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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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KONTINUITÄT UND ABBRUCH PERSISTENTER DELINQUENZVERLÄUFE 119<br />

gen, dass sich die Forschung in den letzten Jahren verstärkt auch dem Abbruch persistenter<br />

Delinquenzverläufe gewidmet hat. Der Abbruch wurde bis Mitte der neunziger<br />

Jahre kaum untersucht; zum einen weil die Forschung auf die Ursachen des Beginns<br />

und der Fortdauer von kriminellen Karrieren konzentriert war, zum anderen,<br />

weil bis dahin kaum Längsschnittdaten für die dritte und vierte Lebensdekade <strong>vor</strong>lagen.<br />

Ausgelöst durch soziologisch orientierte Längsschnittanalysen ist die theoretische<br />

und empirische Erforschung des Abbruchs in jüngerer Zeit jedoch sehr in Bewegung<br />

geraten. Nach neuerem Verständnis wird der Abbruch als Prozess einer allmählichen<br />

Verringerung delinquenten Verhaltens begriffen, der – in je nach Standpunkt unterschiedlicher<br />

Gewichtung – sowohl von strukturellen Änderungen der sozialen Einbindung<br />

(durch stabile neue Partnerbeziehungen oder Arbeitsverhältnisse) als auch durch<br />

eine bewusste Reformulierung des persönlichen Selbstkonzeptes (Human Agency)<br />

ausgelöst und getragen werden soll (Weitekamp, Kerner et al. 2000; Laub und<br />

Sampson 2001; Maruna und Farrall 2004; Mulvey et al. 2004; Bottoms 2006 m.w.N.).<br />

E. Formelle Kontrollinterventionen<br />

Schließlich sind in neuerer Zeit einige (so zu nennende) soziologischkonstruktivistische<br />

Analysen des Delinquenzverlaufs durchgeführt worden. Diese<br />

Studien zeichnen sich dadurch aus, dass sie, durchaus im Sinne des Labeling Approach,<br />

auch die Auswirkungen formeller sozialer Kontrollinterventionen auf den weiteren<br />

Delinquenzverlauf und damit die Unterscheidung zwischen Kriminalität und Kriminalisierung<br />

konzeptionell berücksichtigen.<br />

Die in ihrer ersten Reanalyse der Gluecks-Daten beobachteten negativen Effekte<br />

formeller Sanktionierungen auf die Herausbildung sozialer Bindungen im Erwachsenenalter<br />

haben Sampson und Laub (1997) etwas später im Rahmen von Überlegungen<br />

über sich im Lebensverlauf anhäufende Benachteiligungen (Life Course Theory of<br />

Cumulative Disadvantage) vertiefend reflektiert. „Cumulative Disadvantage“ wird nun<br />

zum zentralen Aspekt ihrer Theorie des delinquenten Lebensverlaufs und bezeichnet<br />

die Akkumulation von Misserfolgen und Belastungen hinsichtlich der Social Bonds<br />

Familie, Schule und Peers „most explicitly by the negative structural consequences of<br />

criminal offending and official sanctions for life chances. The theory specifically suggests<br />

a ‚snowball‘ effect – that adolescent delinquency and its negative consequences<br />

(e.g., arrest, official labeling, incarceration) increasingly mortgage one’s future, especially<br />

later life chances molded by schooling and employment“ (a.a.O., S. 147, Her<strong>vor</strong>hebung<br />

durch Verf.). Bei Cumulative Disadvantage geht es um dreierlei: (1) um<br />

die Berücksichtigung der negativen Folgen des sowohl (primären) delinquenten Verhaltens<br />

(mit den Zurückweisungsreaktionen des sozialen Umfeldes) 29 als auch der<br />

Sanktionierung (Einschränkung konformer Lebensbewältigungschancen mit der Folge<br />

sekundärer Delinquenz, strukturelles Labeling); (2) um die im Lebensverlauf erfolgende<br />

Aufrechterhaltung und Verstärkung der Kriminalität durch die Kriminalität<br />

selbst (Selbstverstärkung) und damit (3) um die Betonung, dass die Stabilität (Kontinuität)<br />

krimineller Verläufe weniger – wie es die persönlichkeitsorientierte Längs-<br />

29 Ausdrücklich in Anlehnung an Thornberrys interaktionale Theorie (a.a.O., S. 146).

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