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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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ERZIEHUNG SINNLOS? 147<br />

<strong>Das</strong> klingt wiederum etwas theoretisch – in Wirklichkeit sind aber genau damit die<br />

Ansprüche an eine gute sozialpädagogische Praxis formuliert, von der wir in der Realität<br />

zumindest dann gar nicht so weit entfernt sind, wenn wir uns nicht von <strong>vor</strong>nherein<br />

für Formen des Ein- und Ausschlusses entscheiden. Fallverstehen bedeutet methodisch<br />

die Haltung der Offenheit dafür einzunehmen, dass und wie Alternativen zu dem aktuell<br />

gezeigten extremen Verhalten möglich sind und gewonnen werden können. Um<br />

solche Alternativen zu entwickeln, benötigen wir freilich ein weites ausdifferenziertes<br />

Feld an Hilfeangeboten, welche sich an den angedeuteten Kriterien von Erziehung<br />

orientieren sollten; das heißt übrigens auch, dass es Angebote etwa im Rahmen von<br />

Trainingsmaßnahmen gibt, welche einem differenzierten Begriff der Erziehung nicht<br />

folgen, unter spezifischen Bedingungen aber doch hilfreich sein können. Faktum ist<br />

jedenfalls, dass im Kontext der Jugendhilfe anspruchsvolle, für alle Beteiligten durchaus<br />

herausfordernde Angebote gemacht werden, die zuweilen den angedeuteten Kriterien<br />

nicht genügen, die zudem scheitern können. Nur: man kann keine Erfolgsrezepte<br />

geben, sondern wird stets experimentieren müssen. Wie auch immer wir den Umgang<br />

mit hochbelasteten Kindern und Jugendlichen sehen und gestalten, wir müssen begreifen,<br />

dass es keine Systematik des Handelns gibt, welche sich in einer eindeutigen und<br />

klaren Methodik beschreiben lässt; es gibt nicht die Lösung schlechthin, vielmehr<br />

benötigen wir sogar über das breite und dann doch bewährte Spektrum an Jugendhilfeangeboten<br />

hinaus eine gewisse Anzahl an speziellen Angeboten, medizinischen Intensivbetten<br />

vergleichbar (vgl. Winkler 2005).<br />

Deshalb fällt jedenfalls ein empirisch gestütztes Urteil über die Angebote und Leistungen<br />

für den Umgang mit hochbelasteten Kindern und Jugendlichen so schwer. Dies<br />

ist bewusst subjektiv formuliert: eben weil wir uns in einer Art pädagogischen Experimentalraum<br />

bewegen müssen, eben weil wir Offenheit für die einzelnen Fälle benötigen,<br />

müssen wir uns wohl da<strong>vor</strong> hüten, <strong>vor</strong>schnell ein Verdikt über Projekte und<br />

Angebote auszusprechen. So hilflos das erscheinen mag, wenn man einer Art newtonischer<br />

Kausalitätsphantasie folgt, wie sie in den Machbarkeitsmythen des öffentlichen<br />

Erziehungsbegriffs anklingt, es gilt doch: zumindest für jene Kinder mit extremen<br />

Verhaltensweisen benötigen wir ein breites Spektrum an Angeboten, das von der Antiaggressionstrainingsmaßnahme<br />

über erlebnispädagogische Maßnahmen im Ausland<br />

hin zu – um sinngemäß die Formulierung des letzten Jugendberichts aufzugreifen –<br />

freiheitsentziehenden Maßnahmen reicht, wie sie in äußerst seltenen Fällen notwendig<br />

und sinnvoll werden können. Immer aber sollten sie sich einer pädagogischen Vergewisserung<br />

stellen, wie sie in den Überlegungen angedeutet wurden, die man als Versuch<br />

einer Kriterienliste aufnehmen kann. An ihr muss sich messen lassen, ob ein Anti-Aggressionstraining<br />

dem Anspruch der Anerkennung genügt oder Menschen<br />

schlicht entwürdigt.<br />

Drittens: offensichtlich sollte man Erziehung keineswegs als sinnlos betrachten.<br />

Gleichwohl scheint nicht nur Vorsicht gegenüber dem öffentlich gebrauchten Erziehungsbegriff<br />

geboten, vielmehr ist es unabdingbar, in allen Maßnahmen und Leistungen<br />

öffentlich getragener Pädagogik und insbesondere Sozialpädagogik <strong>vor</strong>rangig das<br />

explizit festzuhalten, zu regeln und durchzusetzen, was nun öffentliches, staatliches<br />

Handeln substanziell ausmacht, nämlich die Rechtsförmigkeit des Handelns. Dieses<br />

abzulehnen macht offensichtlich den Kern des polemischen Angriffs aus, der hinter

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