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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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26<br />

HEINZ SCHÖCH<br />

2. Kriminalpädagogische Schülerprojekte (sog. Teen Courts)<br />

Die seit 2001 zunächst in Aschaffenburg, danach bei drei weiteren bayerischen Staatsanwaltschaften<br />

sowie bei Staatsanwaltschaften in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen<br />

und Sachsen-Anhalt praktizierten kriminalpädagogischen Schülerprojekte sind als<br />

erzieherische Maßnahmen im Sinne des § 45 Abs. 2 JGG konzipiert, bei denen das<br />

Strafverfahren gegen einen jugendlichen Delinquenten eingestellt wird, wenn er –<br />

nach seinem Einverständnis und dem seiner Erziehungsberechtigten – an einem Beratungsgespräch<br />

mit drei etwa gleichaltrigen Schülern teilgenommen und die hierbei<br />

gemeinsam entwickelten Sanktionsleistungen erbracht hat. Damit soll der erzieherische<br />

Einfluss der so genannten peers genutzt werden, der ja oft stärker ist als derjenige<br />

der Eltern oder anderer Erwachsener. Hinzu kommt die erfreuliche Kreativität bei den<br />

vereinbarten Sanktionen wie etwa die Erstellung von Bildercollagen oder das Drehen<br />

eines kurzen Filmes zum Deliktsgeschehen, Interviews mit Mitarbeitern des Roten<br />

Kreuzes oder einer Suchtberatungsstelle zu den Themen Autounfälle bzw. Gefahren<br />

des Drogenkonsums, sowie die mehrwöchige Abgabe der PlayStation oder der Mofa-<br />

Prüfbescheinigung.<br />

Kennzeichnend ist, dass Hamburg sein Modellprojekt, das noch die frühere CDU-<br />

Regierung installiert hatte, <strong>vor</strong> einigen Wochen angeblich mangels geeigneter Fälle<br />

beendet hat, während in den Mittelstädten Aschaffenburg und Ingolstadt jährlich jeweils<br />

zwischen 60 und 90 Gespräche stattfinden: deutlicher kann die Ablehnung durch<br />

die zuständigen Jugendstaatsanwälte, aber auch durch die Polizei und die Mitarbeiter<br />

der Jugendgerichtshilfe kaum dokumentiert werden. Von aktuellen oder ehemaligen<br />

Staatsanwälten kam auch die engagierteste Kritik. Der brandenburgische Generalstaatsanwalt<br />

Rautenberg<br />

run<br />

61 bezeichnete das Modell als „kriminalpolitischen Verhältnisblödsinn“,<br />

weil damit der Justiz wichtige Ressourcen entzogen würden, Generalstaatsanwalt<br />

a.D. Ostendorf bezeichnete es als „kriminalpräventiven Modetrend“, bei<br />

dem „ungewöhnliche Strafbedürfnisse“ der Jugendlichen“ begünstigt würden. 62 Oberstaatsanwalt<br />

a.D. Breymann äußerte insbesondere datenschutzrechtliche Bedenken,<br />

Zweifel an einem sinnvollen Anwendungsbereich im jugendstrafrechtlichen Sanktionsspektrum<br />

und Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Sanktionieg.<br />

63<br />

Meist wird von den Kritikern auch nicht zur Kenntnis genommen, dass das von uns<br />

selbst wegen net-widening-Tendenzen wiederholt kritisierte erste Aschaffenburger<br />

Projekt inzwischen deutliche Korrekturen <strong>vor</strong>genommen hat und dass die Idee von<br />

Anfang an in Ingolstadt (mit inzwischen über 400 Fällen) weitaus kompetenter, innovativer<br />

und erfolgreicher umgesetzt wurde. 64 Dort wurden ca. 60 % Wiederholungstä-<br />

61<br />

Rautenberg NJW 2006, 2749 f.<br />

62<br />

Ostendorf StV 2008, 148 ff., 152 f.<br />

63<br />

Breymann ZJJ 2007, 4-8; ähnlich aus devianzpädagogischer Sicht Plewig ZJJ 2008, 237-245; skeptisch<br />

mit Hinweis auf den Streitstand auch Streng Jugendstrafrecht, 2. Aufl. 2008, Rn. 182.<br />

64<br />

Dazu demnächst Englmann, <strong>Das</strong> Kriminalpädagogische Schülerprojekt in Ingolstadt – Rechtliche<br />

Probleme und spezialpräventive Wirksamkeit. Jur. Diss. München, 2009.

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