen betrifft, viel empfindlicher. Eigentlich weiss ich, dass mir<br />

<strong>Heft</strong>_<strong>02</strong>_<strong>2009.indb</strong> 136<br />

<strong>16.2.2009</strong> <strong>12</strong>:<strong>14</strong>:41 <strong>Uhr</strong>

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