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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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KONTINUITÄT UND ABBRUCH PERSISTENTER DELINQUENZVERLÄUFE 117<br />

Etwas deutlicher ausgeprägt erschien der Effekt von Persönlichkeitsfaktoren (<strong>vor</strong><br />

allem des HIA-Syndroms: Hyperactivity-Impulsivity-Attention-Deficit) in multivariaten<br />

Analysen der Pittsburgh-Studie hinsichtlich „Physical Aggression“ und „Multiple<br />

Problem Boys“ (Loeber et al. 1998, S. 192 ff., 243 ff.), nicht jedoch für die Gesamtdelinquenz<br />

(S. 114 ff.). Diese Analysen wurden allerdings nur im Kindesalter (alle drei<br />

Kohorten: 7, 11 und 14 Jahre) als Querschnittsanalyse des ersten so genannten Follow-Up<br />

durchgeführt. Sie konnten also die inhaltlich entscheidende weitere Entwicklung<br />

solcher Zusammenhänge, insbesondere mit Blick auf deren Stabilität oder Wandel<br />

(bei Letzterem <strong>vor</strong> allem den Abbruch im Rahmen des sog. Maturing-Out), nicht<br />

untersuchen. <strong>Das</strong> HIA-Syndrom erklärte allerdings auch hier lediglich zwischen 2%<br />

und 5% der Varianz dieser multifaktoriellen Modelle, die insgesamt bis zu 23% (Physical<br />

Aggression) bzw. 29% (Multiple Problem Boys) aufklären konnten (ebda.); 28 die<br />

Analyse der „Multiple Problem Boys“ ist zudem teilweise tautologisch erfolgt, da in<br />

die Konstruktion dieser abhängigen Variablen neben anderen Problemen auch ein<br />

ADHD-Score (Attention-Deficit-Hyperactivity-Disorder) eingegangen ist (a.a.O., S.<br />

241 f.). Bemerkenswerterweise entfiel jeweils die Hälfte der erklärten Varianz auf nur<br />

eine Variable: Lack of Guilt (a.a.O., S. 115, 193, 245 f.). Deren Validität ist indessen<br />

zweifelhaft. Denn entgegen der sonstigen Übung dieser Studie beruht diese Variable<br />

nicht auf einem mit zahlreichen Items erhobenen Index, sondern lediglich auf dieser<br />

einen, nur von den Eltern oder Lehrern beantworteten Frage (a.a.O., S. 60). Man kann<br />

angesichts dessen nicht ausschließen, dass die Befragten den „Mangel an Schuldgefühl“<br />

aus dem ihnen bekannten delinquenten Verhalten geschlossen haben, Ersteres<br />

also lediglich eine Näherungsvariable für Letzteres wäre. Zudem interpretieren Loeber<br />

et al. „Lack of Guilt“ als (anlagebedingte) Persönlichkeitseigenschaft. Man wird darin<br />

indessen eine im Rahmen des Sozialisationsprozesses erworbene normative Einstellung<br />

zu erblicken haben.<br />

<strong>Das</strong>s solche personalen Risikofaktoren für den delinquenten Lebensverlauf weniger<br />

relevant sind, zeigte sich auch in der Fortuntersuchung der Gluecks-Probanden durch<br />

Sampson und Laub (2003, S. 582 f.; Laub und Sampson 2003, S. 107 ff.). Die bereits<br />

zu<strong>vor</strong> beschriebenen lebenslangen Trajektorien konnten nämlich anhand von kindlichen<br />

und jugendlichen Risikofaktoren individueller oder familiärer Art (unter anderem<br />

renzperioden (Alter 13-18 bzw. 18-25 Jahre) und enthält kaum eines der üblichen Items zur Gewaltoder<br />

Eigentumsdelinquenz; mit 25 Jahren (t4) wurden zudem vier zusätzliche Delikte erfragt. Damit<br />

mag zusammenhängen, dass die Prävalenzraten mit 25 (unerwarteterweise) deutlich höher lagen als<br />

mit 18 Jahren (t3; Schmidt et al. 2001, S. 27 ff.). In den Auswertungen blieben die selbstberichteten<br />

Bagatelldelikte zwar unberücksichtigt, Eigentums- und Gewaltdelikte konnten jedoch nicht unterschieden<br />

werden. Des Weiteren ist nicht plausibel, warum in den multivariaten Analysen die Risikofaktoren<br />

des 13.-18. Lebensjahres, die auch zahlreiche soziale und ökonomische Belastungen enthielten,<br />

„aufgrund ihrer zeitlichen Nähe zum Vorhersagekriterium“ nicht berücksichtigt wurden, denn<br />

proximale Faktoren hatten ansonsten einen stärkeren Effekt (Lay et al. 2001, S. 125 ff., Fn. 2). Kriminologisch<br />

wäre bedeutsam, ob diese Faktoren bei ihrer Berücksichtigung einen noch deutlicheren Einfluss<br />

gewonnen hätten.<br />

28<br />

Bei der Gesamtdelinquenz betrug die erklärte Varianz zwischen 11% und 22% (Loeber et al. 1998, S.<br />

115). – Loeber und Kollegen berichten als multivariate Koeffizienten ihrer hierarchischen Regressionsanalysen<br />

die jeweils erreichte multiple Korrelation („Multiple R“). Um das Maß der jeweiligen erklärten<br />

Varianz (Determinationskoeffizient R²) zu erhalten, muss man diese quadrieren (Kühnel und<br />

Krebs 2001, S. 534).

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