Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?
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PRÄVENTION VON KINDER- UND JUGENDKRIMINALITÄT 265<br />
Olweus (2006) erfahren. <strong>Das</strong> Konzept wurde bereits Ende der 70er Jahre in Norwegen<br />
entwickelt (vgl. Olweus, 1991) und ist mittlerweile in zahlreichen Sprachen übersetzt<br />
und in mehreren Ländern evaluiert worden (vgl. Smith et al., 1999). Der Ansatz von<br />
Olweus ist weniger ein auf den individuellen Fall ausgerichtetes Vorgehen als vielmehr<br />
der Versuch, Phänomene der Gewalt und des so genannten Bullying (eine Sammelbezeichnung<br />
für Verhaltensweisen wie Quälen, Bedrohen, Schlagen, Erpressen)<br />
im Kontext der Schule durch ein Bündel unterschiedlicher Maßnahmen zu begegnen.<br />
Ziel ist dabei die Gewährleistung einer möglichst einheitlichen und konsequenten<br />
Reaktion aller Beteiligten (Schüler, Lehrer, Eltern) auf unterschiedliche Formen von<br />
Gewalt im schulischen Kontext. Grundsätzliches Ziel des Programms ist der konsequente<br />
Umgang mit Gewaltphänomenen im schulischen Kontext sowie die Etablierung<br />
eines durch Verantwortlichkeit und Wärme gekennzeichneten Schulklimas. Dazu<br />
sind drei Maßnahmenebenen (Schule, Klasse, Individuum) <strong>vor</strong>gesehen, auf denen<br />
jeweils verschiedene Aktivitäten realisiert werden sollen, zum Beispiel ein pädagogischer<br />
Tag zum Thema Schulgewalt (Schulebene), die Einführung von festen Klassenregeln<br />
und Handlungsanweisungen gegen Gewalt (Klassenebene) oder ernste Gespräche<br />
mit Tätern und Opfern (Individualebene). Alle Maßnahmen sind also darauf ausgerichtet,<br />
im Sinne einer konsistenten und konsequenten Reaktion aller am Schulalltag<br />
beteiligten Personen zu gelangen.<br />
Hinsichtlich der Wirkungen liegen für das Olweus-Programm jedoch gemischte<br />
Befunde <strong>vor</strong> (Derzon, 2006; Ferguson et al., 2007; Merrell et al., 2008; Ttofi et al.,<br />
2008). Kritisch zu bewerten ist, dass die guten Erfolge des Olweus-Programms in<br />
Norwegen in anderen Kontexten und Ländern nicht bestätigt werden konnten. Dies<br />
gilt insbesondere dann, wenn methodisch anspruchsvolle Untersuchungen herangezogen<br />
werden. Derartige Unterschiede zwischen den Ergebnisse von Pilotstudien und<br />
denen aus Replikationsstudien unter anderen kulturellen und sozialen Rahmenbedingungen<br />
sind allerdings nicht selten und weisen eindringlich auf die Notwendigkeit hin,<br />
Förder- und Präventionsansätze über den ursprünglichen Evaluationskontext hinaus zu<br />
überprüfen. Ungeachtet dessen ist möglicherweise ein Grund für die inkonsistenten<br />
Wirkungen, dass das Programm in Norwegen landesweit eingesetzt wurde und somit<br />
über den Stellenwert einer Probeimplementation hinausging. Tatsächlich verlangen<br />
derartige Präventionsansätze offenbar das engagierte Mitwirken aller am Gesamtsystem<br />
Schule Beteiligten, um entsprechende Effekte zu erreichen. Gelingt dieses anspruchsvolle<br />
Ziel nicht, gehen die Aktivitäten am Kern der Maßnahme <strong>vor</strong>bei und<br />
entsprechende Wirkungen bleiben aus. Die Untersuchungen zum Olweus-Programm<br />
machen somit auch deutlich, dass eine simple Übertragung eines erfolgreichen Präventionskonzepts<br />
in andere kulturelle und soziale Kontexte nicht ohne weiteres möglich<br />
ist.<br />
Zusammenfassung. Schulische Präventionsprogramme zeigen im Vergleich zu individuellen<br />
und familiären Ansätzen eher geringere Wirkungen (vgl. Beelmann &<br />
Raabe, in Druck). Ein Problem scheinen die vergleichsweise hohen Anforderungen an<br />
die Umsetzungsqualität zu sein, die notwendig ist, die intendierten Effekte zu erreichen.<br />
Hier sind allerdings weiterführende Untersuchungen notwendig, um die Schule<br />
als wichtiges und prinzipiell sehr gut geeignetes Präsentionssetting optimal zu nutzen<br />
(Beelmann, 2008a).