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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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ZUNEHMENDE PUNITIVITÄT IN DER PRAXIS DES JUGENDKRIMINALRECHTS? 37<br />

Auf die Entwicklung seit 1990 konzentriert sich die derzeitige Diskussion. 33 Zutreffend<br />

wird aber darauf hingewiesen, dass es sich um „polarisierte Kriminalpolitik“<br />

handle, denn diese „Punitivitätswellen“ beziehen sich auf eine kleine Taten- und Tätergruppe,<br />

insbesondere auf Gewalt- und Sexualstraftäter. Bei anderen Delikten sind<br />

die Anteile längerer Freiheitsstrafen unverändert (Einbruchsdiebstahl) oder rückläufig<br />

(Raub). 34<br />

Im Folgenden soll aufgrund von Daten der Strafrechtspflegestatistiken geprüft<br />

werden, ob die These zutrifft, auch im Jugendstrafrecht nehme Punitivität zu. Da die<br />

Wahl des Ausgangsjahres vielfach darüber bestimmt, ob eine Zu- oder eine Abnahme<br />

festgestellt wird, wird ein möglichst langer Zeitraum betrachtet. Die Länge des zu<br />

betrachtenden Zeitraums wird freilich von der Verfügbarkeit der Daten bestimmt. Für<br />

die informellen Sanktionen, also die Einstellungen aus Opportunitätsgründen, liegen<br />

erst seit 1981 Daten der Geschäftsstatistiken der Staatsanwaltschaft <strong>vor</strong>. Hinsichtlich<br />

der Länge der freiheitsentziehenden Sanktionen werden die derzeitigen Kategorien<br />

erst seit 1976 verwendet. Daten über Gefangene sind erst seit 1961 verfügbar.<br />

C. Punitivität im deutschen Jugendstrafrecht – die Zunahme<br />

des Strafquantums als Indikator<br />

Werden Gefangenenraten als Indikator für Punitivität verwendet, dann geht es letztlich<br />

um das Strafquantum in einer Gesellschaft. Bei diesem Verständnis von Punitivität ist<br />

das <strong>Jugendkriminalrecht</strong> in den letzten Jahren wieder punitiver geworden (vgl. Schaubild<br />

3).<br />

Seit Beginn der 1990er Jahre sind nämlich sowohl die absoluten Zahlen 35 der nach<br />

JGG Sanktionierten 36 , der Verurteilten (bzw. die Verurteiltenbelastungszahlen [VBZ]<br />

33<br />

Vgl. Lautmann et al. (Anm. 18), S. 9, 21; Sack (Anm. 2), S. 30, 37; differenzierend aber Groenemeyer<br />

(Anm. 1), S. 51, 61 ff., der darin weniger punitive Tendenzen als vielmehr eine Neustrukturierung des<br />

Systems der Strafen (Drogendelikte, Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Migrationsdelikte<br />

statt Eigentumsdelikte) sieht.<br />

34<br />

Vgl. Albrecht, H.-J.: Öffentliche Meinung, Kriminalpolitik und Kriminaljustiz, in Walter, M. et al.<br />

(Hrsg.): Alltags<strong>vor</strong>stellungen von Kriminalität, Münster 2004, S. 491, 515 f.<br />

35<br />

Weder für die Sanktionierten, noch für die nach JGG Verurteilten, noch für die nach JGG zu Jugendstrafe<br />

Verurteilten können Belastungszahlen pro 100.000 der Wohnbevölkerung bestimmt werden.<br />

Dies beruht zum einen auf der Besonderheit des deutschen Jugendstrafrechts, in das die Heranwachsenden<br />

nur partiell einbezogen sind (etwas über 60% der verurteilten Heranwachsenden werden nach<br />

JGG, die restlichen knapp 40% nach allgemeinem Strafrecht verurteilt), zum anderen darauf, dass die<br />

Strafrechtspflegestatistiken die Altersgruppe der Heranwachsenden bei den Sanktionen nicht gesondert<br />

ausweisen. Eine Berechnung von Belastungszahlen, bezogen auf die Altersgruppe der 14 bis unter 21-<br />

Jährigen, würde folglich zu einer Unterschätzung der Belastungszahlen (pro 100.000 der Wohnbevölkerung)<br />

führen. Hinzu kommt das generelle Problem, dass die Grundgesamtheit nicht hinreichend genau<br />

bekannt ist (vgl. hierzu unter Anm. 37).<br />

36<br />

Unter „Sanktionierten“ werden alle nach Jugendstrafrecht Verurteilten (einschließlich der Personen<br />

mit Entscheidungen gem. 27 JGG = formell Sanktionierte) und alle Personen, deren Verfahren gem.<br />

§§ 45, 47 JGG eingestellt worden ist (= informell Sanktionierte) verstanden.<br />

Die StA-Statistik, in der die Erledigungen gem. § 45 JGG nachgewiesen werden, wird erst seit 1981<br />

veröffentlicht. Erst seitdem ist die Zahl der Sanktionierten bestimmbar.

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