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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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WIEBKE STEFFEN<br />

C. Kriminologische Befunde zur Reaktion auf und<br />

Intervention bei jungen Intensivtätern<br />

Wenn es denn schon nur äußerst unvollkommen gelingt, junge Intensivtäter frühzeitig<br />

– prospektiv – zu erkennen: Was kann die Kriminologie anbieten, um zumindest im<br />

Nachhinein – sozusagen retrospektiv – auf gefährdete oder bereits auffallende junge<br />

Intensivtäter angemessen und wirkungsvoll zu reagieren?<br />

Dazu zunächst eine grundsätzliche Anmerkung: Auch wenn man den Eindruck haben<br />

kann, bestimmte junge Menschen seien mit unseren Hilfs- und Kontrollmaßnahmen<br />

nicht oder nur unzureichend zu erreichen – und die Instanzen „mit ihrem Latein<br />

am Ende“ – rechtfertigt die darin möglicherweise zum Ausdruck kommende Hilflosigkeit<br />

bis Ohnmacht staatlichen Handelns<br />

• weder die Methode „Ausgrenzen und Einsperren“<br />

• noch eine Politik rigiden Durchgreifens im Sinne einer pauschalen Verschärfung<br />

des Jugendstrafrechts wegen einiger weniger scheinbar „Unbelehrbarer“<br />

(s. dazu auch Heinz 2002b; 2008b und c).<br />

Die Kriminologie ist sich weitgehend einig, dass intensive Maßnahmen nicht besser,<br />

sondern eher gefährlicher seien: „Sie mögen zwar tatsächlich stärker wirken, jedoch<br />

<strong>vor</strong>wiegend im Sinne einer Belastung der weiteren Sozialisation, der Beschneidung<br />

sozialer Teilhabe, wodurch künftige Rechtsbrüche wahrscheinlicher werden“ (Walter<br />

2003, 162). Intensive strafrechtliche Maßnahmen können damit die Kriminalisierungsprozesse<br />

verstärken, die, wie bereits ausgeführt, bei jungen Intensivtätern schon<br />

durch ihre Kategorisierung als Intensivtäter und ihre Aufnahme in besondere Interventions-<br />

und Präventionsprogramme beginnen können.<br />

Außerdem macht schon die für junge Intensivtäter typische Anhäufung zahlreicher<br />

Risikofaktoren und dissozialer Entwicklungen mit ihren Kettenreaktionen bei der<br />

Entwicklung antisozialen Verhaltens (s.o.) deutlich, dass mit Mitteln des Strafrechts<br />

allein oder auch nur überwiegend wenig erreicht werden kann.<br />

Gleichwohl bestehen, soweit ersichtlich, in allen Ländern bei Polizei und Justiz –<br />

und zum kleinen Teil auch bei den Behörden, die für Jugend, Familie, Soziales und<br />

Bildung verantwortlich sind –, besondere Zuständigkeiten für Intensivtäter, werden in<br />

allen Ländern Intensivtäterprogramme durchgeführt 19 , allerdings mit beträchtlichen<br />

Unterschieden in der Sicht auf bzw. im Umgang mit Mehrfachtätern. Regelmäßig<br />

werden für die Zuweisung zur Gruppe der Intensivtäter quantitative mit qualitativen<br />

Kriterien verbunden, „so dass jede Klassifikationsentscheidung eine Ermessensfrage<br />

und prinzipiell anfechtbar ist“. Außerdem besteht die generelle Tendenz, die kriminelle<br />

Aktivität der Intensivtäter <strong>vor</strong>rangig als ein Problem zu sehen, auf das <strong>vor</strong> allem<br />

repressiv reagiert werden muss – auf die Abfrage antworteten in erster Linie die Innen-<br />

und Justizressorts. Nur einige Länder, darunter diejenigen, die sich schon am<br />

längsten mit dem Problem beschäftigen (Schleswig-Holstein, Hamburg, Baden-<br />

19 Gemäß einer Abfrage der Landeskommission Berlin gegen Gewalt 2006/2007 bei den Behörden, die<br />

für die Ressorts Innen, Justiz, Jugend, Familie, Soziales und Bildung zuständig sind (Arbeitspapier).

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