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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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MICHAEL WINKLER<br />

Täter verbucht; dennoch kann er trotz der Straftatbestände so integriert sein, dass man<br />

eine <strong>vor</strong>sichtig optimistische Prognose wagen darf.<br />

Erziehung sinnlos? Die Antworten auf die Frage verteilen sich also in den Extrembereichen.<br />

Sie neigen entweder der Annahme zu, Erziehung könne alles bewirken und<br />

stelle die einzig legitime wie richtige Antwort auf ein Verhalten dar, das letztlich als<br />

Entwicklungsschwierigkeit verstanden wird. Oder sie tendieren dazu, die Idee, das<br />

Konzept der Erziehung, die Praktiken der Pädagogik als ungeeignet zu verwerfen (vgl.<br />

schon Müller / Otto1986). Und: paradoxerweise bezeichnen sich manche der Praktiker<br />

im Feld sogar ausdrücklich als antipädagogisch eingestellt, obwohl sie – für den distanzierten,<br />

rational denkenden Beobachter – eine kluge pädagogische Praxis betreiben.<br />

Grosso modo nimmt man jedenfalls wahr, wie in den sozialpädagogischen Fachdiskursen<br />

die Vorstellung von Erziehung im Umgang mit hochbelasteten Kindern und<br />

Jugendlichen an Geltung verliert. Genauer: sie verschwindet aus dem Sprachgebrauch<br />

und wird durch neue Semantiken ersetzt, zumal in den Debatten an den Grenzen zwischen<br />

öffentlicher Auseinandersetzung und Fachdebatten eine Tendenz zur Härte sich<br />

breit macht. Diese Behauptung mag Widerspruch erzeugen, weil im Zusammenhang<br />

des hessischen Wahlkampfs die Fachdebatte differenzierte Urteile in die Öffentlichkeit<br />

gebracht hat und es ihr gelungen ist, gegenüber punitiven Verfahren geltend zu<br />

machen, dass und wie das verfügbare breite Angebot der Jugendhilfe mit ihrem im<br />

Grundsatz pädagogischen Ansatz helfen kann und erfolgreich ist. Gleichwohl haben<br />

die Träger der Jugendhilfe in den letzten Jahren doch nachdrücklich intensivpädagogische<br />

Angebote ausgebaut und auf den Markt gebracht. So haben zwar freiheitsentziehende<br />

Maßnahmen nur in geringem Maße zugenommen, streng kontrollierende Verfahren,<br />

Konzepte einer deutlichen, einschränkenden und regulierenden Pädagogik, wie<br />

denn auch die Einrichtung entsprechender Plätze knapp unterhalb des Freiheitsentzuges<br />

konnten jedoch Zugewinne verbuchen, so dass man wohl von einem <strong>neuen</strong> Verständnis<br />

und Praxisfeld der Sozialpädagogik sprechen muss. Wenigstens aber entsteht<br />

eine Grauzone des sozialpädagogischen Handelns, welche auf Bedürfnisse von Öffentlichkeit<br />

und Politik reagiert, in die fachlichen Debatten aber nur bedingt eingebettet<br />

und insofern kommentiert ist.<br />

Erziehung sinnlos? <strong>Das</strong> mit dieser Frage angesprochene Grundproblem hat sich aber<br />

indirekt an dem Verweis auf den distanzierten, rational denkenden Beobachter des<br />

pädagogischen Geschehens angedeutet. Diese Formulierung ist ungewöhnlich, zeigt<br />

aber, dass man <strong>vor</strong>rangig fragen muss, was man überhaupt unter Erziehung zu verstehen<br />

hat und wie sich Erziehung angemessen theoretisch modellieren lässt. Um ein<br />

Problem handelt es sich, weil sich die Erziehungswissenschaft selbst auf eine ganz<br />

erstaunliche Weise diesem Thema und somit ihrem eigenen Gegenstand verweigert –<br />

mit dem Effekt übrigens, dass sie heute eher als eine verkürzte Sozialisationstheorie<br />

oder als angewandte Entwicklungspsychologie zu sehen ist, während die Suche nach<br />

einem genuin sachlichen Verständnis des Erziehungsgeschehens geradezu für obsolet<br />

erklärt wurde. Mit ganz wenigen Ausnahmen folgt die Sozialpädagogik dieser Verweigerung<br />

in Sachen Erziehung und leistet sich den erstaunlichen Luxus, ihre Fachdebatten<br />

entweder als erweiterte Sozialpolitik zu führen, die sich auf Fragen der Armutsbekämpfung<br />

konzentriert, oder sich dem scholaren Bildungssystem anzunähern.<br />

Darin nimmt sie die zwar international verbreitete, gleichwohl folgenreiche Perspekti-

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