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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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HERIBERT OSTENDORF<br />

5. Finanziell begründete Einsparungen<br />

Begrenzte personelle und fachliche Ressourcen im Jugendamt, d. h. letztlich finanzielle<br />

Bedingungen haben schon in der Vergangenheit dazu geführt, dass sozialpädagogische<br />

Maßnahmen wie Täter-Opfer-Ausgleich, Betreuungsweisungen oder sozialer<br />

Trainingskurs nicht durchgeführt werden konnten. Heute wissen wir über Äußerungen<br />

der Jugendgerichtshelferinnen/Jugendgerichtshelfer hinter <strong>vor</strong>gehaltener Hand, dass es<br />

Weisungen „von oben“ gibt, d. h. von der Amtsleitung, keine Vorschläge dem Jugendgericht<br />

für die Sanktionierung zu unterbreiten, die besondere Kosten für die Jugendhilfe<br />

verursachen. Thomas Trenczek hat in seiner in den Jahren 1998/1999<br />

durchgeführten Untersuchung zur Jugendgerichtshilfe herausgefunden, dass in der<br />

Praxis in erster Linie die Arbeitsweisung als Sanktionierung <strong>vor</strong>geschlagen wird und<br />

nicht auf die Hilfen nach dem SGB VIII bzw. auf die sozialpädagogischen Erziehungsmaßregeln<br />

gem. § 10 JGG zurückgegriffen wird. 8 Heute bestimmen die personellen<br />

und finanziellen Bedingungen die Qualität in der Jugendgerichtshilfe noch<br />

mehr. 9 Auch die freien Träger in der Straffälligenhilfe, in der Jugendstraffälligenhilfe<br />

brechen z. T. weg. Dies <strong>vor</strong> dem Hintergrund der bekannten empirischen Rückfalluntersuchungen,<br />

wonach die Effizienzquote im Sinne der Rückfallvermeidung der ambulanten<br />

helfenden Sanktionen deutlich höher liegt als die der repressiven, insbesondere<br />

stationären Sanktionen.<br />

6. Die so genannte Steuerungsverantwortung gem. § 36 a SGB VIII<br />

Schließlich und endlich ist der neue § 36 a SGB VIII ein wesentlicher Grund für zunehmende<br />

Hemmnisse einer wirkungsvollen Kooperation. Mit dieser so genannten<br />

Steuerungsverantwortung der Jugendhilfe kann sich diese zurückziehen und die Jugendstrafjustiz<br />

im Regen stehen lassen. Über die rechtliche Reichweite des § 36 a<br />

SGB VIII gibt es bekanntlich viel Streit, der bis zum Bundesverfassungsgericht getragen<br />

worden ist. Es ist hier nicht der Ort, diesen Streit auszubreiten oder gar entscheiden<br />

zu wollen, zumal ich wiederholt hierzu Position bezogen habe. 10 Meine Grundposition<br />

lautet: Die verfassungsrechtlich garantierte Sanktionskompetenz der Jugendstrafjustiz<br />

muss in der Praxis gewährleistet sein. Obwohl der Vorlagebeschluss des<br />

Amtsgerichts Eilenburg 11 vom Bundesverfassungsgericht als unzulässig zurückgewiesen<br />

wurde, hat das Bundesverfassungsgericht einige hilfreiche Hinweise gegeben. 12<br />

Hinsichtlich der Durchführung von Betreuungsweisungen scheint das Gericht die<br />

Steuerungsverantwortung bei der Jugendstrafjustiz einzuordnen: „Darüber hinaus verschließt<br />

sich das <strong>vor</strong>legende Gericht einer in der Literatur – auch noch nach Einführung<br />

der angegriffenen Vorschrift – vertretenen Auslegung des § 38 Abs. 2 S. 7 JGG,<br />

die ihm die verbindliche Anordnung einer Betreuungsweisung gegenüber dem Angeklagten<br />

ermöglichte.“ Hilfreich erscheint <strong>vor</strong> allem die letzte Passage in dieser Ent-<br />

8<br />

Trenczek, Die Mitwirkung der Jugendhilfe im Strafverfahren, 2003.<br />

9<br />

Siehe Trede/Wische, ZJJ 2004, S. 120; Meißner, ZJJ 2004, S. 124.<br />

10<br />

Ostendorf, ZJJ 2004, S. 294; ZJJ 2006, S. 160; Ostendorf, JGG, 7. Aufl., § 38 Rn. 19a.<br />

11<br />

AG Eilenburg ZJJ 2006, S. 85.<br />

12<br />

BVerfG ZJJ 2007, S. 213.

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