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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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KONTINUITÄT UND ABBRUCH PERSISTENTER DELINQUENZVERLÄUFE 127<br />

sich ja die Kontinuitätsannahme bestätigen, wäre also ein recht zeitiger Ausstieg aus<br />

der delinquenten Persistenz unwahrscheinlich).<br />

<strong>Das</strong>s im gesamten Prozess des Delinquenzverlaufs formelle, <strong>vor</strong> allem stationäre<br />

Sanktionierungen – zumindest für eine gewisse, gleichwohl bedeutsame Zeit und entgegen<br />

der spezial- oder generalpräventiven Erwartung – eher einen Rückfall als einen<br />

Abbruch fördern, ist keine neue Beobachtung. Sie beruhte bislang aber ausschließlich<br />

auf reinen Hellfelddatenanalysen, die den Einfluss sozialer oder personaler Risikofaktoren<br />

oder der nicht in die Verurteiltenstatistik gelangten Delinquenz nicht berücksichtigen<br />

können. Mit modernen kriminologischen Längsschnittdaten ist dies allerdings<br />

möglich. Dabei ergaben erste Analysen, dass – durchaus im Einklang mit den zentralen<br />

Verlaufsannahmen des Labeling Approach – Verurteilungen sowohl indirekt (zum<br />

Beispiel über eine Verschlechterung des schulischen oder beruflichen Erfolgs) als<br />

auch direkt die Wahrscheinlichkeit weiterer Delinquenz verstärken, und zwar bei gleicher<br />

<strong>vor</strong>heriger Belastung im Bereich der Dunkelfelddelinquenz (delinquentes Potential)<br />

wie im Bereich sozialer Faktoren. Wegen dieser Kontrolle <strong>vor</strong>hergehender Belastungen<br />

sind solche Analysen methodisch deutlich verlässlicher als reine Hellfeldanalysen<br />

und deshalb unbedingt weiterzuführen.<br />

Man darf solche Befunde allerdings nicht simplifizierend verstehen, etwa in dem<br />

Sinne, dass jede formelle Etikettierung schon per se und direkt zu einer persistenten<br />

Entwicklung führe. Denn hier dürften Interaktions- und Vermittlungsprozesse zwischen<br />

Richtern, Staatsanwälten und Verurteilten sowie natürlich die Qualität des Urteils<br />

eine wichtige Rolle spielen. So ist gut <strong>vor</strong>stellbar, dass sich der Grad der Fairness<br />

der Verfahrensführung sowie die Angemessenheit des Urteils auf die weitere positive<br />

oder negative Bewertung und Verarbeitung des Geschehens durch den Verurteilten<br />

wie im Übrigen durch seine Familie und Freunde auswirken. Ein Strafverfahren kann<br />

mit anderen Worten durchaus einen Einfluss darauf haben, ob verhaltensregulierende<br />

Weichen so gut wie möglich gestellt und die weiteren Entwicklungen sozialpädagogisch<br />

Erfolg versprechend begleitet werden können – oder, ob aus einem Urteil ein<br />

„Label“ wird. Dies ist so differenziert noch kaum untersucht worden; die diesbezüglichen<br />

Grundbefunde der kriminologischen Verlaufsforschung unterstützen zur Zeit<br />

jedoch eher Letzteres. Untersuchungen zur Sanktionseskalation deuten zudem darauf<br />

hin, dass trotz gleicher Deliktsschwere weitere Verurteilungen in der Regel schwerer<br />

ausfallen, und zwar im Jugendstrafverfahren ausgeprägter als im allgemeinen Strafverfahren.<br />

Die Sanktionspraxis scheint also einigen Spielraum zur Veränderung zu haben.<br />

Dies hätte auch unter einem anderen Aspekt etwas Positives. Denn formelle Institutionen<br />

sind in der Lage, ihr Entscheidungsverhalten schneller und durchgreifender zu<br />

modifizieren als sich die Strukturen von Familien, Peergroups, Freundesbeziehungen,<br />

Wohnvierteln, der Bildungspartizipation oder von Arbeitsmärkten ändern können.

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