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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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KRIMINALPOLITIK IN DER MEDIENGESELLSCHAFT 245<br />

ten Vergeltung noch übertroffen werde (exemplarisch: die Sicherungsverwahrung).<br />

• Perfektionistische Erwartungen an die Rechtssysteme, die einen lückenlosen<br />

Schutz für alle nur denkbaren Fälle gewährleisten sollen.<br />

Damit komme ich zur<br />

4. These: Durch die Eigengesetzlichkeit der Medien entsteht eine eigene Medienkriminalität<br />

und auch Medienkriminologie. 15 Deren Besonderheiten bestehen<br />

in der Konstitution einer einfach verständlichen emotional ansprechenden<br />

Wirklichkeit (mit z.B. festen „Motiven“), die durch klare Regelungen und Lösungen<br />

gestaltet und in der solchermaßen das Verbrechen wirksam bekämpft<br />

werden kann.<br />

Die Medienkriminologie ist eine Art „Volkskriminologie“, die die Befindlichkeiten in<br />

der Bevölkerung aufgreift und aus der kriminalpolitische Vorstellungen erwachsen.<br />

Sie enthält Verkürzungen und Vereinfachungen dessen, was sich bei wissenschaftlicher<br />

Sicht ergibt, ist demgegenüber ein Aliud. Die Behauptung einer eigenen Medienkriminologie<br />

bedeutet, das sei noch einmal betont, keine „Medienschelte“. 16 <strong>Das</strong> folgt<br />

bereits aus dem Umstand, dass die Medienkriminologie <strong>vor</strong> dem Hintergrund medialer<br />

Herstellungs- und Arbeitsbedingungen betrachtet und erklärt wird. So verlangt der<br />

Konkurrenzdruck verstärkt die Präsentation neuer, möglichst Besorgnis erregender<br />

Phänomene. Die moderne elektronische Datenverarbeitung erlaubt schnelle Recherchen.<br />

<strong>Das</strong> ermöglicht beispielsweise die Aufstellung von Listen dramatischer Vorfälle<br />

quer über den Globus. Wir finden etwa rasch eine Aufstellung von Amokläufen – von<br />

Australien bis Finnland. Auf der Stelle ist ein neuer Trend ausgemacht, der dergleichen<br />

auch bei uns „alltäglich“ erscheinen lässt, obgleich es sich bislang doch um recht<br />

seltene Vorfälle handelt. <strong>Das</strong> Amoklaufen könnte freilich nicht zuletzt durch eine besonders<br />

intensive mediale Beachtung an Attraktivität für bestimmte vernachlässigte<br />

Schüler gewinnen.<br />

Wegen des starken Bezuges der medialen Darstellungen zu den wandelbaren<br />

Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung darf man sich kein widerspruchsfreies<br />

oder geschlossenes Konzept <strong>vor</strong>stellen. Vielmehr werden durchaus konträre Strömungen<br />

berücksichtigt. So passiert es nicht selten, dass in der gleichen Zeitung auf<br />

den ersten Seiten lauthals drastischere Vorgehensweisen und Strafen gegenüber bestimmten<br />

jungen Straftätern gefordert werden, während auf einer hinteren Seite des<br />

Lokalteils unangefochten die Mitarbeiter eines Jugendhilfeprojekts mit ihren Ansichten<br />

zu Wort kommen, die dem zu<strong>vor</strong> propagierten rigiden Ansatz gerade zuwider laufen.<br />

In diesem Sinne haben jüngst Untersuchungen in den USA gezeigt, dass trotz<br />

aller punitiven Strömungen eine gesonderte Jugendgerichtsbarkeit, die den Schwer-<br />

15<br />

S. bereits die Beiträge von Frehsee und Walter i. Bundesminsterium der Justiz (2000), S. 10 f. u. 23 f.;<br />

Rafter (2007), S. 417<br />

16<br />

Zum „Nebeneinander unterschiedlicher, aber gleichrangiger Rahmungen von Kriminalität“ zutreffend<br />

Kunz (2008), S. 92 f.

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