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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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THOMAS BLIESENER<br />

Sachverhalte würden teilweise von den Medien besonders aber auch im Wahlkampf<br />

her<strong>vor</strong>gehoben und zuweilen sehr überspitzt dargestellt.<br />

Uslucan ergänzte hierzu, dass die Gewaltbelastung bei muslimischen Migranten<br />

nicht höher sei als bei anderen Migranten. Es gebe aber eine kleine fundamentalistische<br />

Gruppe, die eine höhere Gewaltbelastung habe. Diese habe oft selbst Gewalterfahrungen<br />

gemacht. Eine antiintegrative Tendenz zeige sich <strong>vor</strong> allem bei denjenigen<br />

Muslimen, die den Islam eher aus einer Tradition wählten als bei Muslimen, die die<br />

Religion intellektuell reflektierten. Es sei allerdings festzustellen, dass die Gewaltakzeptanz<br />

bei Muslimen generell etwas höher ausfalle, dies jedoch nicht für die Gewaltbereitschaft<br />

gelte. Nicht jeder, der Gewalt akzeptiert, übe sie auch aus.<br />

In der weiteren Diskussion wurden auch die so genannten Ehrenmorde thematisiert.<br />

Diese entsprächen weder dem muslimischen noch dem deutschen Glauben. Hier<br />

herrsche Uneinigkeit in der Rechtswissenschaft bezüglich des Mordmerkmals der<br />

niedrigen Beweggründe. Besonders stelle sich aber die Frage, was dagegen zu tun sei.<br />

Hier führt Uslucan aus, dass sich Ehrenmorde nicht religiös begründen oder legitimieren<br />

ließen. Auch in der Türkei würden Ehrenmorde als Mord sanktioniert, allerdings<br />

würde in den ländlichen Provinzen häufig keine Strafverfolgung <strong>vor</strong>genommen. Viele<br />

Menschen seien der Überzeugung, dass der soziale Tod, der sich aus einer ungesühnten<br />

Verletzung der Familienehre ergebe, schlimmer sei als eine Gefängnisstrafe. Insofern<br />

sähen sich die Männer gezwungen, auf eine Ehrverletzung zu reagieren. An diesem<br />

überkommenen Männlichkeitsbild müsse unbedingt gearbeitet werden. Allerdings<br />

sei in diesem Punkt die mediale Darstellung „aufgebauscht“, die Prävalenz von Ehrenmorden<br />

sei sehr gering. Viele türkische Familien würden so jedoch verdächtigt,<br />

potentielle Ehrenmörder zu sein.<br />

Auch das Thema der Segregation wurde in der Diskussion von verschiedenen Seiten<br />

beleuchtet. Einerseits seien ethnische Netzwerke für junge Migranten durchaus<br />

sinnvoll und haltgebend, langfristig seien Segregationstendenzen für die Integration<br />

jedoch höchst problematisch. Nach Uslucans Untersuchungen gehe Integration auch<br />

nicht zwangsläufig mit psychischem Wohlbefinden einher. Für dieses sei eine langfristige<br />

Integration wesentlich günstiger. Ein weiteres Problem stelle sich dadurch,<br />

dass Personen mit gelungener Integration oft aus den defizitären Gebieten wegzögen,<br />

deren Wohnungen und Positionen dann aber wieder durch sozial Schwächere besetzt<br />

würden. Die Gründe dafür seien sowohl überindividuell (niedrige Mieten, Infrastruktur)<br />

als auch individuell (soziale Netzwerke unter Migranten) zu finden. Zudem, so<br />

ergänzte Uslucan, sei nach eigenen Untersuchungen der Akkulturationsdruck in rein<br />

ethnischen Kommunen geringer als in ethnisch heterogenen Gemeinden. Die Segregation<br />

vieler Migranten sei allerdings nicht nur selbstinitiiert. Viele Menschen mit Migrationshintergrund<br />

seien erheblich <strong>vor</strong>urteilsgefährdet und machten deutliche Ausgrenzungserfahrungen.<br />

Auch in Reaktion darauf käme es vielfach zu eigenen Abgrenzungsbemühungen.<br />

Wie die weiteren Diskussionsbeiträge zeigten, wurde hier auch eine erhebliche<br />

Verantwortung der Kommunen gesehen, diesen Segregationstendenzen entgegenzuwirken.<br />

Als ein positives für eine gelungene Integration wurde von Bannenberg Brake<br />

bei Detmold genannt. Hier sei es durch gezielte stadtplanerische Maßnahmen gelungen,<br />

Veränderungen im Stadtbild <strong>vor</strong>zunehmen, Schulen und Freizeitangebote attrak-

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