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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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HACI-HALIL USCULAN<br />

der Übergang von der Grundschule auf ein Gymnasium eine entscheidende Hürde zu<br />

sein: Dreimal so viele deutsche Kinder schaffen diesen Übergang im Vergleich zu<br />

Kindern mit Migrationshintergrund; je nach Bundesland ist die Widerholerrate bei<br />

Kindern mit Migrationshintergrund doppelt oder viermal so hoch; fast doppelt so viele<br />

Jugendliche mit Migrationshintergrund – im Gegensatz zu deutschen Jugendlichen<br />

verlassen die Schule mit nur einem Hauptschulabschluss: 40 % bei Migrantenjugendlichen<br />

gegenüber 24 % bei deutschen Jugendlichen.<br />

Gegenwärtig erlaubt die juristische Einordnung von Kindern und Jugendlichen mit<br />

Migrationshintergrund über den Pass keine zuverlässigen Rückschlüsse auf pädagogisch-relevante<br />

Sachverhalte wie etwa auf die sprachliche Sozialisation und Sprachkompetenz<br />

des Kindes, aber auch zum sozio-kulturellen Hintergrund (Aussiedler, die<br />

als deutsche gelten, aber kein deutsch sprechen; hier geborene Migrantenkinder, die<br />

einen deutschen Pass haben, aber in ihre Familien weitestgehend die Sprache ihrer<br />

Eltern sprechen, was nicht unbedingt die Amtssprache des Herkunftslandes sein muss,<br />

so z.B. kurdisch sprechende Kinder aus der Türkei, sardisch sprechende Kinder aus<br />

Italien, katalanisch sprechende Kinder aus Spanien, berberisch sprechende Kinder aus<br />

Marokko etc.).<br />

Vielmehr wirken sich die Bildungsnähe der Eltern, <strong>vor</strong>handene bzw. fehlende Unterstützung<br />

im Elternhaus stärker auf die sprachliche Bildung der Kinder aus als die<br />

kulturelle Herkunft. Darüber hinaus sind auch, worauf Gomolla und Radtke (2002)<br />

hinweisen, im pädagogischen Alltag auch Prozesse indirekter, eher institutionalisierter<br />

Diskriminierung zu berücksichtigen, die erfolgreiche Bildungskarrieren von Migrantenjugendlichen<br />

hemmen. Mit indirekter institutioneller Diskriminierung wird auf die<br />

Bandbreite der institutionellen Vorkehrungen Bezug genommen, bei dem Angehörige<br />

bestimmter Gruppen, wie etwa ethnische Minderheiten, überproportional negativ betroffen<br />

sind. Dabei resultiert indirekte Diskriminierung häufig aus der Anwendung<br />

gleicher Regeln, wobei jedoch verschiedene Gruppen ungleiche Chancen zu ihrer Erfüllung<br />

haben. Prozesse institutioneller Diskriminierung sind in der Regel kaum direkt<br />

beobachtbar; sind oft normale Alltagskultur, Routine und Habitus von Institutionen<br />

und deshalb von den dort tätigen Professionellen kaum hinterfragbar (Gomolla, 2006).<br />

Bildungspolitisch wird als eine Antwort auf solche Schieflagen mehr und mehr gefordert,<br />

dass die Institution Schule sprachlich-kulturelle, ethnische und nationale Pluralität<br />

im Bildungswesen als eine Normalität anerkennen und die Orientierung an einer<br />

homogenen Schülerschaft, bei der Heterogenität als Abweichung fungiert, aufgeben<br />

müsse (Vgl. Krüger-Potratz, 2006).<br />

D. Gewaltbelastungen<br />

Nach dieser Skizze der Bildungs<strong>vor</strong>aussetzungen soll im Folgenden die Frage der<br />

Gewaltbelastung im Vordergrund stehen.<br />

Tendenziell zeigen empirische Studien, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund<br />

sowohl bei aktiven als auch bei passiven Gewalterfahrungen (bzw.<br />

Viktimisierungen) stärker betroffen sind. So berichten Studien, die Mitte der 90-er<br />

Jahre in Bayern durchgeführt wurden, eine stärkere Belastung von Migrantenjugendli-

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