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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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HACI-HALIL USCULAN<br />

Für Heranwachsende ist der besuchte Schultyp also verbunden mit erlebter Benachteiligung<br />

und birgt schlechtere Zukunftsperspektiven und Chancen für späteres<br />

soziales Prestige, Einkommen und <strong>vor</strong> allem Selbstverwirklichung. Auch ist im Auge<br />

zu behalten, dass türkische Jugendliche bei Eintritt in die Schule im Vergleich zu<br />

deutschen Kindern generell schwierigere Voraussetzungen für eine entsprechende<br />

schulische und soziale Entwicklung mitbringen. So haben diese geringere Deutschkenntnisse,<br />

die zum Teil auf die eher geringeren Bildungskompetenzen ihrer Eltern<br />

und deren Migrationsbelastungen zurück zu führen sind, zum Teil aber auch Traumatisierungen<br />

bzw. traumatische Kriegs- und Gewalterlebnisse aus den Herkunftsländern<br />

(so etwa aus dem Libanon, Bosnien etc.) mitbringen, die zu einer individuell deutlich<br />

höheren Gewalttoleranzschwelle führen. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass das<br />

hiesige Schulsystem weitestgehend auf die deutsche Mittelschicht zugeschnitten ist<br />

(Bommes & Radtke, 1993).<br />

In unserer eigenen Studie (Mayer, Fuhrer & Uslucan, 2005) konnten wir bspw. bei<br />

der Frage der physischen Gewaltausübung im Gegensatz zu anderen Studien wie etwa<br />

von Pfeiffer und Wetzels (2000) keine bedeutsamen Unterschiede zwischen der türkischen<br />

und deutschen Stichprobe finden, sofern die Schultypzugehörigkeit als Kontrollvariable<br />

berücksichtigt wurde. Auch die Forschungen von Lösel und Bliesener<br />

(2003) fanden, entgegen den öffentlichen Diskursen über dieses Phänomen, keine<br />

gravierenden Unterschiede in der generellen Prävalenz von aggressivem Verhalten<br />

zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen. Deutliche Unterschiede zwischen<br />

den Jugendlichen in ihren Gewaltraten treten nur dann Zutage, wenn man den<br />

Bildungshintergrund der Jugendlichen nicht betrachtet. Dies kann eine Erklärung für<br />

die in Statistiken erhöhte physische Gewaltrate bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund<br />

geben, da diese zu einem höheren Prozentanteil in Hauptschulen vertreten<br />

sind. Die <strong>vor</strong>liegenden Ergebnisse legen nahe, dass in Bezug auf Gewalt Differenzen<br />

im Bildungsstatus deutlicher her<strong>vor</strong>treten als kulturelle bzw. ethnisch bedingte Differenzen<br />

(vgl. Nauck & Schönpflug, 1997). Allerdings ließen sich in unserer eigenen<br />

Studie, auch trotz Kontrolle des Bildungshintergrundes, eine deutlich höhere Rate an<br />

Gewaltakzeptanz bzw. gewaltbilligenden Ideologien bei türkischen Jugendlichen identifizieren,<br />

die einher gehen mit Männlichkeits- und Ehr<strong>vor</strong>stellungen (Mayer, Fuhrer<br />

& Uslucan, 2005).<br />

E. Ressourcen von Migrantenjugendlichen<br />

Weder sind Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund nur als eine Problemgröße<br />

für die Mehrheitsgesellschaft zu betrachten, noch ist ihr Lebensalltag nur von<br />

Problemen und Handicaps durchzogen. Deshalb gilt es, im Folgenden sich <strong>vor</strong>dringlich<br />

der Frage zuwenden, was trotz der Risiken, denen sie ausgesetzt sind, sie stark<br />

macht bzw. sie in ihrer Entwicklung schützen kann.<br />

1. Eindeutig zeigt die Forschung, dass die in den ersten beiden Lebensjahren<br />

etablierte sichere Mutter-Kind Bindung eine bedeutsame Entwicklungsressource<br />

darstellt (Scheithauer, Petermann & Niebank, 2000). Dieser Befund sollte in<br />

Erziehungs- und Familienberatungsstellen, Jugendämtern etc., insbesondere<br />

gegenüber Migrantenfamilien und –müttern stärker kommuniziert werden.

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