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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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HERIBERT OSTENDORF<br />

• In Lübeck hat das Jugendamt ein Sonderkonto eingerichtet, das von Geldbußen<br />

junger Straffälliger gespeist wird, aus dem heraus wiederum Anti-<br />

Aggressionskurse finanziert werden.<br />

Straffällige finanzieren die jugendstrafrechtliche Sanktionierung. Ein Verstoß gegen<br />

das Verbot, im Jugendstrafrecht Geldbußen an die Staatskasse aufzuerlegen (§ 15 Abs.<br />

1 Nr. 4 JGG), lässt sich im Hinblick auf die spezielle Aufgabenzuweisung derartiger<br />

Konten und Weitergabe an andere Verurteilte zurückweisen.<br />

5. Offensive für die Jugend und für ein adäquates Jugendstrafrecht<br />

Wir müssen offensiv für die Jugend, die nicht so schlecht ist, wie sie teilweise geredet<br />

wird, und wir müssen offensiv für das Jugendstrafrecht, das besser ist als das Erwachsenenstrafrecht,<br />

eintreten. Ich konstatiere eine zweigeteilte Jugend. Der Großteil der<br />

Jugend ist zielorientiert, leistungsbereit und durchaus wertebewusst. Obwohl oder<br />

gerade weil viele Kinder und Jugendliche keine intakte Familie erleben, steht die Familie<br />

hoch im Kurs. Ein kleiner Teil der Jugend droht wegzubrechen, ist frustriert auf<br />

Grund permanenter schulischer Misserfolge, sieht keine Zukunftsperspektive in der<br />

Arbeitswelt. Vor diesem Hintergrund ist die Scheinheiligkeit der Erwachsenen zu<br />

entlarven, die einerseits der Jugend hinterher rennt, andererseits sie schlecht redet. In<br />

der „Zeit“ vom 28.8.2008 hieß es sogar „Charakterlose Jugend“. Vormals waren Jugendliche<br />

kleine Erwachsene, heute sind die Erwachsenen verlängerte Jugendliche, d.<br />

h. Jugend hat wiederum ihre Eigenständigkeit durch eine umgekehrte Einverleibung<br />

verloren. In der Magdeburger Initiative zu Jugend und Kriminalität aus dem Jahr 1999<br />

haben wir die Respektierung der Eigenart der Jugend verlangt, d. h. insbesondere auch<br />

einen Freiraum auf dem Weg zur Eigenständigkeit. Andererseits gilt es nicht nur die<br />

Erwachsenenkriminalität ins rechte Licht zu rücken, sondern auch die Verantwortlichkeiten<br />

der Erwachsenen für eben diese Jugendkriminalität. In der Magdeburger Initiative<br />

heißt es hierzu unter der Überschrift „Ausgrenzung und Fremdbestimmung in der<br />

2/3-Gesellschaft“: „Viele Jugendliche sind heute dazu gezwungen, ihr Leben in sozialen<br />

Mangel- und Randlagen und oft dazu in belasteten Familiensituationen zu gestalten,<br />

um nicht zu sagen: zu fristen. Nicht erst heute wissen wir aus praktischer Erfahrung<br />

und wissenschaftlicher Forschung, dass soziale Ausgrenzung insbesondere bei<br />

jungen Menschen sehr häufig zu normabweichendem Verhalten führt, also auch zu<br />

Kriminalität und insbesondere Gewalt. Solange die Randsituation ein <strong>vor</strong>übergehender<br />

Zustand ist und sich in absehbarer Zeit neue Perspektiven bieten, die auf gesellschaftliche<br />

Integration hindeuten, ist die Motivation zu normkonformem Verhalten noch<br />

verhältnismäßig groß. Sinkt die Wahrscheinlichkeit von Integration innerhalb eines<br />

überschaubaren Zeitraumes, sinkt auch die Motivation, sich an die Normen der Gesellschaft<br />

zu halten. Es darf dann nicht verwundern, dass mit langfristiger oder gar<br />

dauernder Ausgrenzung die Zahl der Jugendlichen wächst, bei denen wir mit ernsthaften<br />

Straftaten rechnen müssen.“ Wir müssen immer wieder darauf hinweisen, dass die<br />

Dramatisierung der Jugendkriminalität auf die Erwachsenengesellschaft zurück fällt,<br />

da Jugendkriminalität immer auch ein Spiegel gesellschaftlicher Fehlentwicklungen<br />

und Versäumnisse darstellt. Diesen Spiegel müssen wir der Gesellschaft <strong>vor</strong> Augen<br />

halten.

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