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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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ZUNEHMENDE PUNITIVITÄT IN DER PRAXIS DES JUGENDKRIMINALRECHTS? 79<br />

hung von Heranwachsenden in das JGG hinsichtlich der Sanktionierungspraxis<br />

zu bestimmen.<br />

4. Auf der Ebene der Staatsanwaltschaft finden sich keine Anzeichen für zunehmende<br />

Punitivität. Die Diversionsrate ist seit den 1980er Jahren deutlich angestiegen;<br />

seit einigen Jahren stagniert sie auf hohem Niveau bei ca. 68%. Der<br />

zunehmende Gebrauch von Diversion ging auch nicht einher mit einer Zunahme<br />

der Einstellungen unter richterlich erteilten erzieherischen Maßnahmen.<br />

Allenfalls finden sich Anhaltspunkte dafür, dass die Praxis in der Wahl<br />

der Auflagen hinter den Erwartungen des Gesetzgebers des 1. JGGÄndG zurückbleibt.<br />

5. Auf der Ebene des Jugendgerichts fällt zunächst auf, dass die <strong>Jugendkriminalrecht</strong>spflege<br />

insgesamt nicht Forderungen aus Teilen der Politik entsprochen<br />

hat, junge Straftäter vermehrt zu verurteilen (statt zu divertieren) und Heranwachsende<br />

vermehrt in das allgemeine Strafrecht einzubeziehen. Insoweit gibt<br />

es keine Anzeichen für eine Punitivitätszunahme.<br />

6. In der Praxis dominieren ahndende Sanktionen, also Arbeits- und Geldauflage.<br />

Die sog. <strong>neuen</strong> ambulanten Maßnahmen sind nicht im erwarteten Maße angenommen<br />

und umgesetzt worden. Einer, allerdings regional beschränkten Untersuchung<br />

zufolge ist ihre Anwendung sogar deutlich rückläufig. Diese Entwicklung<br />

setzte aber schon zeitlich wesentlich früher ein als 2005, also der<br />

Neuregelung von § 36a SGB VIII. Ob und inwieweit diese Bestimmung zu<br />

einem weiteren Rückgang der Jugendhilfeangebote führt, lässt sich aufgrund<br />

der Daten der Strafrechtspflegestatistiken nicht bestimmen.<br />

7. Anzeichen für zunehmende Punitivität können dagegen erblickt werden in der<br />

Zunahme der relativen, auf die Verurteilten bezogenen Zahl der zu Jugendarrest<br />

und zu unbedingter Jugendstrafe Verurteilten. Bei Bezugnahme auf die<br />

Sanktionierten zeigen sich indes keine bzw. – bei Jugendarrest – nur sehr moderate<br />

Zunahmen in den letzten Jahren. Bei Jugendstrafe kommt hinzu, dass in<br />

den letzten Jahren selbst die Anteile an den Verurteilten wieder rückläufig<br />

sind. Indiz gegen eine zunehmende Punitivität ist ferner, dass die Anteile der<br />

zu Jugendstrafe von mehr als 5 Jahren Verurteilten seit 1980 in der Tendenz<br />

rückläufig sind. Angestiegen sind lediglich die relativen Zahlen der Jugendstrafen<br />

von mehr als 2 Jahren bis einschließlich 3 Jahren, bezogen auf Verurteilte.<br />

Aber auch diese relativen Zahlen sind seit 2000 rückläufig. Alle anderen<br />

Jugendstrafen sind über den gesamten Zeitraum hinweg rückläufig oder zumindest<br />

konstant.<br />

8. <strong>Das</strong>s hinsichtlich der Gesamtzahl der aller Sanktionierten bzw. aller Verurteilten<br />

keine Verschärfung der Sanktionierungspraxis festgestellt werden kann,<br />

schließt nicht aus, dass derartige Punitivitätstendenzen bei einzelnen Tat- oder<br />

Tätergruppen bestehen. Im allgemeinen Strafrecht gibt es deutliche Anzeichen<br />

dafür, dass u.a. bei vollendetem Mord bzw. bei <strong>vor</strong>sätzlichen Tötungsdelikten<br />

die Strafen härter geworden sind. Im Jugendstrafrecht gibt es auch bei diesen<br />

Delikten keine derartigen Anzeichen.

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