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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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DIE EUROPÄISCHE EMPFEHLUNG REC (2008) 11 307<br />

Rule 49.2 sieht für jede Art von Freiheitsentzug ein System der <strong>vor</strong>zeitigen Entlassung<br />

<strong>vor</strong>. Diese Regelung gewinnt <strong>vor</strong> allem im Zusammenhang mit einigen weiteren<br />

Regelungen, insbesondere dem in den Empfehlungen mehrfach angesprochenen Prinzip<br />

der durchgehenden Betreuung (Rules 15, 50.1 und 51) und der Vollzugsplanung<br />

eine besondere Bedeutung. So sollen die Einrichtungen der Nachsorge, d. h. die Bewährungs-<br />

und Straffälligenhilfe, von Anbeginn des Vollzugs einer freiheitsentziehenden<br />

Sanktion für den Jugendlichen mit zuständig sein (siehe Rule 51). Ferner soll<br />

die Vollzugsplanung auf den Zeitpunkt der frühestmöglichen bedingten Entlassung<br />

orientiert werden (vgl. Rule 79.3). Der Kommentar zu Rule 49.2 zitiert insoweit die<br />

empirischen Befunde, dass die <strong>vor</strong>zeitige Entlassung <strong>vor</strong> allem dann erfolgversprechend<br />

und Rückfall reduzierend erscheint, wenn sie in ein umfassendes und integriertes<br />

System der Entlassungs<strong>vor</strong>bereitung und Nachsorge eingebettet ist.<br />

Die dritte o. g. allgemeine Regelung (Rule 50.1) benennt als alleiniges Vollzugsziel<br />

die Wiedereingliederung des jungen Gefangenen. 24 Hierzu soll ein vielfältiges Förderangebot<br />

an Maßnahmen garantiert werden. Da diese Regelung im Allgemeinen Teil<br />

zum Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen aufgeführt ist, betrifft sie auch die<br />

Untersuchungshaft und andere <strong>vor</strong>läufige Freiheitsentziehung. Daher ist sie auch nur<br />

als Angebotslösung <strong>vor</strong>gesehen. Die weiteren Absätze von Rule 50 betreffen die Frage<br />

der Mitwirkung und Mitbestimmung. Jugendliche sind zur Teilnahme an Erziehungsmaßnahmen<br />

zu ermutigen (Rule 50.2) und dazu, individuelle oder gemeinsame Angelegenheiten<br />

mit den Verantwortlichen zu diskutieren (Rule 50.3). <strong>Das</strong> partizipatorische<br />

Element soll mit gutem Grund gestärkt werden, weil hierdurch die Akzeptanz der entsprechenden<br />

Maßnahmen und damit die Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Wiedereingliederung<br />

verbessert werden. Von einer in Deutschland in den Jugendstrafvollzugsgesetzen<br />

unterschiedlich behandelten Mitwirkungspflicht 25 wurde auch in den<br />

nachfolgenden Abschnitten der Regelungen mit Ausnahme des Zwangs zur Teilnahme<br />

an Schulausbildungsmaßnahmen für schulpflichtige Jugendliche und zur Teilnahme an<br />

Berufsausbildungsmaßnahmen für Jugendliche, die über keinen Abschluss verfügen,<br />

Abstand genommen (s. u.).<br />

Rule 51 als weitere allgemeine Regelung betrifft – wie erwähnt – den Gedanken<br />

der durchgehenden Betreuung. Von Anbeginn des Freiheitsentzugs und möglichst<br />

durchgehend sollen junge Inhaftierte von denjenigen Institutionen betreut werden, die<br />

nach der Entlassung für sie zuständig sein werden. Dies bedeutet, dass bereits in Untersuchungshaft<br />

und danach im Jugendstrafvollzug die Mitarbeiter der Jugend- bzw.<br />

Bewährungshilfe u. ä. von Beginn an einzubeziehen sind. Da nicht nur in Deutschland<br />

etwa die Hälfte der jungen Untersuchungshäftlinge zu einer ambulanten Sanktion,<br />

insbesondere einer Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und damit direkt aus der<br />

U-Haft entlassen wird, ist die frühzeitige Einbeziehung der Bewährungshilfe sachlich<br />

geboten. Dementsprechend fordern alle Jugendstrafvollzugsgesetze der Länder, dass<br />

die Anstalten „möglichst frühzeitig“ 26 mit den Einrichtungen, Organisationen sowie<br />

24<br />

In Anlehnung an Rule Nr. 12 der UN-Rules für Juveniles Deprived of their Liberty von 1990, vgl.<br />

Höynck/Neubacher/Schüler-Springorum 2001, S. 85.<br />

25<br />

Vgl. zur Kritik Dünkel/Pörksen 2007; Eisenberg 2008, S. 252 f. m. jew. w. N.<br />

26<br />

Einige Gesetze wie dasjenige in Baden-Württemberg und in Hessen konkretisieren diesen Begriff mit

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