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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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ERZIEHUNG SINNLOS? 137<br />

ve auf, nach welcher Bildungspolitik eigentlich Sozialpolitik sei. Folgenreich ist diese<br />

Perspektive jedoch, weil sie dazu führt, dass sogar die klassischen Themen der Jugendhilfe,<br />

also die Hilfen zur Erziehung, dann die sogenannten kriminalpädagogischen<br />

Probleme nur noch radständig behandelt werden. Damit ist ein dann doch gravierendes<br />

Defizit entstanden, weil nämlich – so eine Grundthese – nur von einem differenzierten<br />

Erziehungsverständnis aus die Probleme theoretisiert und praktisch bearbeitet<br />

werden können, welche im Zusammenspiel von – um eine klassische, auf<br />

Schleiermacher zurückgehenden Formulierung aufzugreifen – Behüten, Gegenwirken<br />

und Unterstützen als Sachstrukturen von Erziehung auftreten. Es fällt insofern schwer,<br />

begründete Auskunft über den pädagogischen Umgang mit hoch belasteten, als Intensiv-<br />

oder Mehrfachtätern aufgefallenen Kindern und Jugendlichen zu machen.<br />

Damit liegen Absicht und Aufbau der folgenden Überlegungen auf der Hand, doch<br />

sei noch zweierlei festgehalten: Zum einen ist der Text ungewöhnlich, zunächst weil<br />

er sich formal wie inhaltlich weit von dem unterscheidet, was insbesondere in juristischen<br />

Zusammenhängen üblich ist; dann entfernt er sich durchaus von dem Denkhabitus,<br />

der Sprache und den gewöhnlichen Figuren sozialpädagogischer Debatten. Er ist<br />

bewusst erziehungsphilosophisch angelegt, weil es um Klärung von grundlegenden<br />

Sachverhalten gehen soll. Zum anderen richtet er seine Aufmerksamkeit nicht auf<br />

gescheiterte Erziehungsprozesse als Bedingungen oder Gründe dafür, dass Kinder<br />

oder Jugendliche auffällig oder gewalttätig werden, bzw. extrem agieren. Platt formuliert:<br />

Er fragt nicht darnach, was eine Gesellschaft oder was Einzelne dafür getan (oder<br />

vernachlässigt haben), damit junge Menschen gut aufwachsen können. Obwohl gescheiterte<br />

Erziehungsprozesse allerdings empirisch entscheidend sind (vgl. Müller /<br />

Peter 1998, Köttgen 2007), beschäftigen hier weder diese noch die Rahmenbedingungen<br />

sozialisatorischer und psychodynamischer Entwicklung, auch wenn sie in den<br />

modernen Gesellschaften der Gegenwart das Aufwachsen der jungen Menschen belasten<br />

und extremes Verhalten wohl begünstigen (vgl. Winkler 2006). Über sie nachzudenken,<br />

sie anders zu gestalten, macht zweifelsohne den Sinn der Erziehung heute<br />

aus – eine andere Kultur des Aufwachsens scheint allerdings zentral, weil man inzwischen<br />

eher irritiert darüber sein muss, dass und wie es dem Nachwuchs eigentlich<br />

überhaupt noch gelingt, eine Gesellschaft und Kultur zu bewältigen, die strukturell<br />

eher ein Misslingen des Entwicklungsprozesses programmieren. Nach dem Sinn der<br />

Erziehung zu fragen, wo und wenn Kinder und Jugendliche an ihren Lebensbedingungen<br />

und Lebensverhältnissen schon gescheitert sind, hat durchaus Züge des Zynismus;<br />

wir müssten doch vielmehr die Zumutungen prüfen, mit welchen diese Gesellschaft<br />

sozusagen notorisch und normal die Heranwachsenden konfrontiert und verstört.<br />

Gleichwohl bleibt Thema der Umgang mit den belasteten Kindern. Ein erstes Abschnitt<br />

warnt dabei durchaus wider das eigene Fach- und Selbstverständnis <strong>vor</strong> dem<br />

Begriff der Erziehung und den mit ihm verbundenen Erwartungsfallen. Denn dieser<br />

Begriff belastet, man sollte ihn nur zurückhaltend verwenden. In einem zweiten Abschnitt<br />

wird – zugegeben in etwas ungewöhnlicher Weise – eine theoretischsystematische<br />

Überlegung zum Begriff und zur Sache der Erziehung angestellt, um<br />

damit drittens die Möglichkeit pädagogischen Handelns mit hochbelasteten Kindern<br />

und Jugendlichen <strong>vor</strong> dem Hintergrund der verfügbaren Empirie zu diskutieren und<br />

ein paar Konsequenzen anzudeuten. <strong>Das</strong> geschieht alles in provokativ einseitiger An-

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