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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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114<br />

KLAUS BOERS<br />

C. Der Abbruch delinquenter Verläufe<br />

Ein ähnliches Bild der Verlaufspfade selbstberichteter Delinquenz ergaben auch die<br />

im Rahmen der Rochester Youth Development Study durchgeführten latenten Klassenanalysen<br />

mit 647 männlichen Befragten einer hinsichtlich sozial benachteiligter<br />

Nachbarschaften stratifizierten Stichprobe (siehe unten 5.1). 21 Zwischen dem 13. und<br />

23. Lebensjahr (letztes Erhebungsalter) stellten sich unter Berücksichtigung aller Delikte<br />

acht Verlaufspfade heraus (Thornberry 2005, 163 ff.). 22 Bei den als einzige<br />

Gruppe im Alter von 13,5 Jahren mit 70 Delikten pro Jahr hoch belasteten Persistent<br />

High-Level Offenders (6,9% aller Probanden) verringerten sich die Täterinzidenzraten<br />

innerhalb von zehn Jahren (linear) um die Hälfte. Zwei Gruppen – Late Bloomers<br />

(9,4%) und Gradual-Uptake Offenders (12,4%) – wiesen einen exponentialen bzw.<br />

linearen Verlauf der Täterinzidenzraten mit den im Alter von 23 Jahren höchsten Werten<br />

auf; bemerkenswerterweise waren sie wie alle anderen Gruppen, außer den Persistent<br />

Offenders, mit 13,5 Jahren kaum belastet. Insbesondere die Trajektorien dieser<br />

drei Gruppen widersprechen Moffitts Verlaufsannahmen. Weder erwiesen sich die<br />

früh beginnenden Persistent High-Level Offenders im Alter von 23 Jahren als persistent<br />

noch die beiden spät beginnenden Gruppen als Adolescence-Limited Offenders.<br />

Daneben folgten drei Gruppen (zusammen 30,7%) dem typischen Muster eines im<br />

Jugendalter einsetzenden und spätestens mit dem beginnenden Erwachsenenalter abbrechenden<br />

Delinquenzverlaufs; auch eine weitere Gruppe brach im Jugendalter ab,<br />

zeigte aber ab dem 22. Lebensjahr wieder einen Anstieg der Täterinzidenz (Intermittent<br />

Offenders: 10,8%). Die achte Gruppe der Low-Level Offenders (29,7%) verblieb<br />

durchweg auf einem geringen Inzidenzniveau und war deshalb hinsichtlich einer Persistenz<br />

oder eines Abbruchs nicht relevant. 23<br />

nicht delinquenter Auffälligkeiten mitgeteilt. Mit Blick auf die unerwartet fortbestehende Delinquenz<br />

der AL-Probanden wird allerdings eine Falsifikation der Moffittschen Taxonomie für möglich gehalten,<br />

sollte es in den folgenden Lebensjahren nicht zu einem signifikanten Delinquenzabbruch in der<br />

AL-Trajektorie kommen: „Whether Dunedin AL men are in trouble at 26 years because their cohort’s<br />

maturity gap is prolonged (and the theory is right), or because adult adjustment is not influenced by<br />

childhood experience (and the theory is wrong), waits further follow-up.“ (Moffitt et al. 2002, S. 201).<br />

Die fortgesetzte Delinquenz der AL-Gruppe wird mit einer Postadoleszenzthese erklärt: Insbesondere<br />

die große neuseeländische Arbeitslosigkeit habe dazu geführt, dass sich die für moderne Sozialisationsprozesse<br />

typische Reifungslücke („maturity gap“) ausweite, also immer weniger Jungerwachsene<br />

eine traditionelle Erwachsenenrolle mit stabilem Berufsstatus, Ehe oder Elternschaft einnehmen könnten<br />

(Moffitt et al. 1996, S. 419; 2002, S. 196 f., 200).<br />

21<br />

Sowohl die Rochester-Studie als auch die Reanalyse und Fortsetzung der Gluecks-Studie durch Laub<br />

und Sampson gehören zu den soziologischen Längsschnittstudien. Sie werden in diesem Abschnitt lediglich<br />

zur Erörterung der empirischen Bewährung der persönlichkeitsorientierten Verlaufsannahmen<br />

herangezogen.<br />

22<br />

Zu einer auch die Probandinnen der Rochester-Studie berücksichtigenden Trajektorienanalyse, siehe<br />

Bushway et al. 2003, S. 141 ff.<br />

23<br />

Auch die latenten Klassenanalysen mit den ersten vier, vom 13. bis zum 16. Lebensjahr reichenden<br />

Wellen der Duisburger Panelstudie deuten auf eine solche Befundlage hin. Die (anhand summierter<br />

Einzelprävalenzen erhobene) Delinquenzbelastung der Hochbelasteten entwickelte sich – nachdem sie

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